Zwei Personen an Bass und Schlagzeug. Von der Musik bis zum Artwork alles selbst- und handgemacht. Was mit rein mengenmäßig wenig Input an hochwertigem Output jenseits der gängigen male/female Duo-Standards möglich ist, zeigen Megan March und John No auf ihrem jüngsten Album „Blood::Muscles::Bones“. Wie das funktioniert, warum es für sie keine wirklich brauchbare Alternative zu DIY gibt und was es mit dem Begriff Truewave auf sich hat, erklären die beiden in einem (Doppel-)Schlagwortinterview.
DIY & Artwork
Megan: DIY und Artwork sind zwei Dinge, die für uns besonders wichtig sind. Wir versuchen immer, so viel wie möglich selbst zu machen. Das beschränkt sich nicht nur auf die Musik, sondern geht natürlich auch darüber hinaus, also Artwork und alles drumherum. Alles wird zu unserer ganz persönlichen Kunstform. Wir bringen uns da voll ein, weil wir nur so sicher sein können, dass es auch wirklich genau das ist, was wir auch wollen. Das Artwork ist ja schließlich auch eine zusätzliche Möglichkeit, Ideen auszudrücken, es ist eigentlich ein Teil der Musik und umgekehrt. Das Cover einer LP zum Beispiel gibt dem Ganzen noch mal eine ganz persönliche Note und das ist eine ganz wichtige Sache.
Vinyl & Kassetten
Megan: Ich mag Kassetten sehr, sehr gerne, sie sind ein enorm spannendes Medium. Wir sind ja damit aufgewachsen, aber sie haben wirklich auch Charme: Man kann sie ohne großen Aufwand selbst bespielen, sie haben einen ganz eigenen Sound und man kann sie einfach so in die Tasche stecken. Es gibt zwar auch einige Leute, die Kassetten sammeln, aber bei Vinyl ist die Anhängerschaft doch enorm viel größer. Und Vinyl ist natürlich rein größenmäßig das Format, bei dem das Artwork am besten zur Geltung kommt. Außerdem kann man noch mit visuellen Gimmicks wie Einlegern oder Ähnlichem arbeiten.
John: Bei Vinyl hast du noch richtig was in der Hand, kannst es dir in Ruhe bis ins letzte Detail anschauen. Das ist nicht nur so ein fingernagelgroßes Bildchen auf einem Display, sondern eine vollständige haptische und visuelle Erfahrung.
Megan: Vinyl ist aber nicht unbedingt nur was für Sammler. Zwar wirst du als Sammler irgendwie ein Stück weit ein Teil der Musik beziehungsweise der Gemeinschaft, die sich darüber definiert, aber das unterscheidet dich ja nicht wesentlich von demjenigen, der einfach auf ein Konzert geht und die Musik genießen will, ohne sie in physischer Form zu haben. Alles ist hier erlaubt, es geht schließlich in erster Linie darum, sich in die Musik hineinversetzen zu können und Spaß dabei zu haben. Egal wie.
John: Wenn wir eine ganz spezielle Ausgabe einer Platte in einer limitierten Auflage herausbringen, dann liegt das in erster Linie daran, dass wir so viel selbst in Handarbeit machen. Wenn du alles selbst im Siebdruckverfahren herstellst, faltest und jede einzelne Platte in ihre Hülle steckst, stößt du nun mal irgendwo an eine Grenze, mehr als ein paar hundert sind da einfach nicht drin. Irgendwann kommst du einfach an den Punkt, an dem du keine Lust mehr darauf hast und sagst, das ist jetzt erst mal genug. Wir machen den ganzen Kram von zu Hause aus, nur so ergibt das Sinn für uns und macht jede Veröffentlichung auch für uns zu einer ganz speziellen und neuen Erfahrung.
Punk & Truewave
John: In einer Welt, in der es so viel unterschiedlichen Kram gibt, so viele Unterteilungen von Punk und Undergroundmusik, in der es immer mehr Musik, Bands und Medien über Musik und Bands gibt, in der es einfach eine Million Musikkategorien gibt, haben wir einfach den Begriff Truewave in den Raum geworfen. Das ist so eine Art Mysterium, es gibt keine Definition dafür und man kann damit keinen speziellen Sound verbinden. Es kommt ganz darauf an, was hinein projiziert wird und wie viel Ernsthaftigkeit im Endeffekt überhaupt dahintersteckt. Welche Emotionen und wie viel Energie es beim Hörer erzeugt. Am Anfang ist jedes Album ein Mysterium, was daraus wird hängt davon ab, wie viel Bedeutung und persönliche Gefühle du in die Musik investierst.
Männlich & weiblich
Megan: Männlich und weiblich sind ja eigentlich nur zwei verschiedene Seiten derselben Medaille, diese ganze Gender-Sache wird doch im Grunde genommen nur von der Gesellschaft konstruiert. Ein Geschlecht hat viele verschiedene Ausdrucksformen, was da männlich und weiblich sein kann, kommt immer auf den Kontext an. Ich finde jedenfalls nicht, dass männlich und weiblich unbedingt zwei verschiedene Dinge bezeichnen.
John: Wir haben beide schon in mehreren Bands gespielt, und eine der Grundvoraussetzungen für eine funktionierende Band ist unserer Erfahrung nach immer, dass sich jeder frei fühlen muss, das tun und sein zu dürfen, was er will und für richtig hält. Ich kann zum Beispiel mit einer recht hohen Stimme singen, und auf Konzerten haben dann manchmal Leute gefragt, wer denn das Mädchen ist, das da gerade singt.
Schlagzeug & Bass
John: Obwohl der Bass nur vier Saiten hat, kann man verdammt viel aus ihm herausholen, mehr als viele denken. Du kannst viele tiefe Töne auf ihm erzeugen, aber auch eine Menge hohe, ganz besonders, wenn du mit Treble Booster und Equalizer arbeitest. Wenn du dazu bereit bist, alles auszureizen, dann gibt er einiges her. Ich weiß nicht wirklich, wie man einen Bass tatsächlich wie einen Bass spielt, ich habe auch nie danach gefragt, deswegen ist Bassspielen für mich eher eine Gefühlssache, energie- und ausdrucksgeladen. Ich arbeite mit Sounds, die sich für mich überzeugend anhören, und oft sind das Klänge, die die Meisten nicht von einem Bass erwarten würden. Viele Leute denken sogar, ich würde eine normale sechssaitige Gitarre spielen. Durch die vier Saiten am Bass ist man zwar limitierter, aber dadurch auch wesentlich innovativer und kreativer. Oft habe ich einen Sound im Kopf und versuche ihn dann irgendwie mit dem Bass umzusetzen. Das ist immer wieder ein Riesenspaß. Insgesamt ist das limitierte Format mit Bass, Schlagzeug und Gesang eine sehr fruchtbare Konstellation und beeinflusst natürlich auch unsere Dynamik und die Art, wie wir Songs strukturieren. Es hält die Sache auch für uns spannend, weil es uns davor bewahrt, dasselbe immer zu wiederholen.
Megan: Ich spiele Schlagzeug auch nicht unbedingt den Standards entsprechend. Das kannst du in einem Duo auch gar nicht, du kannst ja nicht einfach so tun, als würdest du in einer typischen Bandkonfiguration von drei oder vier Personen mit Gitarren, Bass und so weiter spielen. Und du kannst mit einem Schlagzeug tatsächlich so viel mehr als Rhythmus erzeugen. Dynamik, verschiedene Strukturen, da kannst du auch schon beim Songwriting darauf eingehen. Es ist nicht unbedingt das, was die Leute erwarten. Dadurch, dass wir nur Gesang, Bass und Schlagzeug haben, sind wir eigentlich dazu gezwungen, kreativer zu sein.
Blood::Muscles::Bones
Megan: Namensgebend für das Album war ursprünglich der Song „Blood, muscles, bones“, aber ich denke im Kontext haben die Titel dann doch wieder unterschiedliche Bedeutungen. Bei dem Song habe ich eher daran gedacht, wie die Gesellschaft den Körper jedes Einzelnen, egal ob männlich, weiblich oder irgendwas dazwischen, angreift, indem sie beeinflussen will, wie wir fühlen und uns selbst sehen. Wenn du aber das ganze Album betrachtest, öffnet sich die Bedeutung vom Minimum der Gefühlswelt der einzelnen Person zum Maximum der gesellschaftlichen Ebene und dem ganzen Leben. Wir werden ja über Jahre hinweg darauf getrimmt, dass wir arbeiten müssen, produzieren, konsumieren. Bis wir das irgendwann akzeptieren, um der Norm zu entsprechen. Das sollte nicht so sein.
John: Genau das ist der zentrale Gedanke des Albums. Seit Jahrzehnten geht es eigentlich nur darum, ein Konsument oder Produzent zu werden. Die Absurdität des Krieges mit seinen künstlich erzeugten Feind- und Freund-Bildern gibt diese ständige Aggression sehr plakativ wieder. Krieg hat ja inzwischen mit Robotern und Drohnen eine völlig neue Dimension erreicht. Man merkt teilweise gar nicht mehr, ob man jemanden erschossen hat oder nicht. Im Ersten Weltkrieg sah die Sache noch ganz anders aus. Der echte Krieg hat inzwischen die physische Ebene verlassen. Ganz anders sieht es für den Einzelnen als Gesellschaftsmitglied aus: Er wird ganz klar auf der physischen Ebene attackiert, als potentieller Feind der Gesellschaft. Genau das greifen Texte und Artwork auf.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #117 Dezember 2014/Januar 2015 und Anke Kalau
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #116 Oktober/November 2014 und Anke Kalau
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #102 Juni/Juli 2012 und Simon Brunner
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #133 August/September 2017 und Anke Kalau
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #88 Februar/März 2010 und André Bohnensack