STEFFEN ADEMMER

Foto

Du hast’n Pinsel? Geil, ich hab ’ne Kiste Bier. Abfahrt!

Ohne wesentlich zu übertreiben, kann man sagen, dass Steffen Ademmer aus Köln den D.I.Y.-Gedanken lebt: Er betreibt Äthervocxs Records, organisierte in seinem ehemaligen WG-Zimmer hervorragende Konzerte mit Bands, die er schätzt, und schuf damit einen wichtigen Ort für Alternativkultur in Köln. In seiner neuen Galerie, der „Staatsgalerie Delirien“, stellt er sehenswerte Kunst aus dem Underground aus und engagiert sich für BfO (Bürger für Obdachlose) in Köln. Nebenbei arbeitet er im Punkrock-Club Sonic Ballroom an der Theke. Zuvor ist er Touren gefahren, war als Streetart-Künstler aktiv, hat beim KANTHOLZ KLAN gesungen und gemeinsam mit Timbo Tanzpalast das Kollektiv Äther Youth gegründet. Und all das beneidenswert leidenschaftlich, idealistisch, kreativ und vor allem so verdammt sympathisch. Darüber hinaus hat dieser Typ bereits mehr Abenteuer erlebt, als Jack London jemals hätte schreiben können. Aber bereits dies wäre mindestens ein weiteres Interview wert ...

Du hast die ersten Konzerte in deinem WG-Zimmer in Köln veranstaltet. Was brachte dich auf diese Idee?

Ich habe ein Bett, das ist Matratze und Lattenrost in einem. Bei allen Umzügen war das total schwierig zu transportieren, weil das so sperrig und ultraschwer ist. Das Bett stand immer auf vier Steinen und dann habe ich mir irgendwann gedacht, wenn ich das umdrehe und eine Holzplatte darauf nagle, dann kann ich das immerhin auch als Bühne verwenden. Kurz nach diesem Einfall bin ich zum Bauhaus gefahren, habe mir zwei Bretter zurechtschneiden lassen, die auf das Lattenrost genagelt und los ging’s. Wenn Konzerte gewesen sind, habe ich mein Bett umgedreht und die Band hat darauf gespielt. Wenn das Konzert vorbei gewesen ist, habe ich die Bühne wieder umgedreht und dann hatte ich wieder mein Bett. Ganz simpel.

Was waren für dich die Vor- und Nachteile, Konzerte erst in deinem eigenen WG-Zimmer beziehungsweise dann später – in der nächsten WG – im gemeinsamen Wohnzimmer zu veranstalten?

Ein Vorteil war, die Bands, die ich sowieso sehen wollte, bei mir zu Hause spielen zu lassen und nicht mehr durch die Gegend fahren zu müssen. So konnte ich mir Bahnfahrten sparen, die ich sowieso hasse. Ein anderer Vorteil ist, dass man diverse Leute kennen lernt und zusammen Spaß hat. Ein Nachteil dagegen ist folgender: Ich habe mich früher auf Konzerten oft daneben benommen. So viel kann ich vorwegnehmen: ich habe alles doppelt und dreifach wiedergekriegt. Deswegen kann ich mich eigentlich auch nicht beschweren, aber wenn Lampen oder Heizkörper heruntergerissen werden und 50 bis 60 Liter Wasser durch die Wohnung laufen oder dir irgendwelche betrunkenen Leute ins Wohnzimmer pinkeln oder in eine Pfanne kotzen und die durch die Bude werfen, dann ist das eben nicht so lustig. Aber der wirklich einzige, richtige Nachteil von dieser ganzen Geschichte ist, dass man am nächsten Tag die ganze Scheiße wieder saubermachen muss und das dauert halt. Die Probleme mit der Nachbarschaft haben sich in Grenzen gehalten. Wenn Konzerte in meinem ersten WG-Zimmer stattgefunden haben, dann habe ich den unter uns mit seiner Familie wohnenden Italiener immer mit Geld bestochen. Wir haben einen Hut herumgehen lassen und die Knete hat er gekriegt. Manchmal hat er das Geld angenommen und manchmal hat er uns zum Teufel gejagt. Mit dem Ordnungsamt gab es zum Glück keine Probleme.

Vor einigen Jahren war es in Köln – als Band oder auch als Veranstalter – nicht so leicht, Veranstaltungsorte zu finden, ohne ein größeres finanzielles Risiko einzugehen. War das für dich auch ein Grund, bei dir zu Hause Konzerte zu organisieren?

Auf jeden Fall. Es ging immer auch darum, Freunden und Bekannten eine Plattform zu bieten, um spielen zu können. Vorher, als ich noch Touren gefahren bin, fand ich das alles eigentlich auch immer ganz geil, wollte dann aber lieber selbst etwas organisieren. Ich mag die ganze Netzwerkgeschichte und es ist ja immer schön, wenn man Leuten weiterhelfen kann, ohne größeren Aufwand irgendwo auftreten zu können. Außerdem habe ich immer versucht, meine Wohnung nicht nur als solche zu nutzen.

Du wohnst inzwischen seit einigen Jahren in Köln. Wie nimmst du die Gentrifizierung in Köln-Ehrenfeld wahr, dem Stadtteil um Underground und Sonic Ballroom?

Im Jahr 2000 bin ich nach Köln-Chorweiler gezogen und dann 2002 etwas mehr in die Innenstadt, in die Widdersdorfer Straße in Ehrenfeld. Damals hat eigentlich kaum einer bis hin zum Bürgerzentrum Ehrenfeld gewohnt. Aber man merkt deutlich, dass sich so nach und nach alles immer mehr verschiebt. Zunehmend werden in Ehrenfeld Wohnungen renoviert, weshalb die Mieten erhöht werden, was viele sich nicht mehr leisten können beziehungsweise nicht mehr leisten wollen und daher immer weiter rausziehen. Ein anderes Beispiel: Das ganze Gelände rund um den Club Underground wurde jetzt ebenfalls aufgekauft und soll umstrukturiert werden. Und gegenüber von der Live Music Hall steht derzeit noch eine alte Schiffschraubenfabrik, die nun in diesen Tagen versteigert wird. Aber auch das ganze Eckgelände, wenn man von der Vogelsanger Straße in die Lichtstraße einbiegt, wurde bereits aufgekauft. Solche Grundstücke werden erst gar nicht mehr an Privatinvestoren verkauft, sondern nur noch an Industriefirmen, damit dort Lofts oder Büroräume hochgezogen werden können. Dies sind nur ein paar Beispiele, ich könnte noch einige mehr nennen. Der Wandel, der in Ehrenfeld vonstatten geht, ist jedenfalls unübersehbar.

Sind diese Veränderungen auch an der kulturellen Infrastruktur festzustellen?

In den letzten fünf, sechs Jahren gab es mehrere Läden, die neueröffnet und dann wieder geschlossen wurden, weil alte Hallen aufgekauft worden sind. Zu nennen sind zum Beispiel der Sensor Club oder die Papierfabrik. Auch mehrere Ateliers wurden geschlossen. Natürlich gibt es in Ehrenfeld auch immer noch mehrere alternative Clubs und Bars, die sich halten.

Du hast zwischendurch anderthalb Jahre in Berlin gewohnt, bist dann aber nach Köln zurückgekommen. Was bevorzugst du daran, in Köln zu wohnen?

Das ist vor allem dieses dörfliche Flair, da ich ja ursprünglich aus Brilon im Sauerland komme. In Köln hast du relativ kurze Wege und es passiert konzertmäßig recht viel. Und dadurch, dass ich für meinen Zivildienst nach Köln gezogen bin, habe ich auch einige Leute kennen gelernt, die mir ans Herz gewachsen sind. Die beiden Hauptgründe waren also Kneipen und Freunde, haha. In Berlin-Neukölln, wo ich gewohnt habe, lag irgendwie ein Grauschleier über der ganzen Ecke. Da war so eine gewisse Tristesse, die mich nach kurzer Zeit heruntergezogen hat. Es war recht schwierig, weil die wenigsten Leute Knete hatten. Als ich in diesem Stadtteil gewohnt habe, war dort noch nichts mit tausend Kneipen und einem alternativen Programm. Abends war ich vielleicht mal im Bierbaum 2 oder beim gemütlichen Dortmunder. Mittlerweile hat es quasi zum neuen Kreuzberg entwickelt. Es hat sich einiges verändert, weshalb es dort sicherlich auch netter geworden ist.

Du hast vor kurzem in der Maastrichter Straße 24 die kleinste Galerie Kölns eröffnet, die „Staatsgalerie Delirien“. Was hast du für ein Verhältnis zu Kunst?

Ich habe schon immer viel gemalt, dann eine Zeit lang viel Streetart-Kram gemacht und dann begonnen, Assemblagen zu erstellen. Erst in den letzten drei Jahren habe ich angefangen, das alles zu sammeln und davon Fotos zu machen. Und was meine aktuellen Werke betrifft: Ich stand schon immer auf nostalgische, obskure Dinge, aber vor allem gefällt mir, dass man sich meine Sachen anguckt und erst mal nicht weiß, was das Ganze überhaupt soll. Hierzu passt der Spruch ja auch wieder: Das ist Kunst, das raffst du nie!

Worum geht es bei der „Staatsgalerie Delirien“, was ist dort in der nächsten Zeit geplant?

Auch hier geht es darum, Freunden und Bekannten eine Plattform zu bieten, auf der sie ihre Arbeiten vorstellen können, ganz egal, ob die nun Fotos machen, malen oder irgendwelche Objekte bauen. Die Maastrichter Straße ist ganz gut frequentiert, und wenn sich aufgrund dieser Aktion ein neues Netzwerk von Personen bildet, die vielleicht vorher gar nicht wussten, wer noch so künstlerisch aktiv ist, und jeder seine Vorteile daraus ziehen kann, ist das eine super Sache. Im Oktober läuft es so ab, dass mir mehr oder minder bekannte Musiker DIN-A4-Blätter, auf denen sie etwas gemalt haben, zufaxen und ich das dann einrahme. Insgesamt werden dann die Bilder von acht Leuten ausgestellt. Jello Biafra war der Erste, der sich daran beteiligt hat, der Rest dürfte aber genau so interessant werden. Am 29. Oktober um 15 Uhr, werden die einzelnen Bilder versteigert. Das Startgebot liegt bei 10 Euro, der Erlös ist zugunsten des Vereins Bürger für Obdachlose.

Du betreibst auch seit circa einem Jahr Äthervocx Records. Nach welchen Kriterien veröffentlichst du Tonträger und was für Releases sind derzeit geplant?

Bisher waren es Projekte von Freunden und Bekannten: Das erste Album war von BLACK SHERIFF, danach das bunte Picture-Vinyl von EILTANK, „Stiller Beobachter“, – die wir zu viert gemacht haben – und zuletzt das KOETER-Album, das ich mit Marcel von KOETER und den Jungs von Hectic Society gemacht habe. Die nächste Veröffentlichung wird dann von Jan Fedder, WG-Mitbegründer, und mir sein.

Wo siehst du dich in fünf Jahren und was kannst du schon uns über neue Projekte verraten?

In Unterhose im Sonic Ballroom an der Theke, mit Katzen werfend. Im April oder Mai 2012 werde ich ein größeres Konzert mit fünf bis sechs Bands in Köln veranstalten. Weiterhin habe ich mir überlegt, ein riesengroßes Massengrab noch lebender Musiker anzulegen – ich sammle ab jetzt DNA –, mit Kreuz und allem, was dazu gehört.

Welche fünf Platten würdest du mit in eine einsame Kneipe nehmen?

Etwas von PRESS GANG, Udo Lindenberg, HUSS & HODN, CHEFDENKER und BABY WOODROSE.