Die Wachablösung hat stattgefunden. Nach den allmählichen Auflösungen von BLECHREIZ, MOTHERS PRIDE und THE BUTLERS folgen als nächste Berliner Skageneration GINSENGBONBONS, SKATOON SYNDIKAT und vor allem THE SPECIAL GUESTS. Letztgenannte haben nach neun Lehrjahren mit ihrem dritten Album Toxic Sweet Love ihr Meisterwerk abgeliefert. Ich unterhielt mich mit Schlagzeuger Lukas und Gitarrist Christoph.
Es geistert ja das Gerücht herum, dass ihr nach dem Ende von MOTHERS PRIDE und THE BUTLERS jetzt auf dem Liveterrain weniger Konkurrenz habt.
Lukas: Wir spüren das auch. Es kommen mehr Skinheads zu uns.
Christoph: Auffällig war, dass teilweise jeden Monat Ska-Aktionen liefen. Im Kato die Record-Release-Party der GINSENGBONBONS. Im Thommy-Weißbecker-Haus die des SKATOON SYNDIKATS. Eine Aktion nach der anderen und alles rappelvoll. Woher kommen die ganzen Leute? Auf jeden Fall sehe ich immer noch die Leute von früher und weniger Mainstream-Publikum, was sich jetzt unter die Szene mischt.
Lukas: Also, in den letzten drei, vier Jahren hat sich das auf jeden Fall nicht gravierend verändert.
Ein Berliner Stadtmagazin hat in der Plattenkritik zu Toxic Sweet Love geschrieben, dass ihr naiv seid.
Lukas: Das haben sie auf den Song Schoolgirl bezogen. Also Ska & Reggae sind schon Tanzmusik. Ich habe auch nichts zu erklären, dass wir versuchen, dies auch so umzusetzen. Da reduziert man sich als Musiker natürlich extrem, aber im Grunde ist dies eben prägend für unseren Stil. Das muss ja nicht gleich niveaulos oder naiv sein.
Christoph: Für mich ist auch besonders wichtig, dass die Musik in den Körper geht. Natürlich sollen und müssen die Leute dazu tanzen können.
Lukas: Bei der Musik steht Groove und Rhythmus im Vordergrund. Durch den Offbeat animiert das zum Tanzen.
Christoph: In den 80ern wurde Ska sehr durch diese Spaßgruppen wie BAD MANNERS oder JUDGE DREAD geprägt. Das ist ja auch eher eine Comedy-Show. Dadurch kam wohl der Ruf zustande. Ich würde jetzt nicht auf die Bühne gehen und meine Zunge herausstrecken. Nichts dagegen, aber das hat nichts mit der Musik zu tun, sondern einige Leute haben Ska eben so interpretiert.
Lukas: Abwechslung ist ein sehr wichtiger Punkt, weil Ska sehr schnell monoton werden kann. Wir sind jetzt ein paar Musiker, die schon eine Zeit zusammen sind. Du willst das schon irgendwie cool herüberbringen. Du bist einfach stolz, wenn am Ende auf Platte oder auf der Bühne etwas Gutes herauskommt.
Aber ihr wisst ja schon, was den THE SPECIAL GUESTS-Sound ausmacht. Sonst würde es euer Reggae-Jazz-Nebenprojekt WOOD IN DI FIRE nicht geben.
Christoph: WOOD IN DI FIRE ist eher eine Sessionband. Da stehst du auf der Bühne und improvisierst. Gute Soli spielen, sich weiterentwickeln, das ist spannend. Diesen monotonen Groove, dieses Tranceartige des Reggaes zu spielen. THE SPECIAL GUESTS funktioniert schon eher über Arrangements, beinahe Richtung Pop. Unser Traum ist, Musik zu machen, die den Leuten in den Ohren hängen bleibt.
Lukas: Wenn du das mit altem Jamaica-Ska vergleichst, war das in der Zeit auch nichts anderes als Pop. Nimm BOB MARLEY & THE WAILERS. Das war sehr populärer Ska, der sich gewandelt hat. Diese Richtung versuchen wir einzuschlagen.
Auf der Toxic Sweet Love habt ihr extrem viele Frauen als Gäste, richtig in der Band ist aber keine. Welchen Stellenwert haben die?
Christoph: Frauen bringen ein soziales Klima in die Band, irgendwie ein wenig Sex in die ganze Geschichte. Das ist nicht stupide gemeint! Ich finde, Frauen sind ein fantastisches Mittel in einer Band.
Bei einer Record-Release-Party kann man das umsetzen. Und danach?
Christoph: Da muss man das wohl weglassen. Sonst sitzen wir mit 14 Leuten im Bus. Auf Platte hast du eben ganz andere Möglichkeiten. Das ist ja kein Livemitschnitt, sondern eine Studioplatte. Wenn du die Möglichkeit dort hast, sollte man das mit Gästen oder auch Overdubs richtig ausnutzen.
Mit eurer neuen Platte seid ihr im Frühjahr fast jedes Wochenende unterwegs. Wie läuft es denn so auswärts?
Lukas: Wenn man eine neue Platte aufnimmt, sollte man schon auf Tour gehen, damit man sie auch los wird. Wir sind ja auch nicht das erste Mal im großen Stil unterwegs.
Christoph: Man sollte das nur nicht für sich selbst überbewerten, sondern auf dem Teppich bleiben. Superstars sind und werden wir wohl nicht. Man sah das an den BUTLERS. Sie hatten deutschlandweit einen sehr guten Ruf in der Szene, haben es aber irgendwie trotzdem nicht geschafft.
Genau das ist es, was euch von der Berliner Skageneration der BUTLERS unterscheidet. Sie waren nur ein Szenethema und wollten mehr. Ihr hingegen seid trotz vier Scheiben von den meisten Fanzines sträflich vernachlässigt worden. Ihr seid nie überregional ein Gesprächsthema gewesen.
Lukas: Der Grund bei Bands wie MOTHERS PRIDE oder den BUTLERS waren die Sampler Anfang der 90er Jahre wie SKAndal, wo sie vertreten waren. Wer dort darauf war, hatte einfach ein Bein in der Tür.
Christoph: Also ich spiele jetzt seit acht Jahren. Ich habe nicht das Gefühl, dass es vorangeht.
Lukas: Das sehe ich anders. Es passiert Stückchen für Stückchen etwas. Wenn du irgendwo bist, und dann singen wildfremde Menschen deine Texte mit. Das sind coole Momente.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #50 März/April/Mai 2003 und Florian Vogel
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