SONIC BOOM SIX

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Multikulti-Kinder

Auch wenn die Band das Wort als Genre-Terrorismus bezeichne: wenn es den Begriff Crossover nicht schon in seiner ursprünglichen Bedeutung gäbe, jemand müsste das Wort erfinden, um die explosive Energie von SONIC BOOM SIX auch nur im Ansatz zu beschreiben. Das folgende Interview führte ich mit Barney Boom wenige Tage vor dem SB6-Auftritt am 6. Dezember 2012 im Hamburger Headcrash.

Mir scheint, zwischen den Studioaufnahmen und der Veröffentlichung des neuen Albums lag eine Ewigkeit.


Wir verhandelten Anfang 2012 noch mit einigen Labels und natürlich lief das nach deren Zeitplan, nicht nach unserem. Da werden Tage schnell zu Monaten. Wir wollten zwar so schnell wie möglich veröffentlichen, aber das richtige Label zu finden war uns noch wichtiger und das haben wir auch nicht bereut. Ich glaube auch nicht, dass das Album an Relevanz verloren hat. Viele der Texte wurden während der Aufnahmen geschrieben, vor einem Jahr. Seitdem hat sich nichts verändert in Großbritannien.

Das neue Album ist das erste für Xtra Mile. Warum bekamen sie den Zuschlag gegenüber anderen Interessenten?

Einige von unseren Lieblingsacts sind bei ihnen unter Vertrag. Und sie haben mit ihrer Arbeit für Frank Turner bewiesen, dass sie auch mit einem Künstler umgehen können, der „breitentauglich“ ist, ohne dass dessen Botschaft oder Integrität verlorengeht. Das war entscheidend.

Wie würdest du SB6 jemandem beschreiben, der euch noch nie gehört hat?

Wir zitieren gerne Kerrang!: „Nehmt Ska, Pop, Grime, Dubstep, Punk und Metal auseinander, baut sie wieder zusammen und ihr habt eine hyperaktive Promenadenmischung“, das trifft es ziemlich genau.

Eure Texte hatten immer einen sehr direkten Bezug zur Jugend im Großbritannien, zum Beispiel „For the kids of the multiculture“. Worum geht es da genau?

Anlass für den Text war unter anderem eine Rede, die David Cameron in München hielt. Dort hat er gesagt, dass „Multikulti“ in Großbritannien gescheitert ist, dass man härtere Seiten aufziehen müsse gegenüber dem Islam und so weiter. Am selben Tag marschierte die rechtsextreme English Defence League ungehindert durch englische Städte. Ich konnte zwar einige seiner Aussagen im Ansatz nachvollziehen, aber es war ein furchtbares Timing, wenn man die EDL-Aufmärsche bedenkt ... Das Ziel des Textes war also, eine Art von Gegenstatement zu der Rede abzugeben. Wir kommen aus Manchester, einer multikulturellen Stadt, und in unserem Stadtteil Old Trafford ist der Mix verschiedenster ethnischer und kultureller Gruppierungen etwas Wunderbares. Damit das Miteinander weiterhin klappt, müssen die Leute aufhören, sich derart abzugrenzen. Denn so was ist der Auslöser für Fremdenfeindlichkeit und jeglicher Form von Hass – er entsteht aus Furcht.

Was war eure Reaktion als Band, als im August 2011 die Riots losgingen?

Ich hatte damals meine Eindrücke postwendend getwittert. Aber es gab diese reflexartige Reaktion, sobald du etwas anderes schreibst als „Die Randalierer sind gehirnlose Krawalltouris“, dass die Leute einem buchstäblich an die Kehle gingen, und behaupteten, man würde die Randalierer verteidigen. Dabei habe ich lediglich versucht, das Ganze objektiv zu betrachten, obwohl ich von den Riots in Manchester direkt betroffen war. Nun gibt es einen Song auf dem neuen Album mit dem Titel „Flatline“. Noch nie hat die Band so lange gebraucht, um einen Song zu schreiben, und als er endlich fertig war, habe ich den Text zuerst einfach nicht hingekriegt. Keine Hookline, kein Refrain, gar nix. Als die Riots dann losgingen, war ich quasi mittendrin, ich habe da gesessen und auf meinen Laptop eingehämmert. Die Polizei kam und ich musste meine Wohnung verlassen, weil die Randalierer im Gewerbegebiet gleich neben unserem Haus zugange waren. Wir zogen vorübergehend bei einem Kumpel von mir ein, er ist mit dem Auto vorgefahren und hat uns rausgeholt. Am nächsten Tag habe ich den Text zu „Flatline“ fertiggestellt, er bringt meine Meinung zu dem Thema auf den Punkt.

Was ist nötig, damit solche Ausschreitungen sich nicht wiederholen?

Wenn man in den Wochen danach versuchte, das Ganze nachzuvollziehen und nicht nur Teilen der Gesellschaft die Schuld zuzuschieben, wurde einem vorgeworfen, die Randalierer in Schutz zu nehmen oder sie zu verteidigen. Dabei gibt es so viel mehr zu bedenken. Die Wirtschaft ist außer Kontrolle, Sozialleistungen werden gestrichen und vieles mehr. Ich habe damals gesagt, dass die Auslöser für die Riots vielleicht nicht politischer Natur waren, aber die Ursachen sehr wohl – und die Lösungen es sein müssen!

Wie sieht der Songwriting-Prozess bei euch aus?

Wir schrieben die Musik diesmal direkt auf dem Rechner, tauschten Riffs und Files online. Die neue Herangehensweise hatte zur Folge, dass wir uns viel mehr auf den kreativen Prozess konzentrieren konnten, zusammen mit unserem Produzenten Peter Miles. Wir konnten die Instrumente tauschen, während der Aufnahmen neuen Einfällen nachgehen, uns auf Gitarrensounds und Drumloops konzentrieren, anstatt zu versuchen, den perfekten Live-Take hinzukriegen. Bei dem neuen Album hört es sich eher danach an, als wenn wir ein Dance-Album aufgenommen hätten, nicht eine Punk-Platte.