Wer als Band oder als Musikfan in Köln war und nicht im Sonic Ballroom gespielt oder getrunken hat, der macht was falsch. Seit zehn Jahren schon ist das Etablissement in Ehrenfeld ansässig und dort die notwendige Alternative zu Underground und Live Music Hall. An vier Tagen der Woche ist Konzert, an den anderen drei kann man dort gemütlich sein Bier trinken, und da 2009 der 10. Geburtstag gefeiert wurde, der auch mit einer Buchveröffentlichung flankiert wurde, stellte ich Roman ein paar Fragen.
Wer, wann, wo, wieso und überhaupt?
Daniel, mittlerweile nicht mehr dabei, und ich haben am 31. Juli 1999 die alte Eckkneipe „Jägerhof“ übernommen. Punkrock-Kneipe war nicht das Ziel, es hat sich dann aber schnell dahin entwickelt, denn Konzerte zu machen, das war schon von Anfang an unser großer Wunsch. Und im Dezember 1999 gab’s dann das erste: DUMBELL enterten die Ecke – eine Bühne gibt’s erst seit 2004 – und waren gut und laut, sehr laut ... hehe.
Wer ist heute noch dabei von der ersten Crew, wer blieb auf der Strecke, wer ist aktuell dabei?
Von der ersten Crew bin ich, Roman Pauels, noch immer dabei als Geschäftsführer, seit der Neueröffnung 2003 sind Chris Heck und Antje Buchhorn als Geschäftsführer dazugekommen. Antje arbeitete schon seit der ersten Stunde als Barkeeperin hinter der Theke und Chris war Stammgast mit Kneipenerfahrung.
Was war, was ist eure Idealvorstellung von einer Punkrock-Kneipe?
Die Idealvorstellung einer Punkrock-Kneipe ist der Sonic Ballroom: Laut, wild, unberechenbar, freundliche Preise, Anti-Szene-Kneipe.
2002/2003 kam es knüppeldick: der Laden wurde euch vom Ordnungsamt zugemacht. Was war da los, wie habt ihr es geschafft, nicht aufzugeben?
Na ja, das mit den Konzerten hat so viel Spaß gemacht, dass wir immer mehr machten. Es gab ja auch genug Bedarf, da damals andere kleinere Läden, in denen man Konzerte veranstalten könnte, in Köln fast völlig fehlten. Vorher gab es ja das Between, jetzt Tsunami, und davor den Rose Club, wo solche Konzerte stattfanden. Das Problem bei uns war natürlich, dass wir gar keine Konzession für diese Konzerte hatten. Und: die Konzerte waren natürlich sehr laut. Die bleiverglasten Fensterchen haben so gut wie alles an Schall hinausgelassen, so dass das ganze Viertel mit guter Musik versorgt wurde. Einer der Nachbarn, die bei uns im Haus wohnten – die waren vor uns da –, bekam einen cholerischen Anfall nach dem anderem und war eine der Quellen, die das Ordnungsamt mit Beschwerden versorgten. Eine weitere war übrigens die Live Music Hall, wie sich nachher herausstellte. Im Dezember 2002 wurden wir dann in flagranti erwischt, so dass nach der Vorband Schluss war und die Gasolheads aus Frankreich in die Röhre guckten.
Und euch wurde der Prozess gemacht.
Im März mussten wir zunächst laut Urteil des Verwaltungsgerichts Köln schließen. Das Oberverwaltungsgericht hob diese Entscheidung zunächst auf, um uns dann im Mai 2002 endgültig den Garaus zu machen. Heitmann, Det und Makki mischten danach die ganze Stadtverwaltung auf, gründeten runde Tische und organisierten den Widerstand auf der Grundlage, dass in Köln Sub-/Kultur zerstört wird und alte, unzeitgemäße Verordnungen Existenzen gefährden. Höhepunkt war eine Demo durch Ehrenfeld, an der sicher 500 Leute teilnahmen. Genützt hat es dem Sonic Ballroom in der Situation in dem Sinne zwar nicht, dass man den Laden hätte wieder aufmachen können, jedoch hat sich generell ein bisschen was verbessert. Ein Beispiel: Ein Anwohner, der sich von der Lautstärke einer Kneipe gestört fühlt, muss die Ordnungsbeamten mittlerweile in seine Wohnung lassen, damit sie dort die Lautstärke messen und nicht mehr vor der Kneipe ... Chris und Antje wurden ins Boot geholt und auf Chris’ Namen wurde der Laden am 1. August 2003 wieder aufgemacht.
Wo liegen im Alltagsbetrieb einer Punkrock-Kneipe heute die Hürden? Ärger mit Nachbarn und Polizei, Rauchverbot, Kioskbiertrinker vor der Tür ...?
Seit dem Umbau ist der Ballroom verdammt schalldicht und wegen der Verlegung des Eingangs lärmen die Kioskbiertrinker inzwischen – von den Nachbarn aus gesehen – hinterm Laden rum und nicht mehr daneben. Die Nachbarschaft ist also ganz gut geschützt und Bullen taugen ja heutzutage nun auch nicht mehr so richtig als Feindbild. Die größten Hürden liegen einerseits im üblichen deutschen Bürokratiewahn, Umsatzsteuervoranmeldung und solche Scherze. Andererseits machen es die GEMA-Gebühren fast unmöglich, Konzerte in unserer Eintrittspreisklasse überhaupt noch zu veranstalten. Zusätzlich schlägt man sich gerade in Köln als Kulturschaffender regelmäßig mit starrsinnigen Verwaltungsbeamten wegen irgendeiner Scheiße rum. Das nervt alles tierisch, kostet Zeit und hat mit der Sache an sich nix zu tun.
Ihr habt fast 365 Tage im Jahr geöffnet, aber wie hält man das rein körperlich durch?
Kettenfett, das ist bekanntlich unser Spezialschnaps, und Bier – immer abwechselnd! Wir haben ja einige Barkeeper, die für uns arbeiten, und auch andere Helfer, wie die Putzmänner. Natürlich machen wir aber auch selbst Theke und Sound. Der Vorteil eines Dreigestirns als Geschäftsführung ist unter anderem die Aufgabenteilung bei allen Dingen, die jenseits der Nacht in einer Kneipe anfallen. Aber stimmt schon, mit zunehmendem Alter wird es auch manchmal anstrengender, daher: 365 Tage schafft man nur, wenn es Spaß macht – und es macht Spaß!
Auch wenn der Sonic Ballroom nicht gerade eine schnieke Nobelbar ist: Bei euch stimmt immer der Sound, also rein von der P.A. her. Warum geht das bei euch, während man sich in so manch hipper Location über kaputtgemischte Konzerte ärgern muss?
Tja, keine Ahnung, wir haben hier und da ein bisschen mit Molton oder so Noppenzeugs nachgeholfen, aber irgendwie klingt der Ballroom einfach gut, da können wir auch nicht mehr so richtig viel versauen. In so einem kleinen Laden kommt das meiste sowieso direkt von der Bühne, und wenn das gut klingt, klingt es auch meistens im Laden gut. Für diese P.A. haben wir uns nach einigem Herumprobieren entschieden und sind auch echt zufrieden damit; ist jetzt auch keine akustische Wunderwaffe, macht ihren Job aber sehr ordentlich.
Wie würdet ihr eure Kriterien in Sachen Bandauswahl beschreiben? Was geht, was geht gar nicht?
Wir machen vier Konzerte pro Woche. Da haben wir keinen Bock, auch viermal die Woche Punkrock zu hören, also suchen wir die Abwechslung. Punk hat aber ja andererseits auch so viele Subgenres, dass letztendlich doch wieder fast alles Punk ist, was bei uns läuft. Halt lieber’n Krautrocker mit Punkerseele als ’nen Punkrocker mit H&M-Seele. Rockstar sucks. Und weiße Socken auf dem Catering-Rider gehen gar nicht.
Der Sonic Ballroom ist über Monate ausgebucht – wie schafft man es als Band oder Booker, bei euch zu landen?
Anfrage per Mail und mit der Möglichkeit, sich die potentielle Band anhören zu können. Was gefällt, wird genommen, wenn es zeitlich passt.
Euer absolutes Highlight in zehn Jahren, euer totaler Downer?
Absolutes Highlight war sicherlich das zehnjährige Jubiläum neulich. Absoluter Downer ist das Putzen am 1. Januar jeden Jahres. Noch ein paar Top-Bands: TODD, BELLRAYS, ALIF SOUND SYSTEM, SPECTRUM, DIAMOND DOGS, M.D.C., M.O.T.O., SENSA YUMA, SCHEISSE MINNELLI, THE KIDS. Da haben wir jetzt bestimmt noch längst nicht alle Highlights aufgezählt, denn es waren bisher geschätzte 1.500 Bands bei uns. Ganz spezielle Highlights sind manchmal Konzerte, wo nur fünf, zehn, zwanzig Leute im Publikum sind und sich eine bestimmte Chemie entwickelt, die Leute und Band zusammenführt und den Abend dadurch unvergesslich werden lässt.
Ach ja ... schon mal über eine Renovierung nachgedacht zum Jubiläum? Oder wäre mit der Patina auch die Aura des Ballrooms weg?
Renovieren und verändern tun wir ja immer mal wieder, aber grundsätzlich soll alles schon so bleiben, wie es ist. So ist eben der Sonic Ballroom und so muss er aussehen – und riechen.
© by - Ausgabe # und 11. März 2021
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #87 Dezember 2009/Januar 2010 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #85 August/September 2009 und Joachim Hiller