Worte über SOME GIRLS zu verlieren, ist in meinen Augen, wie Eulen nach Athen tragen. Eine Allstar-Group bestehend aus vielen Ex-Mitgliedern so bekannter wie einflussreicher Bands wie UNBROKEN, SWING KIDS, AMERICAN NIGHTMARE ... Jeder, der sich mit lauter, harter Musik beschäftigt, hat zu dieser Band eine Meinung. Meine Meinung schwankt immer noch zwischen Nebenprojekt, großer Witz oder doch wirklich gut. Zeit, der Sache ein wenig nachzugehen. Für Aufklärung sorgten Sänger Wes und Bassist Justin.
Wenn man sich eure Veröffentlichungen anhört, von den beiden 7"s über die "DNA Will Have Their Say" zu dem neuen Release "Heaven's Pregnant Teens", bekommt man das Gefühl, dass SOME GIRLS den Charakter eines Nebenprojektes verloren und sich zu einer richtigen Band gewandelt hat.
Wes: Wir haben jetzt ein richtiges Line-up gefunden. Wir investieren jetzt mehr Zeit, Gedanken und Energie in die Band. Ich denke, am Anfang haben wir uns da keinen großen Kopf drum gemacht. Auch unser Artwork hat sich mit der Musik weiter entwickelt.
Habt ihr euch am Anfang unter Druck gesetzt gefühlt, weil ihr immer als eine Allstar-Band angesehen werdet? Und habt ihr euch als Sideproject gelabelt, um diesem Druck zu entfliehen?
Wes: Ich fühle überhaupt keinen Druck. Irgendwann realisierst du, dass die Leute schneller dazu bereit sind, dich zu kritisieren oder eben, dich abzufeiern.
Justin: Wir haben uns niemals Seitenprojekt, Super-Group oder so etwas genannt, wir waren einfach Freunde, die Musik machen wollten, das war es.
Ich habe da ein Zitat gefunden, dass euer Gitarrist Chuck gesagt haben soll: "Wir wollen die Leute quälen." Schon etwas komisch, oder?
Wes: Ich hasse dieses scheiß Zitat. Es taucht in jedem Interview auf, wir werden immer danach gefragt. Ich will niemand quälen, ich weiß nicht, wovon er sprach.
Ich dachte, er meint das vielleicht in dem Sinne, dass ihr Grenzen überschreiten, bis ans Äußerste gehen wollt.
Justin: Wir wollen einfach nicht wie eine schlechte Vorband klingen, sondern ein bisschen weiter gehen beziehungsweise mehr geben. Klar kann jede Band scheiße klingen, das ist Geschmackssache. Klar können sich manche Menschen von unserer Musik gequält fühlen. Meine Mutter beispielsweise, die ich überhaupt nicht bestrafen möchte. Wir werden Chuck für den Ausspruch feuern müssen ...
Es gab auch negative Reviews zu eurem neuen Album "Heaven's Pregnant Teens". Jemand fand zum Beispiel, das alles wäre "a fake rebellion, the kind of overplanned outrage".
Wes: Ich denke, das ist einfach nur eine leere Phrase.
Justin: Rebellieren gegen was? Wir spielen keine Quote Channel Shows, also vielleicht rebellieren wir gegen Quote Channel ... Der Idiot, der das geschrieben hat, scheint das realisiert zu haben.
Ihr würdet also sagen, dass eure Musik keine Form von Rebellion ist. Nicht, dass ich euch da falsch verstehe ...
Justin: Ich denke nicht, dass es eine Rebellion ist, sondern ein Produkt dessen, was wir sind. Vielleicht haben wir eine rebellische Attitüde in gewissen Aspekten unseres Lebens. Ich denke, der Ausdruck "Rebellion" ist genauso komisch wie der Ausdruck "Teenage-Angst" oder "naiv" ...
Wes: Bei den ganzen ach so rebellischen Bands denke ich an Leute, die später einen guten Job haben, aufs College gehen und Scheiße über die ganze Szene erzählen, zu der sie gehörten. Ich verstehe nicht, wie wir in irgendeiner Art und Weise den Eindruck erwecken, wir seien Teil einer Hardcore/Punk-Fake-Rebellion.
Wenn man sich die neue Platte ansieht und anhört, merkt man schnell, dass ihr sehr viel christliche Metaphorik benutzt. Alleine durch das Artwork oder der Bezug mit "777" auf Gott.
Wes: Es gibt eine Menge "Gott" in dieser Welt. Wo immer du hingehst, in diesem Haus, draußen in der Welt, du kommst nicht drum herum, ob du willst oder nicht. Es ist immer um einen. Ich möchte nicht sagen, dass es ein großes Thema in meinem Leben ist. Unsere neue Platte ist mehr wie ein Kommentar zu dem, was uns umgibt. Es zeigt auf, welche Krücken Menschen im Leben benutzen. Ich denke, dass Religion eine widerliche Krücke ist, vor allen Dingen organisierte Religion. Nichts anderes ist es, wenn man dem Heroin verfällt ...
Justin: Ich denke, dass das Artwork keine direkte Aussage hat, sondern erstmal komisch wirkt und es deswegen zum Nachdenken anregt. Das ist die beste Form von Kunst, wenn es einen zum Denken bringt.
Wo wir hier über Religion reden: Ich habe in der deutschen Presse gelesen, dass es in den USA eine große Debatte zwischen Darwinisten und Kreationisten gibt, ist das wirklich so?
Wes: Klar, es wird die ganze Zeit darüber geredet. Die Kreationisten in der Schule oder bei Jeopardy benutzen ja jetzt den Ausdruck "Intelligent Creation". Es ist ekelhaft. Aber wir leben ja auch in einer recht ekligen Welt.
Justin: Der US-Staat basiert auf der Teilung von Kirche und Staat, trotzdem machen die ganzen Religionen einen Teil des Staates aus, wie er heute ist.
Wes: Genau, der Präsident, die Lehrer, sie alle danken Gott!
Das Problem, das ich mit SOME GIRLS habe, ist, dass ich mich ständig frage, meinen die das ernst oder ist das ein Witz? Wenn man sich das Video bei Epitaph auf der Internetseite ansieht: Ihr steht dort roboterartig auf der Bühne und nichts passiert, außer dass Wes immer wieder ein Wort wiederholt. Ist das jetzt die Herausforderung an den Hörer?
Justin: Wie Wes schon gesagt hat, es ist ein Kommentar. Gerade am Ende des Songs, wenn er immer wieder "Ape" singt, da kommen wir ja als Menschen an unsere Entstehungswurzeln. Klar, es wäre großartig, wenn wir den Hörer dazu brächten, etwas mehr nachzudenken. Unglücklicherweise gibt es ja Bands, die es dir geradezu diktieren wollen, was du denken sollst.
Wes: Was da zu hören ist, ist sehr ehrlich gemeint und definitiv kein Witz. Klar, geht es auch irgendwo darum, den Hörer herauszufordern. Manchmal, wenn eine Show schlecht ist, wenn wir ignorante Menschen im Publikum haben, dann spielen wir diesen Song für 20 Minuten, so dass diese Menschen den Raum verlassen und die, die wirklich bei der Sache sind, da bleiben.
Bei dem Artwork eurer 7" "The DNA Will Have ..." denke ich immer an einen LSD-Trip. Wie ist euer Verhältnis zu Drogen?
Wes: Wir sind keine Band, die im Drogenmetier drin ist. Ich denke, es gibt schon einen Unterschied, wie man Drogen in einem bestimmten Alter benutzt. Wenn Leute Ende 20 noch genauso drauf sind wie als Teenager, ist das schon deprimierend. Wenn ich da von Anti-Drogen spreche, konzentriere ich mich mehr auf das Menschliche wie zum Beispiel Leute, die jedes Wochenende Koks nehmen oder anderen Scheiß.
Justin: Ich habe in meinem Leben schon eine Menge Drogen genommen. Aber ich hatte nie das Geld, dass ich mir regelmäßig Drogen kaufen konnte. Jetzt bin ich jemand, der besser gebildet ist und der einige Menschen gesehen hat, an denen er wirklich hängt, die mit Drogen sehr schlechte Erfahrungen gemacht haben. Gleichzeitig haben sie jederzeit die Möglichkeit, in ihrem Leben das zu machen, was sie wollen, aber sie haben sich dagegen entschieden. Es ist eben eine sehr nihilistische Sichtweise, die Leute haben noch keinen Sinn im Leben entdeckt und sagen sich dann, da sind die Drogen oder von mir aus Gott, Spielen, Sex. Menschen finden ihre eigene Krücke und missbrauchen sie. Unglücklicherweise.
Um das jetzt noch mal klar herauszustellen, euer Cover hat nichts mit einem LSD-Trip zu tun ...
Justin: Der Typ, der das Cover gemacht hat, von dem hab ich immer gedacht, dass er straight sei. Ich bin mir sehr sicher, dass er noch nie mit Drogen experimentiert hat.
Wes: Ich hab ein paar Mal LSD genommen und ich habe noch nie Hasen gesehen, die über einen Regenbogen hüpfen. Vielleicht liegt es an der Farbgebung des Covers.
Justin: Meine Mutter mag dieses Artwork sehr und ich meinte zu ihr, dass das doch ein Häschen sei, dem gerade die Eingeweide aufgeschlitzt worden seien. Meine Mutter hat dann versucht, es irgendwie als niedlich darzustellen.
Ihr habt auch so ein witziges Shirt-Design mit einem Glücksbärchen-Motiv. Warum habt ihr ausgerechnet ein Glücksbärchen genommen?
Justin: Also ich möchte mal gerne einen harten Typen so ein Shirt tragen sehen. Das war definitiv ein Witz.
Ihr seid euch also doch einer gewissen Gender-Thematik bewusst. Also, wenn Männer jetzt anfangen Pink zu tragen, ist das in manchen Gruppen schon sehr ungewöhnlich. Gerade bei der Zusammenstellung "All My Friends Are Going Death" ist das Artwork auch in Pink gehalten ...
Justin: Ja, bei dieser Platte machen ja auch zwei Typen auf dem Cover rum ...
Wes: Hmm, also es ist jetzt doch nichts Außergewöhnliches mehr, wenn Jungs Pink tragen oder miteinander rummachen. Es ist schon eher ironisch. Also ich denke, wir thematisieren dieses Geschlechterding überhaupt nicht.
Justin: Nichtsdestotrotz ist das natürlich ein wichtiges Thema. In Berlin waren sehr viele Frauen im Publikum, haben getanzt. Die ganze Veranstaltung hatte einen sehr femininen Touch, das war großartig.
Ich hatte mir ja erst überlegt, ich könnte das Interview einleiten mit der Frage: Und wie fühlt es sich so an, als Mann auf der Bühne zu stehen? Analog zu der Frage, die doch auch immer viele Musikerinnen gestellt bekommen.
Justin: Gerade das ist eine Frage, die sehr merkwürdig ist. Ich war glücklicherweise in der Lage, mit Bands zu touren, die Frauen als Musikerinnen hatten, und ich respektiere sie als Künstlerinnen. Ich habe mich immer gefragt, wie das für sie sein könnte, wenn man so explizit auf den Unterschied aufmerksam macht. Das ist wie in Berlin, da waren wirklich so viele Frauen, die sich wohl gefühlt haben. Ich wünschte, das wäre die Norm. Ich möchte hier jetzt nicht alles durcheinander bringen, aber da war mal so ein Typ, der hat mir geschrieben und gefragt, ob ich ihm noch weitere Queercore-Bands empfehlen könnte. Er teilte mir mit, dass er sich nur bei wenigen Bands wohl fühlt, ob ich ihm bitte helfen und ihm weitere Gruppen empfehlen könnte. Wem er vertrauen könnte und wer seinen Lifestyle am besten vertritt. Ich war so froh, dass er mir geschrieben hat, das war einfach großartig.
Katxyes
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