SNACKWOLF

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Was soll man sonst in seiner Freizeit machen?

Stuttgart ist seit Jahren mit einer Art Voodoo-Fluch belegt, der längst totgeglaubte Subgenres des Punkrock wiederauferstehen lässt. Holten HELMUT COOL vor geraumer Zeit den Deutschpunk aus seiner Bierdosenurne, so führten dies BIKE AGE mit Neunziger-Skatepunk kalifornischer Prägung fort.

Wie üblich setzen sich solche Bands meist aus betagteren, aber szenebekannten Menschen zusammen, die es noch einmal wissen wollen. Auch bei SNACKWOLF verhält es sich so: Die Band brandneu, die Mitglieder eher verletzungsgefährdet beim bloßen Anblick eines Skateboards. Ihre Debüt-EP „Appetizers“ erschien soeben bei 30 Kilo Fieber Records, beinhaltet vier Songs und sollte im Plattenladen irgendwo zwischen FACE TO FACE und GOOD RIDDANCE einsortiert werden. Rainer (Gitarre) beantwortete meine Fragen.

Warum sich mit Ende dreißig noch mal regelmäßig im Proberaum treffen, nur um am Wochenende vor 15 Leuten in irgendeinem Jugendzentrum zu spielen? Habt ihr nichts gelernt aus der Zeit mit euren ehemaligen Bands KILL VALMER, STEHCAFE, DROPKID, DOWN EIGHT ONE ...?
Das ist für uns die perfekte Freizeitbeschäftigung. Wir kommen ein wenig vor die Tür, treffen gute Menschen, es gibt jede Menge Freibier. Wir machen dieses Punkrock-Ding auch schon seit unserer Jugend – Hesse ist mit PLANET WATSON doppelt aktiv, Flo spielt noch bei KUBALLA und Jonas und Danger waren mit KILL VALMER bereits die letzten zehn Jahre in einer gemeinsamen Band. Was sollen wir denn stattdessen in unserer Freizeit machen? Einen teuren Grill kaufen und ein Johann Lafer-Rezept nachgrillen? Dann doch lieber leckeren Snackpunk raushauen: Eine schmackhafte Mischung aus Punkrock und einer Prise Hardcore und Rock’n’Roll, wie es auch immer vorne auf dem Ox steht.

Schon gefühlte zehn Minuten nach der Gründung von SNACKWOLF erschien bereits eure erste 7“ „Appetizers“. Was hat es mit eurem kulinarischen Konzept auf sich?
Was vielleicht wirkt wie ein von vorne bis hinten durchdachter Masterplan, war zunächst nur eine dahergefaselte Gaga-Idee für den Bandnamen. Wir lieben Blödsinn und Nonsens. Für unsere Platte „Appetizers“ sind wir deshalb gern dabeigeblieben und haben die Idee auch im Artwork aufgegriffen. Zu viel Geplantes sollte man auf keinen Fall von uns erwarten, wir machen das, um uns musikalisch auszuleben.

Die Releaseparty für „Appetizers“ könnte man mit nur drei anwesenden Gästen schon jetzt als Tiefpunkt der Bandgeschichte einordnen. Aber wie man hört, lag dies nicht an euren musikalischen Qualitäten.
Das waren ja nicht mal Gäste, sondern nur die zwei Jungs für die Technik und der Veranstalter. Wir hätten auch vor Corona nicht gedacht, dass wir mal eine Releaseparty als Stream „feiern“ werden. Als uns das der großartige Flo vom JuHa West in Stuttgart aber vorgeschlagen hat, war das die beste Alternative und hat auch erstaunlich Bock gemacht. Dadurch, dass mit Kilian für den Sound und Mo fürs Bild auch versierte Jungs die Technik gemacht haben, war es auch viel besser als so ein wackliger Stream aus dem Proberaum. Und wir konnten snacken und schnacken. Das war einfach super gut, nach den Lockdown-Wochen endlich wieder zusammen zu spielen, echte Menschen zu sehen und unsere Platte zu feiern. Es war aber schon ganz schön komisch, ohne Zuschauer*innen zu spielen und zugleich zu wissen, dass das genau so ins Netz geht und man durchaus beobachtet wird. Kein echter Trip also, aber zumindest gutes Methadon. Kann man sich übrigens immer noch in diesem Internet ansehen.

Mir fiel auf, dass bei euch irgendwie jeder mal das Mikrofon halten darf. Und was habt ihr gegen Klarinetten?
Dass jeder bei uns mal singt, hat sich einfach bei den Proben so ergeben, wir mögen die Abwechslung auch für uns selbst. Wenn wir schon die klassische Punkrock-Besetzung mit vier mittelalten Männern haben, dann können wir ja wenigstens mit dem Mainvocals-Ding brechen. Mit Klarinetten hat besonders Danger ein Problem, da er in seiner Nachbarschaft häufiger mal den immer gleichen Übungen auf diesem Instrument lauschen darf. Da er den Klang von einzelnen Blasinstrumenten ziemlich nervig findet, ist die Abneigung gegen Blasinstrumente allgemein bei ihm ziemlich deutlich. Wir anderen in der Band tolerieren in diesem Fall seine Intoleranz, indem wir ihm mit dem Song „Clarinet“ helfen, sein Trauma aufzuarbeiten.

In Stuttgart gründen sich ständig neue Bands aus alten Leuten. Was muss sich ändern, damit auch im Nachwuchsbereich punkrockmusikalisch was passiert?
Stimmt, das ist so ein typisches Stuttgart-Ding. Hier gibt es echt eine lange Liste an Bands von Leuten, die schon immer in Bands waren und dann wieder eine neue Band gründen. Und HELMUT COOL, BIKE AGE, HELL & BACK, MINUS YOUTH, I’M IN DANGER, LAHAR ... die sind alle super und man hört, dass es alles keine Anfänger*innen sind. Das ist wahrscheinlich auch das Problem. Punkrock ist nicht so zugänglich, wie er es gerne wäre. Wir wollen ja auch alle kein Mainstream sein. Und die Kids interessiert das vielleicht auch einfach nicht. Das ist auch deren gutes Recht, sich von der Vorgängergeneration abzugrenzen. Was wir da machen, wirkt für die – wahrscheinlich auch zu Recht – wie Alte-Männer-Mucke. Und dass DIE TOTEN HOSEN bei „Inas Nacht“ die Jugendlichen zum Punkrock bringen, glauben wir jetzt eher nicht. Vielleicht kommen bald wieder ein paar Jugendliche von selbst auf den Geschmack und eine junge, fein durchmischte Band schickt uns alte Männer in den Ruhestand. Dann würden auch die ständigen Reunions aufhören.

Wie soll es mit SNACKWOLF weitergehen, damit ihr euch nicht direkt wieder auflöst und das Label auf einer Wagenladung Kartons mit Tonträgern sitzenbleibt?
Das Gute ist, dass die Kartons mit den Platten ja tatsächlich bei Bernd von 30 Kilo Fieber stehen. Wir müssen die also nicht alle sehen. Außerdem konkurrieren wir vier untereinander um den Titel „Verkäufer des Monats“, damit dieses Szenario nicht eintrifft. Wir stehen aber auch erst am Anfang und haben noch eine Menge Songs und Ideen im Kochtopf. Die Corona-Zeit ist auch so ein bisschen die zum Durchatmen, Nachdenken und du merkst, was dir besonders fehlt. Das ist bei uns gemeinsam Musik zu machen, nette Leute und Freund*innen auf Shows zu treffen und gemeinsam eine gute Zeit zu haben. Das wollen wir immer wieder. Deshalb ist unser Hunger noch lange nicht gestillt. Die Konzerte können kommen.