SÓLSTAFIR

Foto© by Katie Metcalfe

Immer mal was Neues!

„Hin helga Kvöl“ ist das achte Studioalbum der isländischen Metaller SÓLSTAFIR. Wir sprechen mit ihrem Sänger und Gitarristen Adalbjörn Tryggvason darüber, über die Veränderungen auf diesem Album und über die Bedeutung von Musikvideos.

Ich möchte mit dem neuesten Video „Blakkrakki“ beginnen. Da steht ihr auf einem Anhänger und werdet durch die Gegend gezogen – wer kam auf diese Idee?

Die kam mir vor vielen Jahren. Ich wollte ein Video für eine andere Band mit dieser Idee drehen, aber das kam nie zustande. Die ursprüngliche Idee war, zum Flughafen Reykjavik zu gehen, nicht zum Flughafen Keflavik, sondern zum innerländischen Flughafen. Aber man brauchte mehr Genehmigungen und Vorlaufzeit, um durch einen Flughafen zu fahren. Wir haben uns dann einfach entschieden, auf die Straße zu gehen. Die Hauptinspirationen sind natürlich Björk in New York und AC/DC mit dem Video „It’s a long way to the top“. Musikvideos sind eben Musikvideos, das ist Unterhaltung. Wir haben das „Fjara“-Video gemacht, das fast wie eine Icelandair-Werbung wirkt – das machen wir nicht noch mal. Wir haben ein Klavier angezündet – das machen wir auch nicht noch mal. Wir haben ein Auto zu Schrott gefahren – das machen wir erst recht nicht noch mal. Ein Schwarzweiß-Video in der Wüste haben wir auch schon gedreht. Also müssen wir weitermachen und immer etwas Neues ausprobieren. Und wenn die Idee verrückt klingt – großartig!

Wie oft musstet ihr das Lied auf dem Anhänger während des Drehs spielen? Vermutlich etliche Mal. Wurde es irgendwann langweilig oder war es einfach nur spaßig?
Nein, es fing schon um sechs Uhr morgens an. Wir fuhren etwa zwanzig Minuten außerhalb Reykjaviks zu einem Freund, der den Anhänger besaß, richteten alles ein, befestigten das Schlagzeug und brachen gegen acht Uhr auf. Es war eiskalt, aber gegen 14:30 Uhr war ich bereits verschwitzt, doch ich konnte meine Kleidung nicht wechseln. Also wurde es sehr warm. Normalerweise dauern Videodrehs 12 bis 16 Stunden. Das kann langweilig werden, weil es ein harter Arbeitstag ist, aber es lohnt sich immer. Als wir zum Beispiel für das „Fjara“-Video den Sarg den Wasserfall hochgetragen haben – das war verrückt. Aber danach denkt man nicht mehr an die anstrengenden Momente. Man sieht das fünfminütige Endergebnis und denkt: Das war ein toller Tag!

Wie wichtig ist es dir jetzt, da das achte Album herauskommt, mehr auf Videos zu setzen?
Es ist immer eine Geldfrage und in meiner Welt, in unserer Band hat niemand viel Geld. Außerdem haben wir alle Jobs und Kinder und sich einen ganzen Tag frei zu nehmen, ist schon schwierig genug. Es gab eine Idee für ein viertes Video, aber wir haben jetzt drei gemacht, und darauf bin ich sehr stolz. Wir haben eins auf einem Friedhof gedreht, wo wir uns gesagt haben: Machen wir einfach was total Klischeehaftes, vielleicht wird es cool, weil es so ein Kitsch ist. Mit einem riesigen schwarzen Schlagzeugset und Marshall-Verstärkern mitten auf einem Friedhof mit Nebel! Wir sehen aus wie schwedische Teenager in den 1990ern. Es hat wunderbar funktioniert und sieht toll aus.

Ihr habt das Studio gewechselt. Habt ihr euch vor oder während des Songwriting dafür entschieden?
Wir haben davor beschlossen, dass wir ein neues Studio ausprobieren wollen. Ursprünglich hatten wir ein anderes Studio im Blick, doch hier gibt es gar nicht so viel Auswahl. Viele der legendären Studios aus den 1990ern, die ich als historisch bezeichnen würde, gibt es nicht mehr. Es sind nur noch wenige übrig. Eines davon wollten wir nutzen, einfach um etwas Neues auszuprobieren. Wir waren zwölf Jahre bei Season of Mist, haben vier Alben mit ihnen gemacht, tolle Freunde gewonnen, es war eine erfolgreiche und freundschaftliche Zusammenarbeit. Jetzt sind wir zu Century Media gewechselt, es ist also ein neues Kapitel für die Band. Wir wollten die Komfortzone verlassen, weil Komfortzonen der Ort sind, an dem Ideen sterben. Deshalb wollten wir etwas anderes machen. Unsere Freunde SKÁLMÖLD waren etwa ein halbes Jahr zuvor in diesem Studio. Es gehört zu einer gehobenen Hotelkette im Norden Islands, in der normalerweise nur Millionäre und Milliardäre übernachten. Sie haben ein professionelles Tonstudio eröffnet. Es war eigentlich für reiche Kunden gedacht. Dann stellte sich heraus, dass das Studio fast zehn Monate im Jahr leer stand, und isländische Bands durften es mieten. Da wir jetzt kleine Kinder, Frauen und Jobs haben und wir über zehn Jahre im Studio bei Sigurdur Fjöström in Sundlaugin aufgenommen haben, dachten wir, wir könnten uns so besser auf die Zeit konzentrieren. Dieses Studio ist etwa fünf Stunden entfernt, während es bis Sundlaugin nur eine 17-minütige Fahrt ist. Dort oben, in der Natur, direkt am Ozean und in der Nähe eines Sees, dachten wir, dass wir uns besser auf die Aufnahme konzentrieren können. Wir schwammen morgens und abends im kalten Meer oder im See, und es gab Schafe, die vor der Tür herumliefen, und überall flogen Raben. Es ist einfach sehr naturverbunden. Es war großartig, ein neues Studio auszuprobieren, und irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir wieder dorthin zurückkehren werden, denn es war wie in den alten Geschichten über DEEP PURPLE oder solche Bands, die sich aufs Land in England oder in die Schweizer Berge zurückzogen. Es fühlte sich genauso an.

Für mich sind SÓLSTAFIR vor allem eine Live-Band. Auf der Bühne seid ihr viel mehr eine Rockband und weniger ein Kunstprodukt wie auf dem Album. Habt ihr für dieses Album auch Songs geschrieben, weil ihr für eure Setlist noch spezielle Tracks benötigt habt?
Das ist eine gute Frage, eine berechtigte Frage. Ich denke, das ganze Album besteht aus solchen Liedern. Die Gedanke kam auf, dass es vielleicht schön wäre, ein paar kürzere Stücke zu haben. Wir sind schon unzählige Male nach Deutschland gereist, nur um auf einem Festival zwei Songs zu spielen, manchmal macht das keinen Sinn. Auf diesem Album gibt es also kaum Songs mit drei Minuten langen Intros oder endlosen Schlussteilen, weil wir das in der Vergangenheit schon zu oft gemacht haben. Es ist, ich will nicht sagen vorhersehbar, aber es ist ziemlich einfach, ein vierminütiges Intro mit halligen Gitarren zu schreiben, das sich immer weiter aufbaut. Davon gibt es auf diesem Album nichts zu hören!