SLIDESHAKER

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Not just another strange Finnish band

Das Land der tausend Seen ist für vieles bekannt: Aki Kaurismäki, THE LENINGRAD COWBOYS, HANOI ROCKS, Wodka und natürlich SLIDESHAKER. Das Trio, das sich 2000 gründete, avancierte durch seine zwei Alben "Hotwired Soul und dem brandneuem "In The Raw", Tonnen von Singles und massives Touren zu einer der spannendsten Bands Skandinaviens. Um über ihre Geschichte etwas mehr zu erfahren, traf ich mich mit Drummer Jani Korhonen und Sänger und Gitarrist Heikki Savolainen zu einem netten Plausch.


Inwieweit unterscheidet sich euer Debütalbum "Hotwired Soul" von dem aktuellen "In The Raw"?


Jani: Die Antwort ist, dass "In The Raw" ein gutes Album ist, wohingegen "Hotwired Soul" nicht so toll ist. Natürlich gibt es dafür verschiedene Gründe, wie zum Beispiel, dass die Songs und die Soundqualität besser sind. Bei "In The Raw" hatten wir genaue Vorstellungen, wie das Album klingen sollte, und das haben wir auch genau umgesetzt. Wir haben es komplett selbst produziert und daher konnten wir es von Anfang an so gestalten, wie wir es haben wollten. Bei "Hotwired Soul" hat irgendein Typ die Songs aufgenommen, die wir zu der Zeit hatten. Wir waren einfach total naiv und hatten keinen blassen Schimmer, wie man ein Album macht. Außerdem mögen wir viele verschiedene Musikrichtungen, und nicht nur Bluespunk. Als wir angefangen haben, Songs für "In The Raw" zu schreiben, haben wir uns dazu entschieden, die Bluespunk-Einflüsse einfach mal zur Seite zu legen und was Neues zu versuchen. Daher ist das Album in jeglicher Hinsicht vielseitiger als das Debüt. Fast jeder Song von "In The Raw" wurde speziell für dieses Album geschrieben und wir haben uns viele Gedanken darüber gemacht, wie das Album als Ganzes wirken soll. "In The Raw" spiegelt musikalisch wider, für was SLIDESHAKER stehen: es ist rau, vielseitig und an den richtigen Stellen zahm und wild zugleich.

Heikki: Wir haben "Hotwired Soul" in nur zehn Tagen aufgenommen und gemixt. Das war einfach zu kurz. Wir hatten keine Zeit, über verschiedene Varianten bei den einzelnen Songs nachzudenken. Das war bei "In The Raw" anders. Es wurde über einen längeren Zeitraum mit viel Sorgfalt produziert. Da wir alle Songs und auch die Extra-Tracks selber aufgenommen haben, brauchten wir ja nichts fürs Studio bezahlen und konnten daher so oft von vorne anfangen, wie wir wollten. So ist zum Beispiel die Albumversion von "Bones" erst die dritte, die aufgenommen wurde. Die erste Version war völlig anders: ganz ohne E-Gitarren.

Bei "In The Raw" haben viele Gastmusiker mitgewirkt, aber live spielt ihr nur zu dritt, oder?

Jani: Als wir das Album aufgenommen haben, dachten wir nicht wirklich darüber nach, ob wir die Lieder live genauso spielen können. Das stand nie zur Debatte. Wir wollten einfach nur die bestmöglichen Songs aufnehmen. Als wir uns die Tapes angehört haben, kam uns spontan der Gedanke, dass man an einigen Stellen einen Bass oder Saxophon einbauen könnte. Dann haben wir einfach jemanden angerufen, der das besser spielen kann als wir. Zum Glück haben wir solche Freunde.

Heikki: Ich glaube, dass das kein Problem ist. Live spielen wir zu dritt oder viert. Tomi Kosonen spielt Sax oder Synthesizer, wenn er bei AAVIKKO gerade nichts zu tun hat. Mit Tomis Unterstützung können wir musikalisch mehr bieten, dafür sind wir zu dritt straighter und härter.

Was kann man von einer SLIDESHAKER-Show erwarten?

Heikki: Eine absolut energetische und intensive Rock'n'Roll-Show. Live zu spielen ist eine der besten Sachen bei SLIDESHAKER. Das Gefühl kann von nichts übertrumpft werden. Wir versuchen immer alles zu geben und manchmal auch ein bisschen mehr.

Jani: Ja, wir versuchen jede Nacht so zu spielen, als gäbe es kein Morgen. Verglichen mit dem Album sind unsere Live-Shows mehr "a hit in the face". Auf dem Album versuchen wir die Songs so interessant wie möglich zu gestalten und auf der Bühne sind wir härter und straighter. Ich finde, dass Bands, die live genauso klingen wie auf Platte, einfach langweilig sind.

Vorher habt ihr bei TROUBLE BOUND GOSPEL gespielt, die auch eine ähnliche Rock'n'Blues-Attitüde verfolgen. Ich kann mir vorstellen, dass THE JON SPENCER BLUES EXPLOSION in Finnland ziemlich beliebt ist.

Jani: Nein, leider nicht, was eine Schande ist. Nirgends sind sie auch nur annähernd in den Top 40, wenn du weißt, was ich meine. Nachdem sie "Plastic Fang" rausgebracht haben, spielten sie bei einem großen Festival in Finnland und nur ein paar hundert Leute haben ihnen zugeschaut. Aber es scheint so, als hätten sie einen großen Einfluss auf einige Bands. TBG, BOOMHAUER, COSMO JONES MACHINE, vielleicht auch SWEATMASTER, und wir sind von Ihnen beeinflusst worden. Ich glaube, das kommt daher, dass sie einen sehr heftigen Sound haben und einfach etwas Neues gemacht haben. Vielleicht ist es wie die alte Geschichte von VELVET UNDERGROUND - nicht viele haben damals ihre Alben gekauft, aber die, die es getan haben, gründeten daraufhin eine Band.

Wie sieht es mit älteren Bands wie den ROLLING STONES, PUSSY GALORE oder BEASTS OF BOURBON aus?

Heikki: Ich liebe PUSSY GALORE. Sie haben einen bizarren Groove. Er ist ziemlich laut, aber man kann trotzdem Melodien und packende Lyrics in den Songs finden. Die ROLLING STONES überraschen mich immer wieder, wenn ich ihre Platten auflege. "Beggars Banquet" habe ich zum Beispiel schon tausendmal gehört, aber immer, wenn ich sie mir erneut anhöre, ist es so, als wäre es das erste Mal. Ich hoffe, dass wir eines Tages auch so ein Album hinkriegen.

Jani: Ja, ich glaube, dass die Stones eine der wenigen Bands sind, die wir alle drei lieben und das kann man wahrscheinlich auch an unserer jetzigen Musik erkennen. "Beggars Banquet" und "Exile On Main Street" waren auch zwei unserer Referenzalben, als wir "In The Raw" aufgenommen haben. Weitere Alben waren die von IKE & TINA, THE BLACK KEYS und CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL. Nur so nebenher: "A Bigger Bang", die letzte Stones-Platte, ist pures Dynamit! PUSSY GALORE ist auch eine fantastische Band und wirklich einzigartig. Sie haben auch großen Einfluss auf uns ausgeübt. Alle denken immer, dass nur BLUES EXPLOSION uns zu Beginn beeinflusst hat, aber vielleicht waren PUSSY GALORE sogar wichtiger für uns. Anfangs waren wir keine besonders guten Musiker und daher haben wir uns mehr auf PUSSY GALORE bezogen, da ihre Songs sehr rau und musikalisch nicht besonders professionell sind.

Ihr stammt alle aus Kuopio. Was könnt ihr mir über diese Stadt erzählen?

Jani: Wenn du Fakten willst: Kuopio ist die achtgrößte Stadt Finnlands mit 90.000 Einwohnern. Ich habe den Eindruck, dass Kuopio versucht, eine moderne High-Tech-Stadt zu werden, aber eigentlich ist es nur ein ländliches Städtchen.

Heikki: In Kuopio ist nicht so viel los. Daher haben wir viel Zeit, um Rock'n'Roll zu spielen. Die Leute hier sind ziemlich ehrlich und geben nicht vor, etwas zu sein, was sie nicht sind. Es ist meine Heimatstadt, aber ich werde hier sicherlich nicht ewig bleiben.

Ist es albern, über einen speziellen finnischen Rock'n'Roll zu sprechen? So wie man zum Beispiel auch sagt, dass sich ein Lied "schwedisch" anhört.

Jani: Ja, vielleicht hast du Recht. Mir ist schon aufgefallen, dass finnische Bands anders klingen als schwedische. Ich glaube, dass kommt daher, dass Finnland geographisch isoliert ist und Bands kaum Chancen haben, wirklich groß zu werden. Daher spielen die Leute einfach das, worauf sie gerade Bock haben. Die finnische Mentalität ist auch ein bisschen düsterer und das könnte ein weiterer Grund sein, warum die Musik etwas anders klingt. Aber es wäre dumm zu behaupten, dass alle finnischen Bands diese Art von Rock'n'Roll spielen.

Gibt es neue finnische Bands, die man genauer beobachten sollte?

Jani: Das kann ich nicht genau sagen. Irgendwie haben alle neuen finnischen Bands diesen Metal-Touch in ihrer Musik und das kann ich überhaupt nicht leiden. Ich verstehe nicht, was der Grund dafür ist. Vielleicht, weil Metal so beliebt in Finnland ist. Es gibt viele gute Rockbands in Finnland, aber die wirst du wohl schon alle kennen. Es gibt jedoch eine neue großartige Band, die PLAIN RIDE heißt. Chef davon ist der gleiche Typ, der auch SWEETHEART und CHAINSMOKER hatte, beides fantastische Bands. Es ist jedoch keine Rockband, mehr so eine Singer/Songwriter-Geschichte. Also, hört euch mal "Oh The Flow" von PLAIN RIDE an.

Heikki: Ich habe viel Gutes über MOSES HAZY gehört, sie haben einige Songs auf Ihrer Website, aber ich habe sie noch nie live gesehen oder eine ihrer Scheiben gekauft. Ich hoffe, dass dieser Metal-Einfluss hier in Finnland bald zu Ende ist, damit es wieder gute Rockbands gibt.

Wie entsteht ein SLIDESHAKER-Song? Schreibt ihr erst die Lyrics oder die Musik?

Jani: Die Musik ist immer zuerst da. Normalerweise hat einer von uns eine gewisse Idee, die wir versuchen umzusetzen. Wir spielen das Stück immer wieder, bis sich langsam ein ganzer Song entwickelt. Dann überlegen wir uns eine Gesangs-Melodie für den Chorus. Ich steuere dann einen Titel und den Refrain bei. Der Songtitel ist sehr wichtig, weil er die Stimmung für den Song erzeugt und einen Überblick über das Hauptthema im Lied gibt. Die restlichen Lyrics entstehen eigentlich erst, wenn wir den Song aufnehmen oder sogar erst, wenn er schon aufgenommen ist. Wenn wir neue Songs machen, nehmen wir sie erstmal mit unserem alten Kassettenrekorder auf. Wenn man sich den Song auf Tape anhört, ist es einfacher, die schwachen Stellen auszumachen. Oft ändern wir noch Sachen im Studio, daher ist es wichtig, dass die Songstruktur relativ locker ist.

Welcher war der verrückteste Ort, an dem ihr je gespielt habt?

Jani: Vor einigen Jahren haben wir in Finnland in einer Ski-Halle zusammen mit BOOMHAUER gespielt. Es war einfach verdammt kalt und meine Finger waren total steif, so dass es ziemlich schwer war, vernünftig Schlagzeug zu spielen. Den Leuten schien es ziemlich egal zu sein, ob wir spielten oder nicht, und wir sind noch nicht mal bezahlt worden. Uns wurde eine gute Bezahlung versprochen, aber wir haben nie einen Cent gesehen. Ich kam mir wirklich ziemlich verarscht vor. Also denkt daran: wenn ihr mal im eiskalten Winter in Finnland spielen wollt, dann lasst euch vorher bezahlen.

Heikki: In Deutschland sind wir mal zusammen mit THE MICRAGIRLS in einem Jugendzentrum irgendwo am Arsch der Welt aufgetreten. Das war eine Katastrophe. Die Boxen standen zur Menge gerichtet und während des Soundchecks hörte der Toningenieur über diese seine Ibiza-Dance-Collection ... Hatte ich schon erwähnt, dass die "Menge" aus drei Zuschauern bestand?

Jens Kofoed-Pihl