Skateboarding

Coolness-Surrogate für Cash-Juniors

Es gibt eine Tradition im Punk, die anfänglich als Randerscheinung, später als Massenphänomen eine rigorose Missachtung aller Verkehrsregeln mit der Inbesitznahme der Straße und dem Ausleben des eigenen Freiheits- und Erlebnishungers auf eine Stufe stellte und stellt. Skateboards sind die Fluchtfahrzeuge vor dem Trott in Reih und Glied und wer sich auf ihnen fortbewegt, grenzt sich allein durch die benutzen Wege - die nämlich meistens von Fußgängern beansprucht werden - und das beliebte kaltblütig artistische Fahrverhalten vom Rest der Straßenbenutzer/Innen ab.

Dem Ganzen haftet somit seit den Anfängen ein Hauch von, um es mal ein wenig pathetisch zu formulieren, Rebellion gegen die Norm an. Sicher war und ist das hedonistische Streben nach Speed und Spaß nach wie vor die Hauptmotivation für nahezu alle, die sich ein Board unter die Füße stecken, ein wenig dissidentes Potenzial schlummert trotz allem nach wie vor in dieser Art der Fortbewegung: gerne gesehen ist man damit als potenzielle Gefahrenquelle für die Latschenden und in ihren Mittelklassewagen verschanzten Staatsbürger/Innen nämlich nicht im geringsten.

Sollen diese Irren sich doch auf ihre Plätze verpissen, sind doch extra für die gebaut worden - von unseren Steuern!

Jaja, genau und den Hals sollen sich auch gleich alle brechen, dann ist wenigstens Ruhe, oder was?

Von Städten und Gemeinden zur Ruhigstellung und Verwahrung installierte Rampen und Halfpipes schön und gut - so richtig Laune machen die Stunts und Tricks aber doch erst da, wo die verlockendsten Herausforderungen auf die ehrgeizigen Skater/Innen warten: In Einkauspassagen, auf öffentlichen Plätzen mit möglichst vielen Treppen und Geländern oder Downhill gegen den Strom der ordnungsgemäß in den Verkehrsfluss eingegliederten Untertanen. Sympathien für diese jungen Menschen sind bei jenem Klientel dementsprechend sparsam verteilt.

Dem eigenen Nachwuchs wiederum, wird ein solch verrücktes und auch noch ganz schön kostspieliges Spielzeug gerne mal zwecks Liebessicherung ins Kinderzimmer gestellt - nach ausdauerndem Betteln und Drohen von Seiten der Brut, versteht sich.

Und wie Arbeit Arbeit nach sich zieht und weil wir in einer Welt der Definition durch Besitz und Image leben, brauchen die Gören natürlich auch noch die passenden Klamotten zum Sport und zwar nicht irgendwas nachgemachtes, sonder den ganz heißen Scheiß.

Genau hier aber liegt der Unterschied zu den Ursprüngen des Skatens bei den Punks in Kalifornien, für die es um eine, bei einigen nahezu religiöse Lebenseinstellung ging und nicht um einen Massen-Trend. Der blieb natürlich nicht aus, alle Welt schwankte eine Zeit lang plötzlich auf ´nem Brett durch die Gegend, Moden wurden ersonnen und auf den Markt gepusht und der Markt tat, was er am meisten liebt - er kaufte. Der Spirit blieb auf der Strecke, es ging nicht mehr um Credibility und Freiheitsdrang, sondern nur noch um einen möglichst hippen Look, um ein Image, das einen irgendwie wild und cool wirken lässt und das nebenbei jene, die immer das Neueste spazieren führten, als monetär potent auswiesen.

Jenseits aller sich als Subkultur definierenden und agierenden Skater/Innen, die nach wie vor auf Trends und Moden scheißen, wurde und ist teilweise auch heute noch, das Outfit immer wichtiger und die Stiftung eines Zugehörigkeitsgefühls durch Kommerz und Uniformierung. Mittlerweile ist das Skaten, besonders in den USA, wieder mehr Street geworden, der Sound zum Lebensstil hat sich von Skate-Punk zu Hip Hop entwickelt oder wurde durch diesen und die entsprechende Attitüde ergänzt und auch hierzulande hat sich der Hype beruhigt oder den furchtbaren Kickboards und Inlineskates zugewandt.

Die Arztsöhne und Anwaltstöchter aber, sind heute auf anderen Brettern unterwegs und die Geschichte scheint sich zu wiederholen.

Mit dem Snowboard lässt es sich auch einfach besser profilieren. Teurer als Skaten ist es allemal und somit elitärer - schon allein die ganzen Reisen und die Hotels in den Wintersportorten, die Klamotten und natürlich der ganze Technokram, wie Sender und GPS - die man ja ganz dringend braucht, wenn man in Kitzbühl die Touripisten runterschlittert -helfen, die Täuschung eines irgendwie ganz schön verwegenen und ungewöhnlichem Lifestyle aufrecht zu erhalten.

Auch hier gelten die Initiator/Innen denen es um etwas ganz anderes, als irgendeinen Trend geht, als Stifter eines Lebensgefühls. Die Aura des Speedfreaks, die sie umgibt, denn sie ist spürbar authenthisch, ist ein Gut, dass sich jene, die außer Geld nicht ganz viel haben nur zu gerne kaufen wollen. Ein Schmuck dessen Präsentation, ist ja unbestritten, angenehmerweise auch noch ´ne Menge Laune macht.

Und wie könnte es anders sein, die Industrie ist schon zur Stelle: In aufwendigen Imagekampagnen wird die Energie, der Fun, die Kompromisslosigkeit des Boardens kommuniziert und gepriesen und eine pseudo-alternative Kultur der Gewinnmaximierung geschaffen, mittels der Bedienung von Begehrlichkeiten, die gelangweilte Mittelklasse-Kids so plagen. Die Zielgruppe, na klar, möchte als Outlaw ebenso verwegen rüberkommen, wie die Vorbilder und stürzt sich auf eine falsche Freiheit, die finanzielles Potenzial voraussetzt und Credibility zum Verkauf anbietet.

Der so erworbene Thrill wird weniger Lebensinhalt, als vielmehr homöopathische Medikation zur Ödnisprophylaxe. Sich einmal lebendig fühlen, sich der eigenen Kontrolle ausliefern mit der potenziellen Katastrophe jeden Moment vor Augen, doch was im Vordergrund steht ist lediglich die Selbstdarstellung als Insider.

Wenn wundert es da, dass der Sound dieser, äh Generation von Konsumenten, ebenso Produkt ist, wie der ganze Lifestyle. Ich mein, "Lords of the Boards", mehr gibt es da doch kaum zu sagen. Oder wie wäre es mit einer schicken Tour ins Allgäu, mit Vollpension zum Snowboardzirkus und Open Air-Konzert von PAPA ROACH und ein paar anderen echt total angesagten Acts, ey?

Es ist wie immer: Alles, was von einer Attitüde bleibt, die eben wirklich auf die Regeln scheisst und nicht, weil es zum Image gehört, ist die einstudierte Pose, von willigen Konsument/Innen bis auf Weiteres verinnerlicht.

So ist Snowboarden vor allem zu einer wirtschaftlichen Größe degeneriert, das Worst-Case-Szenario für die Glaubwürdigkeit einer Szene, die sich dem ursprünglichen, unkommerziellen Spirit verschrieben hat und sich von den Teilzeitposern wohlweislich fernhält. Wenngleich lukrative Sponsorenverträge natürlich verlockend sind, ermöglichen sie doch die volle Konzentration auf das, was man am liebsten tut. Doch liegt gerade darin meiner Meinung nach die Gefahr einer trügerischen Autonomie.

Denn diese Selbstbestimmung nach industriellen und marktgerecht gesteuerten Rezepturen ist nichts anderes als Mainstream, legislativ anerkannt oder zumindest geduldet, gesellschaftlich vereinnahmt und somit, wie bei aller Inbesitznahme einer Subkultur seitens der Masse, verwässert. Assimilation durch Nachahmung heißt die Devise - und das hat über kurz oder lang, schon immer zum Kollaps einer Szene geführt.

Natürlich bedeutet das nicht, dass Skaten oder Snowboarden per se scheiße sind und alle, die diesen Beschäftigungen frönen, jämmerliche Wannabes. Mir geht es vielmehr um die Abgrenzung einer Lebensart zu nachahmerischem Deppentum und Trend-Hörigkeit. Wer hat etwas davon, wenn die Akzeptanz eines gesellschaftlich ursprünglich intolerablen Sports bedeutet, sich von vorne bis hinten in eine Illusion einkaufen zu können und getreu den unabdingbaren Reglements Spaß nach Gesetz zu haben? Im Ohr den neuesten Hit, der angeblich das Lebensgefühl einer ganzen Generation repräsentiert, am Körper mehrere Monatslöhne in Form vollsynthetischer High-Tech-Klamotten und im Kopf, der Gedanke, bloß nicht den nächsten großen Hype zu verpassen.

Na, was morgen so angesagt ist? Hals- und Beinbruch, wünsche ich.