SINCE THE DAY

Foto

Nasenbluten vom platten Land

Neulich fand in der gemütlichen Bluebox in Siegen das „Bastardized Showcase“ statt. Nach einem tollen Abend mit großartigen Bands (u.a. DEADSOIL und JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE) bekam ich noch Sänger Daniel und Gitarrist Sebastian von SINCE THE DAY vor das Mikrofon. Beide stellten sich als sehr kompetente und freundliche Gesprächspartner heraus. Los geht’s!

Euer Bandname klingt ziemlich metaphorisch. Gab es einen besonderen Tag, oder ein besonderes Ereignis nach dem ihr euch gegründet habt?


Sebi: „Wenn ich mir das jetzt im Nachhinein so überlege, trifft es dieser Name ja viel besser, als wir es uns das vorher gedacht haben. Aber damals gab es da keinen metaphorischen Hintergrund, muss ich zu unserer Schande gestehen, sondern es gab eine Liste mit ziemlich vielen Bandnamen und es wurde einfach demokratisch entschieden. Wir waren uns alle einig, dass wir einen Bandnamen wollten, der keine Klischees bedient. Also weder Metal noch Hardcore, nichts mit ‚Dead‘, nichts mit ‚Kill‘, nichts in der Art. Und damals war es eigentlich untypisch, drei Worte zu nehmen. Also mittlerweile hört man das häufiger und mittlerweile werden wir aufgrund des Namens öfters mit Emo-Bands verwechselt, und die Leute sind überrascht, wenn sie unsere Musik hören.“

Ihr seid eine ziemlich junge Band, die sich durch unermüdliches Touren zur Zeit einen Namen macht. Kannst du mir etwas zur Entstehung der Band, eure Herkunft und die vergangenen Jahre sagen?

Sebi:
„Na, ja, also so jung sind wir gar nicht. Unter dem Namen SINCE THE DAY sind wir seit 2001 unterwegs, und zu viert – ohne Gesang – machen wir Musik, seitdem ich 15 Jahre alt bin, also seit 1995. Mit dem Unterschreiben des Vertrages bei Bastardized 2001 haben wir auch unseren Namen geändert, wir hießen früher anders, nämlich HARDBOILED. Wir kommen eigentlich vom platten Land und haben früher halt nur in Siegen gespielt, und mit dem Vertrag hat dann alles angefangen. Seitdem waren wir ziemlich faul was Aufnahmen betrifft, das stimmt, aber es war uns halt wichtig, so viel wie möglich live zu spielen.“

Welche Bands haben euch musikalisch inspiriert?

Sebi:
„Ich bin groß geworden mit Metal, ganz klar, denn hier auf dem platten Land gab es keine Hardcore-Szene. Bands wie METALLICA, OBITUARY, MORBID ANGEL, die ganzen Klassiker halt. Das Schweden-Ding haben wir auch noch sehr mitbekommen und dann ist es ein bisschen weiter in Richtung Hardcore gegangen mit den ganzen Bands aus New York. In Europa gab es Bands wie die RYKER’S aus Kassel, mal eine Band um die Ecke, die echt groß wurde. Aber wir haben lange gebraucht da etwas mitzubekommen. Hör dir doch mal ‚Gommorra’s Season Ends‘ von EARTH CRISIS an, das war auch schon sehr Metal-lastig. Von daher sind wir da nie soweit entfernt von gewesen. Und dann sind wir immer mehr in diese Underground-Schiene reingekommen. Halt kleine Bands, die nur vor 300 Leuten gespielt haben, und du konntest nachher noch mit jedem sprechen. Das war dann nicht mehr die große Live Music Hall, sondern ein Jugendzentrum. Ein völlig anderes Konzerterlebnis, das hat halt mehr Spaß gemacht.“

Die Musik, die ihr spielt, ist zur Zeit sehr angesagt und wird gemeinhin als „Metalcore“ bezeichnet. Wie geht ihr mit diesem Begriff um?

Daniel:
„Durch diesen Metalcore – ich mag das Wort nicht – kommen auch immer mehr Typen mit langen Haaren – lass sie uns Metaller nennen oder wie sie auch immer aussehen auf die Shows und es vermischt sich alles viel mehr. Ich finde das positiv, denn was nützt es dir, wenn du deine Message vor den gleichen 30 Leuten bei jedem Konzert runterleierst, die sowieso schon alles kennen und sich mit dem Thema vielleicht auch schon länger beschäftigt haben. Was die Leute im Endeffekt damit machen, ist natürlich ihre Sache. Ich halte halt nicht viel von diesem Szene-Ding, dass man sagt: Okay, die ganzen Hardcore-Kids sind tätowiert, haben kurze Haare, sind gepierct und tragen Baggy Pants. Alle Metaller haben Leder-Sachen an, haben lange Haare und besaufen sich jeden Abend. Ich meine, musikalisch stehen sich die beiden Szenen ja auch sehr nah, so dass du inzwischen an diesem Szene-Denken nicht weiter festhalten kannst. Es wird sich immer mehr vermischen und ich finde das positiv.“

Gerade ältere Oldschool-Hardcore-Fans regen sich auf Konzerten oft über die jungen Metalcore-Kids mit ihren Moves und Kicks auf. Wie erlebt ihr das Publikum auf euren Konzerten?

Daniel:
„Das ist so ein Phänomen das in den letzten ein bis zwei Jahren aufkam, das immer mehr Leute diese Kickbox-Einlagen bringen. Ich habe nichts dagegen, wenn sich die Kids austoben, das ist besser, als irgendwie auf der Strasse rumzuhängen und irgendwelche Leute anzupöbeln und so ihre Aggression rauszulassen. Was mich stört ist, wenn die Kicks direkt vor dem Publikum gemacht werden und damit in Kauf genommen wird, dass irgendjemand getroffen wird. So etwas kann immer vorkommen. Ist gerade vorhin noch einem Kumpel von mir aus Köln passiert der reinkam und direkt einen abkriegte. Erst mal Nasenbluten gehabt und auch noch was auf den Fuß gekriegt. Klar, bei solchen Shows weißt du, was passieren kann, wenn du vorne stehst. Es liegt auch daran, wie die Leute gegenseitig auf sich aufpassen. Ich kenne es von vielen Festivals, dass es echt gut geht, alle können sich austoben und es passiert nichts. Leider kenne ich es aber auch anders. Einfach dumm!“

Wer schreibt bei euch die Texte? Ist das ein kreativer Prozess innerhalb der Band und jeder bringt sich ein?

Daniel:
„Bisher war es immer so, dass ich alle Texte geschrieben habe, weil die Texte meine persönliche Sichtweise widerspiegeln. Natürlich knalle ich den anderen die Texte nicht nur so hin, wir reden schon darüber, ob alle mit dieser Sichtweise klarkommen. Ich denke, ich kann einen Text, den ich selbst geschrieben habe, mit mehr Emotionen rüberbringen, vor allem auf der Bühne, aber auch bei den Aufnahmen, als wenn jemand anderes den Text geschrieben hat, weil ich ja dann nicht in seiner Haut gesteckt habe, als er den Text geschrieben hat. Natürlich kann man sich stellenweise da schon reinversetzen, weil man ähnliche Situationen auch schon erlebt hat, aber bisher habe ich immer genug Texte auf die Reihe bekommen und von daher haben wir es auch so beibehalten.“
Sebi: „Außerdem schlägt er uns um Längen mit seinen Texten, haha. Und ich habe sogar alle Texte zu Hause mit deutschen Erklärungen drunter, wo wir sogar überlegt haben, ob wir sie nicht vielleicht drucken sollten. Vielleicht beim nächsten Mal. Ich weiß gar nicht, warum wir das nicht gemacht haben. Andererseits provoziert es die Leute, sich richtig mit den Texten zu beschäftigen.“

Ein spontanes Statement zum Thema „Straight Edge“?

Daniel:
„Ich habe mich mal lange Zeit damit beschäftigt aber ich war nie Straight Edge. Für die Leute, die straight waren, straight sind und wahrscheinlich noch lange Zeit sein werden: Ich habe nichts dagegen. Ich respektiere diejenigen, die das durchziehen, und man kann mit diesen Leuten wirklich sehr viel Spaß haben. Wir gehen auch öfters mal mit Leuten weg, die nicht trinken, es ist einfach immer diese Toleranzbasis, dieser Respekt, den man gegenüber einer Person hat, egal ob man trinkt, nicht trinkt, Straight Edge ist oder sonst irgend etwas. Z. B. ich als Raucher, man bläst denen, die straight sind, den Rauch halt nicht direkt ins Gesicht. Also wie gesagt, für mich war es nie ein Thema, ich finde es ist nichts dabei, wenn man mal ein Bierchen trinkt, eine raucht und wenn es sein muss, auch mal kiffen, solange es nicht in dieses andere Extrem abgleitet und man nur säuft. Du musst rausfinden, was für dich persönlich gut ist, dazu gehört meiner Meinung auch, dass man völlig besoffen in der Ecke liegt. Das ist eine Erfahrung, die man macht und hoffentlich daraus lernt.“
Sebi: „Ich komme vom Land, ich bin mit Bier groß geworden, bei uns trinkt man halt, ich habe ja auch Fußball gespielt ... Aber mir ist es schon zwei, drei mal passiert, dass ich mit Bands im Backstageraum abgehangen habe und die ganze Zeit Bier getrunken habe und blauer und blauer wurde. Später dachte ich dann: Mann, was steckt der Typ nur weg?! Wir haben so einen Spaß, und ich fange schon an zu nuscheln. Dann hat sich rausgestellt, dass diese Leute Straight Edge sind und noch gar nichts getrunken haben.“

Was wollt ihr mit der Band noch erreichen?

Sebi:
„Es läuft zur Zeit so, dass man nicht mehr so viel Privatvermögen in diese Band stecken muss, aber ach, keine Ahnung. Unser Ziel war es, ein Album zu machen. Die Split war schon okay, aber das mit dem eigenen Album ist halt schon sehr cool. Auf Tour waren wir ja schon und ich würde natürlich jederzeit wieder gehen, denn live zu spielen ist halt super, aber wo die Geschichte hinführt ... Natürlich würde ich gerne von Musik leben, ich spiele für mein Leben gerne Gitarre, im Studio zu sein ist super, auf Tour zu sein auch und ich würde nichts lieber machen, als mit den Jungs ein halbes Jahr auf Tour durch die Welt zu gehen, aber träumen ist halt die eine Sache. Mal schauen was passiert. Da haben wir jetzt erst mal keinen Einfluss drauf, außer Interviews zu geben und zu touren.“