Im April erscheint mit „Join The Bear Cult“ das lange erwartete dritte Album von SIBERIAN MEAT GRINDER aus Moskau, ein Erweckungserlebnis für Agnostiker von ungeheurer Wucht. Wenn das kein guter Grund für ein Interview ist? Außerdem erfahrt ihr, was Sänger Vladimir zu den politischen Entwicklungen in Russland predigt und was er von Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine hält, der kurz vor Redaktionsschluss bittere Realität wurde.
Wie erleichtert bist du, dass „Join The Bear Cult“ endlich erschienen ist? Es hat ja gefühlt eine Ewigkeit gedauert, das Projekt fertigzustellen.
Wir sind super aufgeregt, dass „Join The Bear Cult“ endlich rauskommt. Seit der Gründung der Band ist es unser Ziel, unseren eigenen Musikstil zu entwickeln, in dem wir Metal und Punk mit weiteren Elementen kombinieren, gespielt auf eine technisch anspruchsvolle, ganz eigene Weise, schnell und aggressiv. „Join The Bear Cult“ sollte das Ganze auf die nächste Stufe heben, indem wir uns tiefer in den Metal-Dschungel wagten und mehr Death-, Black- und Power-Metal-Einflüsse integrierten, ohne dabei unsere Punkrock-Wurzeln zu vergessen. Außerdem haben wir diesen Crossover mit einigen neuen Einflüssen aufgepeppt: Grunge, Stoner, HipHop und sogar Reggae. Wir hatten schon vor geraumer Zeit mit der Arbeit an diesem Album begonnen, aber eine Reihe von Faktoren hat uns davon abgehalten, es früher zu veröffentlichen. Bevor die Pandemie ausbrach, waren wir super beschäftigt mit Touren, was großartig war, uns aber nicht viel Zeit für die Arbeit an dem Album ließ. Die Pause kam, als Corona über die Welt hereinbrach. Dadurch hatten wir mehr Zeit, die wir dazu nutzten, einen großen Teil des Albums neu zu schreiben. Wir haben immer ein Hauptkriterium, das wir als Maßstab an unsere Musik anlegen: Sie muss uns dazu bringen, auszuflippen und uns die Köpfe einzuschlagen wie nie zuvor. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir das Gefühl, dass einige Tracks neu geschrieben werden mussten, um noch schneller, wütender und technisch sauberer zu klingen. Die Kontaktbeschränkungen durch Corona verlangsamten den Prozess allerdings sehr, vor allem da unser Schlagzeuger in einer anderen Stadt lebt. Aber jetzt ist das Album fertig und wird international vertrieben. Es gibt weltweit für Punx und Metalheads richtig was auf die Ohren.
Viele Bands haben in den letzten zwei Jahren ihre Alben online und ohne Live-Proben aufgenommen. Wie habt ihr die Arbeit an eurer aktuellen Veröffentlichung organisiert? Hat Corona euer Songwriting oder euren Sound verändert?
Das war während der Corona-Phase schwierig. Die Bandproben wurden zu einem echten Problem während der Lockdowns. Wir tauschten endlos viele Demos aus und verbrachten viel Zeit damit, Tracks in Messengern und am Telefon zu besprechen. Auch die Aufnahmen mussten immer wieder verschoben werden, weil es zum Beispiel keine gute Idee gewesen wäre, die Leute in einem kleinen Raum zu versammeln, um die Backingvocals aufzunehmen. Wie auch immer, wir haben es gegen alle Widerstände geschafft, das Album fertigzustellen, und es klingt genauso, wie wir es wollten. Obwohl wir die Songs schon so oft gehört haben, können wir immer noch nicht genug davon bekommen. Auch der Sound wurde auf ein neues Level gehoben. Gemastert wurde das Album in den Fascination Street Studios in Schweden, die für ihre Arbeit mit SEPULTURA, KREATOR, AMON AMARTH, AT THE GATES und anderen Größen bekannt sind. Wir sind auch sehr gespannt auf das Albumcover, das auf unseren eigenen Ideen basiert und vom Künstler Andrei Bouzikov entworfen wurde, der auch für MUNICIPAL WASTE, SKELETONWITCH, HIGH ON FIRE und andere coole Bands gearbeitet hat.
Welche Themen und Ereignisse haben dich zu den Texten inspiriert? Was beschäftigt dich im Moment besonders?
Das Hauptmotiv unserer Texte ist die Lobpreisung des Bärenkults – die einzig wahre Lehre, die der Bärenzar selbst in unsere Welt gebracht hat. Der Bärenkult vereint Punks, Headbanger und alle anderen unabhängig denkenden Menschen durch die schnelle und aggressive Musik von SIBERIAN MEAT GRINDER, und wenn sich genug Leute dem Bärenkult anschließen, wird die Welt eine neue Ebene ihrer spirituellen und physischen Existenz erlangen. In den Texten geht es auch darum, die Ketzer und Kult-Verweigerer im Namen des Bärenzaren zu opfern. Schaut euch unser neues Musikvideo mit dem selbsterklärenden Namen „Into the grinder“ an und ihr werdet sehen, welches Schicksal diejenigen erwartet, die den Kult verleugnen, die versuchen, unsere tierischen Freunde zu missbrauchen oder die heiligen Wälder abzuholzen. Kleiner Spoiler: Sie werden von den rechtsschaffenden Anhängern des Bärenkults durch den Fleischwolf gedreht und zur Füllmasse für die heiligen sibirischen Knödel verarbeitet, die dem Bärenzaren auf einem Waldaltar geopfert werden. Setzt also die Bärenmaske auf, dreht SMG auf volle Lautstärke, trotzt den falschen Führern und schließt euch dem Bärenkult an, bevor es zu spät ist!
Im Frühjahr werdet ihr unter anderem mit NAPALM DEATH und DOOM auf Tour gehen. Ich nehme an, ihr hattet in den letzten zwei Jahren nicht allzu viele Gelegenheiten, live zu spielen.
Corona hat viele große Pläne über den Haufen geworfen, auch die Tourpläne. Dazu gehörte auch die Rebellion Tour mit MADBALL, HARM’S WAY, KNOCKED LOOSE und anderen Killer-Bands, die im März 2020 stattfinden sollte, also direkt nachdem die Pandemie ihre volle Dynamik entfaltete. Die Clubs in Europa fingen einer nach dem anderen an zu schließen. Wir waren bereit, in die alte Welt zu fliegen und unser Glück zu versuchen, aber Freddy Madball schrieb uns in der Nacht vor unserem Abflug, dass es für uns alle besser sei, zu Hause zu bleiben, weil die Chancen, die Tour fortzusetzen, minimal seien. Und er hatte recht. In den nächsten Tagen wurde Europa für lange Zeit dicht gemacht, und wir wollten es vermeiden, dort festzuhängen. Leider wurde auch die Tour mit NAPALM DEATH, DOOM und SHOW ME THE BODY aufgrund der Corona-Beschränkungen verschoben. In den Jahren vor der Pandemie haben wir allerdings viel touren können. Ich schätze, der Bärenzar hatte uns eine spirituelle Botschaft aus den Tiefen von Raum und Zeit zukommen lassen, um uns zu warnen, dass die langen Einschränkungen kommen würden und wir zuvor so intensiv wie möglich auf diesem Planeten touren müssen. Im Moment warten wir auf die Wiederaufnahme des Tourneebetriebs, und wir haben schon eine Menge cooler Sachen für diesen Moment geplant. Also haltet die Augen auf und bereitet euch auf ein paar verrückte Circle Pits im Namen des Bärenzaren und Stagedives direkt in die Tiefen der sibirischen Hölle vor.
Die Corona-Pandemie hat weiterhin verheerende Auswirkungen auf das internationale (sub)kulturelle Leben. Künstler und Clubs sind akut in ihrer Existenz bedroht oder bereits von der Bildfläche verschwunden. Wie ist die Situation für Aktivisten und Strukturen der Gegenkultur in Russland?
Es hatte den Anschein, dass sich hier niemand groß für Anti-Corona-Maßnahmen interessierte, so dass die Restriktionen ziemlich milde ausfielen und die Clubs ziemlich schnell wieder geöffnet wurden – obwohl die Zahl der Infizierten immer noch in die Höhe schoss. Die meisten Leute wollten sich auch nicht impfen lassen oder die Sicherheitsvorschriften befolgen, was unserer Meinung nach ziemlich unverantwortlich war. Allerdings ist jetzt eine noch viel schlimmere Situation eingetreten, so dass die Pandemie im Vergleich zu dem, was uns erwarten könnte, für die Welt bald wie ein Spaziergang wirken wird.
Du sprichst vom Krieg gegen die Ukraine. Neben Corona beherrscht der NATO-Russland-Ukraine-Konflikt die internationalen Schlagzeilen. Der neue Kalte Krieg ist zu einem heißen Krieg eskaliert. Zugleich scheint Putin immer autoritärer zu regieren. Die politischen Entwicklungen in und um Russland machen es euch wahrscheinlich nicht leichter, politisch und künstlerisch aktiv zu sein. Ist es gefährlicher geworden, in Russland eine klare linke Position zu beziehen? Hat sich der Kulturkampf in Russland verschärft, den ihr 2014 in einem früheren Ox-Interview beschrieben habt?
Tatsächlich ist es für die Punk-Szene in den letzten zehn Jahren viel entspannter geworden! Heute ist nicht zu vergleichen mit der schrecklichen Situation in den Neunziger, Nuller und frühen Zehner Jahren, als es einen regelrechten Straßenkrieg gegen die gut organisierten Banden von Rechtsextremisten gab, die pausenlos Minderheiten und die DIY-Szene angriffen und viele Menschen verletzten und ermordeten. Inzwischen ist es fast hundertprozentig sicher, zu Punk-Shows zu gehen, und du kannst jedes Shirt tragen, das du willst. Ich freue mich für die Kids von heute, denn ich kann gar nicht sagen, wie oft die Idioten versucht haben, mich wegen meines DEAD KENNEDYS-Shirts anzugreifen, als ich jünger war. Aber so was macht einen stärker. Was den Krieg gegen die Ukraine betrifft: Mir fehlen einfach die Worte, um zu beschreiben, wie schrecklich und katastrophal diese Nachrichten sind. Niemand hat geglaubt, dass so etwas passieren könnte, zumal die Menschen in Russland und der Ukraine schon immer eng miteinander verbunden waren. Fast jeder hier hat Verwandte und Freunde dort und umgekehrt. Ich kann nur hoffen, dass diese Katastrophe bald ein Ende hat und die Menschen überleben werden. Fuck the war!
Lass uns zur Musik zurückkehren. Was sind eure weiteren Pläne für 2022? Die „Campaign For Musical Destruction“-Tour kann doch nur ein Anfang sein, oder?
Wir haben bereits einige große Touren für 2022 geplant. Darunter sind auch welche mit einigen unserer absoluten Lieblingsbands. Hoffen wir, dass alles stattfinden wird. Scheiß auf Krieg und Aggression! Steht zusammen für Frieden und Einigkeit! Schließt euch dem Bärenkult an!
© by - Ausgabe # und 16. Januar 2022
© by - Ausgabe # und 18. Dezember 2020
© by Fuze - Ausgabe #93 April/Mai 2022 und Jenny Josefine Schulz
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #112 Februar/März 2014 und Martin Schmidt
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #161 April/Mai 2022 und Salvador Oberhaus
© by Fuze - Ausgabe #93 April/Mai 2022 und Jenny Josefine Schulz
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #161 April/Mai 2022 und Salvador Oberhaus
© by Fuze - Ausgabe #67 Dezember/Januar 2017 und Marvin Kolb
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #135 Dezember/Januar 2017 und Henning v. Bassi
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #120 Juni/Juli 2015 und Henning v. Bassi