Anfang September veröffentlichten THE SENSITIVES aus Falun in Schweden mit „Love Songs For Haters“ ihren dritten Longplayer. Das Trio um Paulina (voc, b), Martin (voc, git) und Magnus (dr) spielt eine energiegeladene Mischung aus Folk, Ska und Rock’n’Roll. Anlässlich des neuen Albums unterhielt ich mich mit Sänger/Gitarrist Martin.
Martin, ihr seid im vergangenen Jahr und noch auch in den letzten Monaten sehr viel in Europa getourt. Wann habt ihr da die Zeit gefunden, um an neuen Songs für ein Album zu arbeiten?
Unser Problem ist eher, dass wir zu viele Songs schreiben. Wir haben schon eine ganze Menge an Songs fertig, schreiben aber gleichzeitig auch an neuen. „No control“ haben wir zum Beispiel schon vor acht Jahren geschrieben. „Echo“ entstand auf der letzten Tour, während der Soundchecks und auf der Fahrt.
Während der letzten Tour habt ihr auch mehrere Konzerte in Berlin gespielt. Sind während dieser Zeit auch Songs entstanden?
Ja, Paulina und ich lebten zwei Monate in Berlin, um die Zeit zwischen den Touren zu überbrücken. Der Song „Update“ ist dort entstanden. Ich bin mir aber nicht sicher, ob er von der Stadt beeinflusst ist. Wobei, wenn ich genauer darüber nachdenke, ich habe noch nie so viele Selfie-Sticks an einem Ort gesehen wie dort.
Ist es wahr, dass ihr auch einige Songs in einem Holzhaus auf dem Land aufgenommen hat?
Das stimmt. Paulinas Eltern haben eine kleine Hütte auf dem Land. Wir haben unser ganzes Equipment hingeschafft und dann das Album aufgenommen. Jeder von uns hat auf die Dauer Probleme, sich zu fokussieren. Daher dachten wir, es sei eine gute Idee, sich in diese Abgeschiedenheit zurückzuziehen, um nicht dauernd gestört zu werden.
Wie habt ihr es geschafft, die Hütte in ein Musikstudio zu verwandeln?
Unser Produzent und der Sound Engineer brachten alles dafür nötige mit und dann bauten wir alles auf. Wir hatten keinen separaten Mischraum, was dazu führte, dass alle in jedem Moment mit involviert gewesen sind. Tatsächlich gab es auch keine Chance, dem zu entgehen. Die einzige Möglichkeit war, mit dem Hund rauszugehen. Die frostigen Temperaturen haben diese Ausflüge jedoch stark verkürzt.
Songs wie „First things“ oder „No control“ scheinen härter zu sein, als man es bisher von euch gewohnt war. Diese lauten Songs bringen einen gleich zu Beginn auf Betriebstemperatur. Weshalb habt ihr euch für diese Art der Eröffnung entschieden?
Wir wussten, dass es ein kraftvolles Album werden soll. Es sollte mit einem Knall beginnen. Als wir „First things“ letzten Sommer geschrieben hatten, wussten wir sofort, dass das der erste Song des neuen Albums wird.
Daneben gibt es mit „Jimmie“ oder „Drunk as fuck“ auch wieder sehr melodische Titel. Wie entscheidet ihr, welcher Song wie zu klingen hat?
Meist beginne ich mit der Akustik-Gitarre, schreibe dazu etwas Text und eine Gesangsmelodie. Anschließen probieren wir in der Band mit verschiedenen Stilen, Intensitäten, Gesangparts herum, bis wir gefunden haben, was am besten für den Song ist. Zum Beispiel habe ich „Jimmie“ zu Beginn komplett gesungen bis zu dem Moment, als wir ihn aufnehmen wollten. Plötzlich hatte es sich nicht mehr richtig angefühlt. Paulina übernahm die Parts und dann passte es perfekt.
In „Update“ thematisiert ihr die aktuellen Kommunikationstrends. Gefühlt scheint fast jeder nur noch via Smartphone zu kommunizieren. Wie seht ihr diese Entwicklung?
Social Media ist gut, auf unterschiedlichen Arten. Aber wenn ich in eine Bar gehe und vier meiner Freunde an einem Tisch sitzen sehe und alle starren auf ihre Smartphones, dann läuft irgendwas verkehrt. All diese Selfies vom Fitnessstudio, vom perfekten Frühstück und so weiter. Ich glaube, es kann dazu führen, dass andere Leute sich schlecht fühlen, weil sie nicht dieses „perfekte“ Leben haben. Auf der anderen Seite ist es unglaublich, wie einfach es ist, mit so vielen Leuten auf der ganzen Welt in Kontakt zu bleiben. Wir buchen unsere Touren selbst. Ohne Facebook wäre das nicht möglich. „Update“ ist nicht als Hass-Song gegen Soziale Medien zu verstehen. Wir versuchen eher, uns über einige Entwicklungen lustig zu machen und wie die Leute damit umgehen. Manchmal finden wir uns darin auch selbst wieder, haha!
Das Albumcover ist sehr speziell und künstlerisch. Kannst du die Idee dahinter erklären?
Wir wollten mit dem Artwork Normen brechen. Das ist etwas, was wir immer im Kopf haben. Normalerweise ist eine Frau auf Covern „sexy“, du weißt, was ich meine. Eine sehr alte Dame mit regenbogenfarbener Irokesen-Frisur fühlte sich daher wie das perfekte Artwork für „Love Songs For Haters“ an.
Zentrales Thema in vielen eurer Songs, auch auf den alten Alben, ist zu versuchen, die Welt etwas besser machen. Ihr singt nicht nur darüber, sondern nehmt auch eine aktive Rolle ein. Für welche Initiativen setzt ihr euch ein?
Wir haben Geld für Futter und Medizin für Hunde und Katzen in Schweden gesammelt. Gleichheit zwischen den Geschlechtern ist auch ein wichtiges Anliegen für uns. Paulina ist zum Beispiel gerade in Moldawien, um dort ein Bandcamp für Frauen und Transsexuelle zu organisieren. Wir haben alle schon in solchen Camps geholfen, und es ist immer wieder schön zu sehen, wie das Feuer in den Augen der Jugendlichen entfacht wird, wenn sie das erste Mal einen Beat auf den Drums spielen. Wir brauchen mehr gemischte Bands, daher liegt noch viel Arbeit vor uns.
Ich habe gehört, dass ihr mit der Band in ein gemeinsames Haus ziehen wollt. Stimmt das?
Na klar, es ist bereits passiert. Wir sind sechs Personen, eine Katze und zwei Hunde. Wir sind in ein sehr großes Haus gezogen und ist großartig! Es hilft uns dabei Kosten zu sparen, was für eine Band sehr wichtig ist. Nach all den Touren und der Aufnahme des Albums bleibt nicht viel Geld übrig. Außerdem ist es super, den Proberaum im eigenen Keller zu haben. So schaffen wir es sicher auch mal, vor einer Tour zu proben, haha!
Und was sind eure Pläne für die letzten Monate des Jahres?
Im Oktober werden wir eine Menge Gigs in Schweden spielen. Anschließend toure ich alleine mit meinem Soloprojekt in Deutschland. Im Dezember geht es dann noch mal mit der ganzen Band auf Tour. Vielleicht nehmen wir auch noch neue Sachen auf, wir werden auf jeden Fall nicht untätig sein.
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