Wenn man sich mit der Musik von SEEYOUSPACECOWBOY beschäftigt, stößt man auf gegensätzliche Elemente, die scheinbar chaotisch in Szene gesetzt werden, aber auch harmonische Melodien und Verletzlichkeit in den Texten von Sängerin Connie Sgarbossa. Die Band möchte dafür aber nicht das naheliegende Label Screamo bemühen, sondern gräbt einen Begriff aus, der schon fast in Vergessenheit geraten war: Sasscore.
„Ich denke, wir klingen anders als die Szene, in der wir uns früher rumgetrieben haben, daher möchte ich auch nicht den Stempel Screamo auf unserer Musik pappen haben“, erklärt Sgarbossa. Mit Sasscore wurde in den frühen Nuller Jahren die Szene umrissen, die sich um Gruppen wie THE BLOOD BROTHERS oder frühe DAUGHTERS gebildet hatte, bei denen nicht nur die Grenzen innerhalb von Punk, Hardcore und Metal fließend waren, sondern auch in Richtung Indie. Außerdem stellte Sasscore einen klaren Gegenentwurf zu einem testosterongetränkten Rollenbild dar. Ein idealer Anknüpfungspunkt für SEEYOUSPACECOWBOY, die sich nicht nur wegen ihrer Transgender-Sängerin für die Rechte der LGBTQ-Community einsetzen, sondern auch weit weniger prüde Inhalte zu bieten haben, als das bei anderen Core-Spielarten der Fall ist.
Hat Sgarbossa eine Szene gefunden, in der sie sich akzeptiert und verstanden fühlt? „Ja, das ist definitiv der Fall“, bestätigt die Sängerin. „Mit SEEYOUSPACECOWBOY konnte ich Hardcore und Screamo ein Stück weit hinter mir lassen. Außerdem wurde ich von der SoundCloud-Rap-Szene förmlich eingesogen. Da gibt es wirklich tonnenweise queere Künstler und Bands. Das ist definitiv kein reiner Boys Club, so wie manche denken. Mittlerweile habe ich durch die Musik so viele Künstler getroffen, die unterschiedlichen Geschlechts oder trans sind oder deren Sexualität von der Norm abweicht – es gibt so viel Diversität. Ich fühle mich zu Hause, wo ich bin, und es gab nie irgendwelche Konfrontationen. All das hat mir sehr geholfen, Freunde zu finden und Liebe zu erleben.“
Trotz dieser Erfahrungen behandelt das neue Album negative Themen wie Hoffnungslosigkeit und Desillusion. Steht „The Romance Of Affliction“ denn für nichts Positives? „Ich befinde mich an einem anderen Punkt in meinem Leben, an dem ich die Band für meine Katharsis nutze – wie mein kleines Tagebuch. Der positive Aspekt ist also, dass ich negative Gedanken und Gefühle auf diese Weise rauslassen und Dinge verarbeiten kann.“ Außerdem sind die Songtitel bei SEEYOUSPACECOWBOY auch immer noch ein Ausdruck von Humor, wie Sgarbossa bestätigt. Also ist da doch ein Licht am Ende des Tunnels? „Nein, nicht wirklich. Aber diese Tatsache zählt auch nicht für mich. Ich nehme die Dinge, wie sie sind, und zerbreche mir nicht den Kopf über die Zukunft, denn meine Existenz allein ist schon absurd genug. Also sitze ich in L.A., mache mein Ding, bis ich sterbe, und versuche, verdammt noch mal Handyempfang zu bekommen. Es ist, wie es ist.“
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