Die SCREENSHOTS aus Krefeld machten im letzten Jahr vor allem durch einen Auftritt im „Neo Magazin Royale“ auf sich aufmerksam. Laut Presseinfo haben sich die drei Bandmitglieder mit den Pseudonymen Kurt Prödel, Susi Bumms und Dax Werner auf Twitter kennen gelernt. Ende letzten Jahres erschien auf Staatsakt die Debüt-LP „Europa“, zuvor nur digital unter den Titeln „Übergriff“ und „Ein starkes Team“ veröffentlicht. Darauf gibt es extrem hitverdächtigen, ironisch-melancholischen Indierock mit Punknote zu hören, der ein wenig an die Frühwerke einer sehr bekannten Hamburger Band erinnert.
Als billigen Abklatsch darf man die Band keinesfalls bezeichnen. Sie schaffen es, dem komatösen Genre mit extremer Leidenschaft und smartem „Netzhumor“ wieder Leben einzuhauchen. Dass die Band großen Wert darauf legt in der Öffentlichkeit anonym zu bleiben, macht sie in einer Zeit, in der Narzissmus die Volkskrankheit Nr. 1 zu sein scheint, umso sympathischer. Überraschend kam im Februar die Nachricht, dass die SCREENSHOTS im März drei Konzerte spielen würden. Ich hatte die große Ehre, das Trio vor seinem Berliner Konzert in der Berghain-Kantine interviewen zu dürfen. Für mich war es sehr aufregend, schließlich hatte ich im Vorfeld nur kurzen Mailkontakt mit Susi Bumms. Sie hatte mich darüber informiert, gerne ein Interview zu geben, aber doch bitte ohne Fotos. Irgendwie fühlte sich dieses Treffen wie ein echtes Blind Date an.
Die SCREENSHOTS hätten sich vor dreißig Jahren nach eigenen Angaben beim Bund, am schwarzen Brett bei Real oder beim Fliesenlegen kennen gelernt. Das allererste Konzert der drei, am Vorabend in Hamburg absolviert, beschreibt Dax als „trockenen Sprung vom 10-Meter-Turm ins kalte Wasser, ohne Anlauf.“ Ob es ein Sprung war oder sie geschubst wurden, stand während des Interviews noch zur Debatte. Wohin dieser freie Fall führen wird, beantwortet er folgendermaßen: „Vor einem Jahr war es nicht absehbar, dass wir heute Abend hier sitzen, ein Interview machen und gleich ein Konzert spielen. Man muss sich da ins Gewissen reden, dass es nicht normal ist, und wir viel Glück haben. Das sollte man genießen. Es kann morgen schon vorbei sein, weil wir keinen Bock haben oder sonst irgendwas. Jetzt gerade macht es Spaß. Gestern hat es Spaß gemacht. ‚Neo Magazin‘ hat Spaß gemacht. Cool!“ Kurt geht da noch einen Schritt weiter: „Wir müssen die Leute kriegen, die in den OBI gehen. Ich möchte, dass unsere Songs im Baumarkt laufen und dort samstags ein SCREENSHOTS Song nachhallt.“ Dax ergänzt: „Am konsequentesten wäre eine Raststättentour.“
Dass die Band nicht in Genrekategorien denkt, beweist sie bei der Auswahl des Supports. In Berlin und Köln beispielsweise hatten sie den befreundeten Rapper MC SMOOK im Vorprogramm. Susi beschreibt den in einem anderen Interview genannten Cloud Rap als Inspiration folgendermaßen: „Nicht unbedingt wegen der Musik, sondern vor allem wegen der Arbeitsweise. Wir fühlen uns wohl damit, Sachen schnell zu veröffentlichen, gerne auch einen Schritt weniger darüber nachzudenken. Das ist als Arbeitsweise eben ein wenig wie bei Cloud Rap.“ Kurt fügt hinzu: „Die Arbeitsweise von Cloud Rap begeistert einen irgendwie. In der klassischen Rocksozialisation ist so eine gigantische Nostalgie. Alles wirkt nur noch wie ein Zitat. Cloud Rap hat so ein Tempo und so eine Geschwindigkeit, dass neue Sachen entstehen. Da ist sehr viel Müll dabei, aber manche Sachen sind total wegweisend. Dieses Tempo der Arbeitsweise ist total beeindruckend. Ansonsten haben wir eine klassische Rocksozialisierung.“
Diese schnelle Arbeitsweise spiegelt sich auch bei den Aufnahmen zu „Europa“ wieder. Nach nur wenigen Proben wurden die Songs in zwei Etappen im Studio eingespielt. Das hatte auch einen Grund, den Kurt folgendermaßen erklärt: „Wir haben im Proberaum gemerkt: Wenn die Energie weggeht und wir uns Gedanken machen wie ,Das reicht jetzt nicht‘ oder ,Das muss jetzt cooler sein‘, dann funktioniert das nicht. Unsere Aufmerksamkeitsspanne ist generell relativ begrenzt. Wir können uns auch nicht viele Sachen merken, was man dann in den Vorbereitungen für die Tour merkt.“
Zum Ende des Interviews berichten die Drei noch von ihren jüngsten Beobachtungen im Music Store. Dort kauften sich Dax und Susi einen Verstärker. „Beeindruckend waren diese Testkammern, wo Leute Gitarre spielen. Man hat das Gefühl, dass da irgendwie auch Dates passieren. Die Idee finde ich total cool. Das Date läuft dann so, dass der Mann die ganze Zeit spielt und die Frau schaut zu. Das haben wir live so gesehen, das fand ich stark“, kommentiert Dax das Geschehen. Kurt hat das Ganze ebenfalls verfolgt: „Sie sitzt vor ihm, er spielt ein MANOWAR-Solo und ist voll drin. Sie guckt ihn halb gelangweilt, halb beeindruckt an. Dann gehen wir eine Kabine weiter und denken ‚Oh cool, hier spielt eine Frau, die testet eine laute Gitarre‘, gehen einen Schritt weiter und sehen, wie der Typ von hinten sich über sie beugt und den Akkord für sie greift. Und rechts neben dir steht der Music Store-Mitarbeiter und du denkst dir, er haut dir gleich aufs Maul. Aus irgendeinem Grund. Das erdet einen, es war geil.“
Susi hat der Besuch des Musikgeschäfts zum Weinen gebracht: „Mich hat das alles fertig gemacht, kein Wunder dass ich da weinen musste.“ Auf der Bühne stand aber keine weinerliche Susi, sondern eine starke Bassistin. Insgesamt war das Konzert wie ein Gang ins Freibad bei richtig gutem Wetter. Ich wünsche mir, dass unsere Tochter später einen Baumarkt leitet und die SCREENSHOTS auflegt.
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