Langsam sollte es eigentlich jeder mitbekommen haben – ganz im Norden Europas gibt es ein Land mit etwa fünf Millionen Einwohnern, was bedeutet, dass auf einen Quadaratkilometer etwa 15 Einwohner kommen. Dieses einsame Stück europäischer Erde heißt Finnland und ist eine der weltweit anerkannten Aufzuchtfarmen für brillante Rock‘n‘Roll-Kapellen. Ganz genau, vergesst das mit dem Lachs oder der Papierindustrie. In einem Land mit derart viel Platz für Garagen ist es kaum verwunderlich, dass Rock‘n‘Roll und Artverwandtes ausgerechnet dort oben so prächtig ins Kraut schießt. Im Herbst 2002 fühlte sich eine der dort ansässigen Zuchtkooperativen berufen, namentlich Levy-fame-of-LORDI-Yhtiö, mal wieder ein für den Europäischen Festlandsmarkt designtes Qualitätsprodukt auf Konzertreise durch die hiesigen Untergrund-Clubs zu schicken. Und zwar die SCREAMIN‘ STUKAS, die seit Erfindung der FLAMING SIDEBURNS schmissigste Rock‘n‘Roll-Band Finnlands. Seit Jahren ist das Quartett aus Lahti unter dem Namen TEHOSEKOITIIN mit eher Suomi-typischem, finnischsprachigem Teenie-Knuffel-Rock auf heimischer Scholle extrem erfolgreich. Das zeigte sich in der jüngeren Vergangenheit an regelmäßigen Chartplatzierungen bei so ziemlich jeder Veröffentlichung der Band bzw. reißender Nachfrage bei den Veranstaltern finnischer Monster-Open-Airs in den Sommermonaten. Aber auch in TEHOSEKOITIIN steckt ein rauer Kern bzw. schlägt das Herz des Rock‘n‘Roll. Und genau das führte vermutlich dazu, dass die SCREAMIN‘ STUKAS ans Licht der Welt gehievt wurden, um die Welt mit englisch betexteten Rock‘n‘Roll-Hymnen bzw. ihrem, nichts weniger als großartigen Debüt-Album „A Lotta Rhythm“ zu beglücken. Wer die Band auf ihrer 2002er Deutschland-Tour zusammen mit den Finnen DISGRACE live gesehen hat, weiß, was für eine explosive Mischung sich da auf der Bühne entfaltet. Höchstnoten in Sachen Posing, Hooklines, Ausstrahlung und blanker Power! Als stünde eine Inkarnation von Sternstunden der KINKS, SWEET oder WHO gemeinschaftlich auf der Bühne. Und so schwer das auch vorstellbar sein mag, da wirken weder die Schlaghosen (bei Bassist & Gitarrist) noch Daltreysche Lockenmähne und 70er Streifenanzug beim Sänger peinlich. Ließe sich locker auch im deutschen Musikfernsehen nachprüfen, vorausgesetzt dort würde man eines der grandiosen Videos der STUKAS einsetzen. Matt Stuka, seines Zeichens Gitarrist der Band, hat per Elektropost auf Herrn Mäkkeläs Fragen geantwortet.
Ihr seid aus Lahti in Finnland. Gibt‘s irgendwas unbedingt Erwähnenswertes an dieser Stadt? Was könntest du empfehlen? Gibt es wenigstens eine brauchbare Musikszene dort?
„Nein, ich würde empfehlen, woanders hinzugehen. Es gibt da nur Skisprung-Wettbewerbe, aber wer will schon einen Skisprung-Wettbewerb sehen?!“
Ihr seid in Finnland als TEHOSEKOITIIN ziemlich bekannt, spielt da aber deutlich softere Musik als die STUKAS. Was hat euch dazu gebracht, dieses SCREAMIN‘ STUKAS-Ding zu machen?
„Ich denke, die Musik beider Bands ist ziemlich ähnlich. Die STUKAS können durchaus auch ‚softe‘ Nummern spielen. Wie es dazu kam? Ich denke, Finnland wurde uns einfach ein bisschen zu klein. Zumindest hielten wir es für eine lustige Idee, auch woanders zu touren. Und natürlich klingen englische Wörter echt cool, so was wie ‚Alabama‘ oder ‚Whiskey‘, haha. Na ja, nicht wirklich, aber die finnische Sprache klingt dagegen wie krptlkpkrkprkrtprk, haha.“
Wann habt ihr angefangen, Musik zu machen?
„Seit uns Haare auf den Eiern wachsen. Aber keine Ahnung, warum wir eigentlich angefangen haben, Musik zu machen.“
Eure Nachnamen scheinen ja alle „Stuka“ zu sein, das erinnert an die RAMONES. Seid ihr von denen beeinflusst?
„Wer ist das nicht? Ich denke mal, es ist was nicht in Ordnung mit einer Band, wenn sie nicht von den RAMONES beeinflusst ist.“
Auf „A Lotta Rhythm“ könnte man aber den Eindruck bekommen, ihr seid eine Retro-Rock‘n‘Roll-Band. Seid ihr hauptsächlich von 60er/70er-Musik beeinflusst? Hat Punkrock für euch eine Rolle gespielt?
„Klar sind die 60er und 70er ein ganz wichtiger Einfluss für uns. Ich hatte natürlich auch meine Nieten und Sicherheitsnadeln in den 80ern, ja, ich war ziemlich Punk. Aber wenn wir‘s schon über energiegeladene Musik reden: Ich finde THE WHO oder 50er-Rockabilly erheblich mehr Punk als GBH.“
Wer schreibt bei euch die Songs?
„Ich mache hauptsächlich die Musik, und Otto, unser Sänger, schreibt die Texte.“
Sieht so aus, als würde es in Skandinavien auffällig gute Garage-Rock-Bands geben. Kannst du dir erklären, warum?
„Vielleicht ist es eine Modeerscheinung wie alles andere auch? So wie: ‚Oh, diese Jungs scheinen echt Spaß zu haben, lass uns das auch machen!‘“
Gibt es irgendeine in Deutschland unbekannte, finnische Band, die du uns empfehlen würdest?
„Eine heißt LIEKKI und ist super. Ich hoffe, die machen mal was für den deutschen Markt.“
In den letzten beiden Jahren seid ihr ziemlich in Europa rumgekommen. Wo wart ihr überall auf Tour?
„Ich glaube, wir waren ewig in England unterwegs. Ich habe das Land fast ein bisschen satt. Trübes Wetter und grauenhaftes Essen ...“
Was hat euch am Spielen in Deutschland gefallen, wenn es was gab?
„Ja, es war echter Komfort! Alles in Deutschland scheint irre gut organisiert zu sein, was wir sehr schätzen. Schöne Clubs, freundliche Leute.“
Wann werdet ihr wieder in Deutschland auf Tour sein?
„Nächsten Herbst hoffentlich.“
Der seltsamste Auftritt, den ihr jemals gespielt habt?
„In England gab es einige ‚What the hell are we doing here?‘-Erfahrungen, etwa mit Clubs, die kleiner waren als meine Küche. Aber dank einer bescheidenen Einstellung, etwas Humor, und weil wir den Blues richtig ausgekostet haben, hatten wir damit keine allzu großen Probleme.“
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #55 Juni/Juli/August 2004 und Mäkkela
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #52 September/Oktober/November 2003 und Joachim Hiller