SCHWARZEN SCHAFE

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Live in Argentinien

Die Düsseldorfer Punkband DIE SCHWARZEN SCHAFE war Ende September 2019 für zwei Wochen in Argentinien auf Tour. Gitarrist Volker erzählt uns etwas über die dort gespielten zehn Konzerte, die Energie der dortigen Punk-Szene und die Menschen vor Ort. Die weiteren SCHWARZEN SCHAFE sind Armin (voc), Hendrik (bs) und Schwarze (dr).

Argentinien 2019. Nach dem letzten unserer zehn Konzerte saßen wir vollkommen überwältigt im Backstage zusammen, haben Bier getrunken und versucht, in Worte zu fassen, was da gerade passiert ist – doch das hat keiner von uns hingekriegt. Die ganze Tour war so unglaublich und so anders, als wir es uns vorgestellt und erhofft hatten. Ich spiele seit 2006 Gitarre bei DIE SCHWARZEN SCHAFE und habe mit der Band um die 300 Gigs absolviert. Keiner davon ist vergleichbar mit einem der zehn Konzerte in Argentinien. Und das geht auch den anderen so. Natürlich haben wir hier oder in anderen europäischen Ländern viele tolle Gigs gespielt, aber diese Form von Begeisterung, Freude und positiver Energie, die die argentinischen Punks uns entgegengebracht haben, ist tatsächlich einzigartig.

Ich meine, quasi niemand dort kannte uns vorher. Die Leute kamen zum einen, weil sie neugierig auf die Punkband aus Deutschland waren. Geholfen hat uns hier bestimmt auch, dass wir aus Düsseldorf kommen, so wie eben auch DIE TOTEN HOSEN. Die kennt in Argentinien wirklich jede*r und die werden dort in einem Atemzug mit den RAMONES genannt. Irgendwie wurden wir also mit den Hosen in Verbindung gebracht. Einige Konzerte haben wir zudem mit der in Argentinien sehr populären Band CADENA PERPETUA gespielt. Die sind dort so bekannt wie hier zum Beispiel die BEATSTEAKS und füllen in Südamerika jede Halle. Wir hatten das Glück, direkt die ersten beiden Gigs in der Stadt La Plata mit ihnen zu spielen, und alleine deshalb war es bei den ersten Konzerte voll. Insgesamt haben wir fünfmal mit ihnen die Bühne geteilt.

Die argentinischen Punks singen gerne! Jeder einzelne Song von CADENA PERPETUA wird von allen Leuten und durchgehend mitgesungen. Wenn es keinen Text gibt, wird das Gitarrensolo mitgegrölt. Wenn es kein Gitarrensolo gibt, werden Backing-Chöre improvisiert. Und das haben die bei uns auch gemacht. Niemand kannte auch nur einen Song von uns, geschweige denn die Texte, aber gesungen haben sie trotzdem. Am Anfang etwas verhaltener, am Ende ging es ab!

Die ersten beiden Gigs waren beide im selben Club. Schon am zweiten Abend kamen dann einige Leute extra wegen uns, und diese Leute – und noch ein paar mehr – haben wir dann immer wieder bei unseren Auftritten in anderen Läden getroffen. Nach den Shows wollten die Leute Autogramme von und Fotos mit uns! Das passiert hier auch hin und wieder mal ganz vereinzelt, in Argentinien war das an jedem Abend so. Die Menschen dort hatten richtig Bock, mit uns in Kontakt zu kommen und mit uns zu quatschen – das hat viel Spaß gemacht.

Das ganz große Highlight gab es für uns so nicht, weil tatsächlich jeder Abend toll war. Egal ob wir in größeren Hallen vor 600 Punks gespielt haben oder in kleinen Clubs vor 100 – da war immer diese besondere Atmosphäre! Eine für uns ganz neue Erfahrung war ein Akustik-Gig in einem Büro der argentinischen Anarchisten in Buenos Aires. In solche Läden kommt man nicht als Tourist, und wir freuen uns, dass wir dort spielen konnten. In Mar del Plata haben wir in einem Club gespielt, den man mit einem AZ vergleichen kann. Der war im achten Stock einer Bibliothek untergebracht, in der sich auch ein großes Archiv mit anarchistischer Literatur und Zeitschriften befindet. Wir haben eine private Führung durch dieses Archiv bekommen und sind nachhaltig beeindruckt. Mit Punks von anderen Bands dieses Abends und mit einem der Archivare waren wir nach diesem Konzert noch feiern. Das war der wohl heftigste Abend der Tour, aber klar, gefeiert wurde nach jedem Konzert.

Da die Getränkepreise in den Clubs wirklich sehr günstig sind, war es kein Problem weiter zu trinken, auch wenn das Backstage-Bier leer war. Man muss erwähnen, dass es hier standardmäßig Bier nur in 1-Literflaschen zu kaufen gibt. Eine Eskalation war auch der Gig im Detroit Club in Morón. Der Wirt hat uns abgefüllt, das war nett von ihm. Der Club an sich war jedoch etwas seltsam. Das Publikum hat an Tischen gesessen und Pizza gegessen, während wir uns den Arsch abgespielt haben. Wir sind gut angekommen, aber das war irgendwie ein komisches Setting. Elf Tage feiern und gefeiert werden hinterlässt natürlich Spuren. Wir waren alle angeschlagen und haben tagsüber versucht, uns zu regenerieren und dabei etwas von der Stadt zu sehen. Pünktlich zum Konzert war aber bei allen auch die Energie wieder da.

Dass das so möglich war, lag auch an unserem großartigen Tourmanager Hernán. Der hat sich wie eine Mutter um uns gekümmert, uns zu den Konzerten gefahren, sich um unser Merchandise gekümmert, uns sogar bekocht und dafür gesorgt, dass wir auch Zeit zur Erholung hatten. Und feiern kann der auch! Hernán, du bist der Beste! Ungewöhnlich für uns war, dass wir bei ein paar Gigs ein professionelles Team zur Seite hatten. Eigentlich waren das der Manager, Stage-Manager und die Roadies von CADENA PERPETUA, aber die haben ihren Job auch für uns gemacht. Der Zeitplan war an diesen Abenden immer recht straff und ohne diese Hilfe wäre es mitunter schon eng geworden.

Ihr habt das sicher mitgekriegt: Die Menschen in Argentinien haben kein Geld. Die Inflation frisst alles auf und man bekommt viel Armut mit. Der Eintritt zu unseren Konzerten hat umgerechnet höchstens fünf Euro gekostet – auch wenn CADENA PERPETUA mit dabei waren. Wir haben viele Leute erlebt, die gerade mal so irgendwie den Eintrittspreis übrig hatten – Geld für Getränke, etwa einen Euro für eine Literflasche Bier, war nicht mehr drin. Gekommen sind sie trotzdem und haben mit uns gefeiert. Wir hatten extra für die Tour eine Best Of-CD namens „Contra El Tiempo“ mit 21 Songs zusammengestellt. Im Booklet steht für jeden Song eine kurze Zusammenfassung des Textes auf Spanisch – das kam gut an. Wir sind dann aber recht schnell dazu übergegangen, diese CDs und auch unsere T-Shirts zu verschenken, und konnten uns so zumindest irgendwie für den unfassbaren Support bedanken.

Auch abseits der ganzen Tour haben wir viel erlebt. Zum Beispiel sind wir in der Stadt La Plata direkt am ersten Abend mit einem großen argentinischen Trauma konfrontiert worden. Bis in die Neunziger Jahre hat das argentinische Militärregime politische Gegner verschwinden lassen. Diese Menschen wurden auf offener Straße oder auch aus ihren Wohnungen entführt. Die meisten sind nie wieder aufgetaucht und die, die zurückkamen, berichten von Folter und Vergewaltigung. Mittlerweile steht fest, dass viele der Opfer betäubt und aus Flugzeugen ins offenen Meer geworfen wurden. Bis heute gedenken die Angehörigen den Desaparecidos, den Verschwundenen. Wir haben einige dieser Angehörigen kennen gelernt und somit auch eine dunkle Seite der argentinischen Geschichte.

Eine schöne Erfahrung abseits des Tour-Alltags war die Art und Weise, wie man sich begrüßt. Es ist so, dass man sich unmittelbar, nachdem man einander vorgestellt wurde, küsst. Und zwar nicht so angedeutet, wie man das auch von hier kennt, nein, es ist ein dicker, mitunter feuchter Schmatzer auf die Wange oder auch auf beide. Egal ob Mann* oder Frau*, alt oder jung, befreundet oder bis dato völlig unbekannt. Das macht etwas sehr Sympathisches mit der Stimmung innerhalb einer Gruppe oder auch eines ganzen Clubs. Wir mussten uns da kurz dran gewöhnen, aber dann war das eine gute Sache und wir haben alle noch nie so viele bärtige Männerküsse bekommen – und gegeben – wie auf dieser Tour!

Die Jungs von CADENA PERPETUA und deren Crew sind unsere Freunde geworden. Die tollen Gespräche backstage vor und nach den Konzerten haben uns einander näher gebracht. Auch als Band hat uns diese Tour zusammenschweißt und wir sind musikalisch gewachsen. Mit vielen Leuten, die wir dort kennen gelernt haben, sind wir nach wie vor in Kontakt. Im Herbst 2020 geht es wieder nach Argentinien und eventuell noch in andere südamerikanische Länder – wir werden sehen, wo es uns hinführt. Die Planungen laufen auf jeden Fall und Hernán nimmt bereits Kontakt zu den ersten Clubs auf. Bis dahin nehmen wir ein neues Album auf! Ab Mitte des Jahres spielen wir wieder live in Deutschland ... Bis dahin ein dicker, bärtiger Kuss von den Schafen!

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