SCHERBEN

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Eine Gefahr für die Gesellschaft

Wozu in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Die spannendsten Bands entdeckt man oft vor der Haustür, so erging es mir vor ein paar Monaten. Nachmittags die eben zugesandte LP besprochen, abends im Düsseldorfer AK47 die Band live gesehen und geplättet gewesen. So ging es bald darauf wohl auch Alex von Kidnap Music, wo die Platte gerade neu aufgelegt wurde. Zeit für ein paar Fragen an die Band. Hier die Antworten von Marlon.

Als eure 12“-EP im Januar kam, habt ihr im Begleitbrief geschrieben: „Wir sind SCHERBEN aus Düsseldorf/Krefeld und machen Punk [...] irgendwo zwischen Pöbelei/Politik/Misanthropie/Vorschlaghammer.“ Letztere vier Begriffe bitte ich mal zu erläutern – sind das eure Punk-Grundwerte ...?


Diese vier Worte sind mir spontan eingefallen, als es hieß, beschreibt euch mal als Band. Es wurde dann von allen als gut befunden und drückt letztendlich auch ganz gut aus, wohin die Reise inhaltlich so geht. Außerdem klingen diese vier Wörter hintereinander auch ganz geil oder?

„Alter Punk“ auf der B-Seite rechnet mit der „Damals in den Achtzigern war alles besser“-Fraktion ab. Gibt es dazu reale Personen oder ist das eine generelle Beobachtung auf Konzerten oder in den Social-Media-Kommentaren, die ihr als junges Gemüse mal ansprechen wolltet?

Die Beobachtungen liegen bei mir auch schon etwas in der Vergangenheit, als man als 17-Jähriger öfter belächelt wurde und sich immer mal anhören musste, wie viel geiler alles früher war und dass man ja selbst gar keine Vorstellung davon haben könnte, wie es war, die eine oder andere Band in Originalbesetzung live gesehen zu haben. Man kann das aber auch leicht auf andere Sachen übertragen. Ich habe großen Respekt vor Leuten, die seit vielen Jahren, ohne wirklich etwas daran zu verdienen, Konzerte organisieren, für den Abend kochen, nach dem Konzert den Raum fegen, politische Arbeit leisten etc. Sich aber darüber zu definieren, um dann besser dazustehen, schießt an der Sache vorbei ... Das ist mir zu sehr „von oben herab“. Das fand ich früher schon peinlich und heute sogar noch mehr. Und „junges Gemüse“? Unseren Altersdurchschnitt möchte ich dann hier mal nicht erwähnen, haha.

Ich mag euer wütendes Auskotzen gegen alles und jeden und vor allem Deutschland in „Deutschland am Samstag“. Welche realen Alltagsbeobachtungen liegen dem zugrunde?

Es fällt mir schwer, darauf eine halbwegs kurze Antwort zu verfassen, aber ich versuche es mal. In den letzten Jahren hat sich die Gesellschaft in der Öffentlichkeit noch einmal ein gutes Stück nach rechts bewegt. Mit dem Aufkommen von PEGIDA und der sich immer weiter rechts positionierenden und dadurch beliebter werdenden AfD, war es auf einmal wieder normal, bestimmte Sachen in einer lange nicht mehr dagewesenen Ekelhaftigkeit zu thematisieren. Diese Leute waren vorher auch schon da, aber durch diese Prozesse hat eine Art „Entfesselung“ stattgefunden, deren Resultat man nun gesamtgesellschaftlich überall zu spüren und hören bekommt. Deshalb auch Gift und Galle gegen diese Scheiße.

Ist Punk heute sowieso viel zu zahm?

Vor SCHERBEN: ja. Mit SCHERBEN: wieder eine Gefahr für die Gesellschaft.

Ich würde euch mit TARGET OF DEMAND, RAZZIA, NEUROTIC ARSEHOLES und SLIME vergleichen. Liegt der alte Punk daneben, was hat er vergessen?

Ich als großer Achtziger-Jahre-Deutschpunk-Fan bin geschmeichelt, mehr davon!

Euer Erfolg ist unaufhaltbar, Kidnap haben euch gesignt. Wie geht es weiter?

Natürlich werden wir weiterhin immer schlechter werdende Konzerte spielen, uns dann auflösen, um anschließend die extra zurückgehaltenen Platten auf eBay für viel Geld zu verkaufen, dann natürlich Reunion und jedem ungefragt erzählen, dass früher alles geiler war und schließlich mit viel zu hohen Gagen den ganzen Laden richtig ausbluten lassen! Kleiner Auszug aus dem bandinternen Zehn-Jahres-Plan.