SCARED OF CHAKA

Sie sind alte Bekannte: SCARED OF CHAKA, ursprünglich in Albuquerque, New Mexico ansässig und mittlerweile nach Seattle umgesiedelt, waren schon zweimal auf Europatour und haben mittlerweile eine Handvoll großartiger Platten veröffentlicht. Nach den Frühwerken auf 702 Records und Empty USA und dem „Tired Of You“-Album von 1999, auf dem Hopeless-Unterlabel Subcity erschienen, geriet der Punkrock-Motor des Trios allerdings etwas aus dem Takt: Bassist weggelaufen, Europatour in letzter Sekunde abgesagt, Beinah-Auflösung, Umzug - und dann mit „Crossing With Switchblades“ doch noch ein neues Album, zum Glück. Ich unterhielt mich mit Dave Hernandez, Sänger und Gitarrist.

Letztes Jahr solltet ihr auf Europatour kommen, aber in allerletzter Minute habt ihr die Tour abgesagt. Was war geschehen?


Wir hatten ein Problem mit unserem Bassisten. Wir waren in New York, von wo aus der Flug gehen sollte, und einen Tag vor dem Abflug verpisste sich unser Bassmann. Wir hatten die Tickets, wir hatten eine fertig gebuchte Tour, und der haute ab! Naja, er hat das Touren nicht verpackt. Er war ein naives Punk-Kid, das vorher nie aus der Stadt rausgekommen war, und dann mit uns und DILLINGER 4 auf Tour zu gehen, war wohl ein massiver Schock für ihn. Er hat kaum was getrunken, und in New York hatte er dann einen Nervenzusammenbruch.

Und dann?

Was sollten ich und Ron denn tun? Wir haben die Tour gecancelt, und Ron fuhr unseren Van zurück nach Albuquerque, während ich in New York bei meiner Freundin blieb. Ich wohnte dann ein paar Monate in New York, hatte überhaupt nichts mit der Band am Hut. Dann fingen Ron und ich allmählich an, über die Zukunft von SCARED OF CHAKA nachzudenken, und uns wurde klar, dass wir ein neues Album aufnehmen wollen und auch touren. Wir entschieden uns, aus Albuquerque wegzugehen, und so zog ich nach Seattle, wo ich derzeit in einer Kneipe arbeite, und Ron ging nach Portland, was aber nicht weit entfernt ist.

Warum Seattle?

Wir brauchten einfach eine Luftveränderung. Wir kennen eine Menge Leute hier in der Stadt, etwa die MURDER CITY DEVILS oder Blake von unserem früheren Label Empty Records USA. Und dann ist die Szene hier einfach besser als in New Mexico, du hast viel mehr Support als Musiker.

Im Booklet eurer neuen CD findet sich die Anmerkung „recorded in Seattle during an earthquake, a riot and a car heist“. Erklären, bitte!

Zu der Zeit, als wir im Studio waren, gab es in Seattle dieses große Erdbeben. Nach den Aufnahmen waren wir noch was trinken gegangen und hingen danach bei einem Freund ab, als plötzlich am frühen Morgen dieses 6,5 Punkte starke Erdbeben kam. Ich hatte das vorher noch nie erlebt, es war unglaublich: du hattest das Gefühl, das ganze Haus rutsche einen Berg hinunter. Ich war noch völlig verkatert, und Ron und ich hingen völlig verpeilt vor der Glotze, als es losging. Zuerst klang es, als ob ein Zug immer näher kommt, doch dann wurde es immer stärker, Bilder fielen von der Wand, es war echt verrückt. Zum Glück wurde niemand verletzt, aber die Schäden waren riesig. Soviel zum Thema Erdbeben. Das mit dem Riot ging ganz ähnlich los: nach dem Studio gingen wir noch was trinken, und auf der Strasse wurde Karneval gefeiert, Mardi Gras. Danach ging downtown ein heftiger Riot ab, die Leute warfen Schaufensterscheiben ein und so weiter. Und wir saßen nur ein paar hundert Meter weiter in der Kneipe und bekamen so gut wie gar nichts mit. Was den Autodiebstahl anbelangt, so war Ron der Leidtragende. Wir kommen nach einer langen Nacht im Studio morgens um sechs vor die Tür und was müssen wir feststellen? Rons Auto ist weg! Eine Woche lang war es verschwunden, dann kam ein Anruf von den Cops, er könne es abholen. Pech für ihn, denn als er die Tür öffnete, kam ihm ein unglaublicher Gestank entgegen. Offensichtlich hatten da Obdachlose drin gewohnt. Es stank, als ob da vierzig Leute drin gestorben und verrottet wären, hehehe. Natürlich hat er das Auto heute immer noch, er hatte kein Geld einen neuen Wagen zu kaufen und ballerte stattdessen Duftspray rein wie blöde. Die Versicherung musste ja nicht zahlen, weil das Auto nicht endgültig gestohlen worden war, und Ron durfte dann auch noch bei den Bullen für das Abschleppen bezahlen.

Tja, Pech, dass der Wagen wieder aufgetaucht ist.

Ja! Und vor allem ist es unglaublich, dass diesen schrottigen alten Subaru überhaupt jemand geklaut hat, denn dazu kommt, dass der Keilriemen die ersten Minuten nach dem Anlassen immer ein höllisches Gekreische veranstaltet. Der arme Kerl, der den Wagen geklaut hat, muss nach dem Anlassen Höllenqualen gelitten haben, hehe. Leider saßen wir ja vom Straßenlärm abgekapselt im Studio, also hat uns das auch nicht geholfen.

Wie habt ihr denn aufgenommen?

Nur zu zweit: Ich habe Gitarre und Bass gespielt, Ron Schlagzeug, und gesungen haben wir beide. Am Mischpult saß Mike Easton, ein alter Freund von uns aus Albuquerque. Wir hatten eine Menge Spaß im Studio, und ich finde, das ist unser bislang bestes Album. Wie findest du´s denn?

Mir gefällt es auch sehr gut, aber es gab ja bislang auch noch kein schlechtes SCARED OF CHAKA-Album. Interessant finde ich bei euch, dass ihr euch von Album zu Album steigert und immer auch ein bisschen verändert, wobei man eine konstante Entwicklung, weg vom klassischen Punkrock hin zu Sixties-Punk, beobachten kann.

Ja, das stimmt schon. Wenn wir auf Tour sind, hören wir im Van vor allem Sixties-Sachen und Seventies-Rock, Sachen wie die FLYING BURRITO BROTHERS, auf die Ron derzeit total steht. Ich höre zur Zeit gerade viel Alice Cooper, und wenn es um neue Bands geht, dann sind es solche, die irgendwie alt klingen, etwa die WHITE STRIPES oder THE GOSSIP.

Bei „You´re fired“ vom neuen Album ist die Gitarre ganz eindeutig von MOTÖRHEAD geklaut.

Oh ja, da ist auf jeden Fall MOTÖRHEAD drin... Das war zwar keine Absicht, aber hinterher fiel mir auch auf, dass das „Ace of spades“ ist. Lügen hilft ja jetzt nichts mehr, hehe. Übrigens war anfangs gar nicht geplant, dieses Album unter dem Namen SCARED Of CHAKA zu veröffentlichen.

Warum?

Ron und ich dachten, die Platte sei viel zu untypisch für SCARED OF CHAKA, und so hatten wir vor, sie unter einem anderen Namen rauszubringen. Louis von Hopeless meinte aber, unsere Fans seien es durchaus von uns gewohnt, mal mit neuen Klängen konfrontiert zu werden und wir sollten doch bei SCARED OF CHAKA bleiben. Die Platte ist ja auch irgendwie in drei Teile gegliedert: die Songs am Anfang, dann in der Mitte drei ruhigere Songs inklusive einem sehr powerpoppigen, und der Rest dann schneller, harter Rock. Wir dachten uns, wir fangen an wie bei einer ganz normalen SOC-Platte, schieben dann die langsameren Pop-Songs ein und hauen den Leuten zum Schluss den Rock um die Ohren.

Ihr habt auch „It´s alright with me“ von den ZOMBIES gecovert.

Ja, das ist ein eher unbekannter ZOMBIES-Song, den nicht jeder gleich erkennt. Im Gegensatz zu einem bekannten Original hat man so die Möglichkeit, wirklich eine eigene Interpretation abzuliefern, ohne gleich mit dem Original verglichen zu werden. Da singt auch Ron, der mehr schreit als ich. Wie findest du eigentlich unsere Coverversion von „Self destructo bust“ vom TURBONEGRO-Tribut-Album?

Richtig, ihr seid ja auf der Bonus-CD. Gefällt mir gut, eben weil nicht so nah am Original.

Ja, und ich denke, eine Coverversion kann auch nur in die Hose gehen, wenn man versucht, sich Akkord für Akkord ans Original zu halten. Da kommt immer nur eine schlechte Kopie dabei heraus, denn wenn man das Original hören will legt man eben gleich TURBONEGRO auf. Die US-Version von „Alpha Motherfuckers“ ist ja auf Hopeless erschienen, und da sind wir nicht auf der Bonus-CD, sondern gleich hinter den SUPERSUCKERS auf Platz 5 der normalen CD. Wir haben seinerzeit in Deutschland ein paar Konzerte mit TURBONEGRO gespielt, und es war echt eine unglaubliche Erfahrung.

Wie läuft´s denn sonst für euch?

Es hat uns schon geholfen, zu Subcity bzw. Hopeless zu gehen, und es hätte sicher noch mehr geholfen, wenn wir vernünftig auf Tour hätten gehen können. Aber nach dem Ausstieg von Dameon ging eben der Trouble mit dem Bassisten los, das war ein Domino-Effekt von Pech.

Warum ist Dameon denn ausgestiegen?

Er ist nicht nur Musiker, sondern auch Künstler, Maler, und wollte einfach mehr Zeit für seine Bilder haben. Aber wir sind immer noch Freunde. Beim neuen Album bin ich jetzt zuversichtlich, dass wir mehr auf die Reihe bekommen werden, also eine vernünftige Tour und so. Ausserdem ist die Platte jetzt „richtig“ bei Hopeless.

Warum der Wechsel vom Unterlabel Subcity zu Hopeless?

Wir sind eigentlich keine politische Band, und die Bands auf Subcity haben ja alle irgendein Anliegen und ein Teil des Gewinns wird gespendet. Es war für uns okay, das Geld zu spenden, aber realistisch gesehen sind wir keine Band, die in politischer Hinsicht irgendwas zu sagen hat. Wir machen Musik, machen eher Witze über Politbands, und da war das eigentlich unehrlich von uns. Louis hatte dafür Verständnis, bot uns den Wechsel zu Hopeless an, und wir waren damit einverstanden.

Habt ihr mittlerweile einen festen Bassisten gefunden?

Ja, Nummer 5. Und es ist eine Bassistin. Sie ist jung, sieht gut aus und heisst Gwen - alles ist perfekt! Sie ist echt gut am Bass. Kennst du die BRIEFS? Eine klasse Band von hier, und sie ist die Freundin des Schlagzeugers der BRIEFS. Die Tour, von der wir eben zurückgekehrt sind, war die erste mit ihr, und es lief gut.

Und was halten eure Freundinnen davon, dass ihr mit ´ner anderen Frau auf Tour seid?

Meine Freundin kennt sie, die kommt damit klar. Sowas wie Eifersucht gibt´s da nicht, und die Goldene Regel für jeden Musiker ist sowieso, niemals was mit jemandem aus der eigenen Band anzufangen - und natürlich wird diese Goldene Regel auch immer wieder mal verletzt... Nein, wir sind nur gute Freunde, sie ist für mich und Ron wie eine kleine Schwester.

Äh, aber wenn ´ne Frau dabei ist, werden doch andere Witze gemacht, nicht so viel gerülpst und gefurzt, oder?

Naja, also Gwen ist ja auch keine Unschuld vom Lande, die kann auch schon gut trinken, aber wir versuchen eben auch uns...

...zu benehmen?

Hehe, ja. Nicht mal bewusst, aber wo du vorher einfach gefurzt hast, überlegst du jetzt, ob du das nicht besser lässt. Oder auf der Hand liegende blöde Scherze: Ist Gwen in der Nähe? Na dann eben nicht. Dabei hätte sie wohl gar nicht mal was dagegen, sie hat echt Spaß mit uns. Es ist auf jeden Fall eine neue und gute Erfahrung, und live sind wir auch besser als je zuvor, ich und Gwen harmonieren echt sehr gut.

Wie sieht´s denn mit einer Europatour aus?

Keine Ahnung. Wir werden im Herbst nochmal in den USA touren, aber dann haben wir schon vor, mal wieder zu euch zu kommen.

Danke!

P.S.: Vor ein paar Tagen kam eine eMail von Dave, in der erzählte, dass man neulich in Rons Auto eingebrochen habe - woraufhin die Fotosession platzte...