Als SANKT OTTEN 1999 starteten, war TripHop das große Ding und Post-Rock was für ganz obskure Hinterzimmer. Mit dem Wandel der Wahrnehmung jener Stile hat sich auch der Sound von SANKT OTTEN verschoben, begeistern SANKT OTTEN auf ihrem vierten Album „Immer wieder lustig“ (Denovali) mit einer ganz eigenen Mischung aus flächigen, spacigen, filmmusikhaften Sounds einerseits und an KRAFTWERK erinnerndem Synthesizer-Einsatz andererseits. Oberster Heiliger ist Stephan Otten, der für Elektronik und Schlagzeug verantwortlich ist, und der beantwortete meine Fragen.
Was hat es mit dem Namen deiner Band auf sich? Spätschäden einer katholischen Erziehung, einfach nur Größenwahn oder gezieltes Hinsteuern auf eine prämortale Heiligsprechung?
Ganz einfache Erklärung: Angefangen habe ich 1998 als Soloprojekt. Da es seinerzeit unter den Elektronikern hip war, einfach nur seinen Namen als Bandnamen zu wählen, habe ich das halt auch getan. Da ich nun mal Stephan Otten heiße, nannte ich das Projekt „St. Otten“. Das „St.“ ist dann später irgendwie zum heiligen „Sankt“ mutiert. Generell kann man aktuell bei SANKT OTTEN schon von einer Band sprechen. Wir sind zwar nur ein Duo, aber das würde ich schon als Band durchgehen lassen.
Instrumental-Bands – andere faseln was von Krautrock, total angesagt derzeit, oder noch besser „Post-Rock/Metal“ – sind gerade en vogue, für so was gab’s vor fünf oder zehn Jahren noch keine so relativ große Szene. Seid ihr die Henne oder das Ei?
Diesem ganzen Hype um neuen Progressive Rock à la PORCUPINE TREE kann ich nur wenig abgewinnen, das ist mir persönlich zu fantasy- und muckermäßig. Da sind mir zum Beispiel KING CRIMSON als einer der Urväter dieses Genres schon lieber. Von den haben ich einige Scheiben im Schrank. Das ist aber auch mein einziger Kontakt zum Prog-Rock derzeit. Was KING CRIMSON angeht, wird dem geneigtem Hörer gegebenenfalls aufgefallen sein, dass dessen Mastermind Robert Fripp einige Spuren bei unserem Gitarrensound hinterlassen hat. Oli hat beim neuen Album ausschließlich mit EBow gespielt. Dieser erzeugt diesen wunderbar stehenden, flächigen Sound, der eher wie ein Keyboard als eine Gitarre klingt. Mit Krautrock bin ich ausgiebig in meiner Jugend in der örtlichen Teestube in Kontakt gekommen. Ich habe das Ganze aber die letzten Jahre aus den Augen verloren. Seit einiger Zeit treffen wir uns bei einem Freund regelmäßig in seinem stilecht eingerichtetem Partykeller zum Bier und Musik hören. Der besitzt einen riesigen Fundus an Krautrock und frühen deutschen Elektronik-Sachen. Da bin ich mal wieder auf den Geschmack gekommen.
Ihr habt offensichtlich eine Menge Spaß an und ungewöhnlichen Songtiteln wie „Ein Himmel voller Galgen“, „Wenn die Rechnung nicht aufgeht“ oder „Mutter, Jazz und der heilige Geist“. Wie kommt’s?
Die Vorliebe für ausgefallene Songtitel hatten wir von Anfang an. Unsere ersten beiden Veröffentlichungen – „Stille Tage im Klischee“, „Eine kleine Traurigkeit“ – waren ja noch mit deutschsprachigem Gesang. Neben den Titeln waren hier auch noch die Texte ähnlich verdreht. Diese Tradition der obskuren Songtitel führen wir bis heute fort. Wir wollten schon immer zum Ausdruck bringen, dass man unsere Musik ruhig mit einem leichten Augenzwinkern sehen darf. Die auf den ersten Blick vielleicht unlustige, ernsthafte Musik hält auf jeden Fall auch immer ein wenig Humor bereit.
Wer steckt außer dir hinter SANKT OTTEN – aktuell und früher mal? Wie sind die Aufgaben verteilt?
Seit 2003 besteht SANKT OTTEN aus mir und Oliver Klemm an Gitarre und Tasten. Oli spielt auch noch bei der bluNoise-Band PENDIKEL. Nachdem ich 1998 solo gestartet bin, war vorher bis 2002 Carsten Sandkämper, der Sänger von PENDIKEL, als Sänger bei SANKT OTTEN mit dabei. Von der Produktionsweise her haben wir von Anfang an meist so gearbeitet, dass ich fast fertige Stücke arrangiere und Oli sie mit seinem Gitarrensound verfeinert. Gemeinsam biegen wir sie dann so lange hin und her, bin sie uns beiden gefallen.
Es gibt Musiker, die köpfen einen, wenn man parallel zu ihrem Namen das Wort „Konzept“ in den Mund nimmt. Ich wage es und frage: Was ist euer Konzept?
Du hast Recht, wir verfolgen sehr wohl ein gewisses Konzept. Das bedeutet nicht, dass wir Doppelkonzeptalben über Zwerge und Elfen herausbringen, sondern wir versuchen, immer den gewissen „SANKT OTTEN-Sound“ zu erzeugen. Der hat sich im Laufe der letzten zehn Jahre sehr wohl verändert, aber wir verfolgen dabei immer einen roten Faden. Selbst die Tracks auf dem letzten Album sind zum Teil völlig unterschiedlich. Es sind reine Ambient-Stücke, ruhige Post-Rockige oder Achtziger-lastige Tracks dabei. Was uns hierbei besonders wichtig ist, ist eine gewisse nahegehende Atmosphäre zu erzeugen. Ich sitze deshalb oft stundenlang nur daran, den richtigen Keyboardsound zu einem Stück zu finden, der so etwas rüberbringt. Wenn ein Stück dann nicht nur bei uns, sondern auch beim Hörer Gänsehaut erzeugt, dann haben wir unser Ziel erreicht.
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