Swen Bock vom Plastic Bomb Fanzine hat mal sinngemäß geschrieben, dass es Bands gibt, von denen man jeden Output blind aus der Mülltonne fressen könne. DOWN BY LAW sind so eine Band für mich. Nachdem das letzte Album von 2018 („All In“) erstmalig etwas fußlahm daherkam, ließen die neuen Songs auf Bandcamp wieder Großes erwarten. „Lonely Town“ heißt das 2021 erschienene zehnte Album. Neben Dave Smalley (auch DYS, DAG NASTY, ALL, DON’T SLEEP, DAVE SMALLEY AND THE BANDOLEROS) bildet Sam Williams III („der Dritte“) seit Jahren das Grundgerüst der Band und ist mit der Zeit zum Hauptsongwriter avanciert. Außer bei DOWN BY LAW spielt(e) Sam noch in diversen Punk- und Death-Metal-Bands und steht aktuell mit seiner Surf-Band BLACK VALLEY MOON in den Startlöchern. Grund genug, ihn nicht nur nach dem neuen DOWN BY LAW-Album zu fragen, sondern seinen Werdegang als Musiker zu skizzieren.
Sam, warum hast du eigentlich den Namenszusatz ,,der Dritte“? Ist das ein traditionelles Familiending?
Es ist ein Teil meines Namens, da mein Vater und mein Großvater denselben Namen hatten wie ich. Anfangs war das für mich nur ein Spaß. Aber dann hat es sich verselbstständigt, so ähnlich wie bei Brett Gurewitz von BAD RELIGION mit „Mr. Brett“, denke ich. Es war eine Möglichkeit, einen sehr gewöhnlichen Namen ein bisschen aufzupeppen, ohne ihn wirklich zu ändern.
Deine Geschichte als Musiker hat ungewöhnlich begonnen. Du hast Anfang der Neunziger Jahre als Jugendlicher aus Florida mehrere Bands angeschrieben und gefragt, ob sie einen Gitarristen brauchen. Und DOWN BY LAW brauchten tatsächlich jemanden, wodurch du über Nacht Mitglied einer tourenden Band mit Plattenvertrag bei Epitaph Records warst. Erste Frage: Stimmt diese Geschichte wirklich? Zweite Frage: Gab es in deiner Karriere als Musiker oder in anderen Berufen ähnliche Dinge? Einfach volles Risiko gehen, die minimale Chance suchen und damit sein Ziel erreichen?
Ja, so ist es wirklich passiert. Ich wusste immer, dass ich Profimusiker werden wollte. Also kein College oder eine ähnliche Zukunftsplanung. Nachdem ich also in ein paar kleineren Bands gespielt hatte, wurde mir klar, dass es ziemlich schwierig sein würde, in Florida hauptberuflich Musik zu machen, insbesondere diese Art von Musik in dieser speziellen Ära. Ich hatte damals einen lahmen Job als Reinigungskraft in einem Stahlwerk und der Plan war, in eine etablierte Band einzusteigen. Also dachte ich mir, ich schreibe einfach Briefe an Bands, die ich mag. Damit kam ich allerdings nicht sehr weit, als DOWN BY LAW mich schon zurückriefen. Ich hatte auch den CHEMICAL PEOPLE geschrieben – was mir jetzt seltsam vorkommt, wenn man bedenkt, dass DBL anfangs im Grunde genommen die CHEMICAL PEOPLE mit Dave Smalley als Sänger waren – und auch GREEN DAY, als die gerade ihr erstes Album veröffentlicht hatten. Leider habe ich von ihnen keine Antwort erhalten. Ja, auf jeden Fall hat mir diese Einstellung und Herangehensweise auch in anderen Bereichen meines Lebens geholfen. Ein bestimmtes Ziel, Ehrgeiz und Selbstvertrauen zu haben, ist immer die elementare Voraussetzung für alles. Ich hatte wirklich Glück mit DBL, da mein Timing perfekt war. Sie hatten sich zufälligerweise gerade von ihrem anderen Gitarristen getrennt, als mein Brief bei ihnen ankam. Aber es wäre nicht passiert, wenn ich mich nicht gemeldet hätte. Heutzutage schreibe ich immer noch Leute aus heiterem Himmel an, um Verbindungen herzustellen und Projekte ins Rollen zu bringen. In 99 von 100 Fällen führt das zu nichts. Aber das ist in Ordnung. Man muss einfach sein Netz weit auswerfen, dann wird sich immer etwas ergeben.
Als Jugendlicher in Florida warst du doch mittendrin im goldenen Zeitalter der großen Death Metal-Bands, oder? Wie kommt man dann zum Punkrock?
Ich war in den frühen Neunzigern hier in Tampa im Zentrum des Death Metal. Es gab eine Zeit in meinem Leben, in der ich ausschließlich Punk und Death Metal hörte und sonst nichts. Ich war schon seit meinen frühen Teenagerjahren in Punk vernarrt. Death Metal kam ein wenig später. Interessant ist, dass Bands wie MANTAS, aus denen später DEATH wurde, MORBID ANGEL, OBITUARY und DEICIDE, als sie anfingen, von Bands wie SLAYER, D.R.I., DISCHARGE und HELLHAMMER beeinflusst waren. Und wegen dieser Elemente waren sie viel zu extrem für die Metalheads hier, die MÖTLEY CRÜE oder JUDAS PRIEST oder was auch immer gewohnt waren. Also wurden ihre ersten Konzerte größtenteils von den Punkrockern aus der Gegend besucht. Ich sah viele Parallelen zwischen dieser Szene und Punk. Es gab ziemlich viele Überschneidungen im Publikum.
Gehen wir mal knapp deinen musikalischen Werdegang durch: Vor deinem Einstieg bei DOWN BY LAW hast du mit BALANCE im Jahr 1993 ein Album veröffentlicht, das eher nach Indierock/Grunge klang, richtig? War das ein rein lokales Bandprojekt?
Ich war nur für eine sehr kurze Zeit bei BALANCE, bei den Demoaufnahmen. Und obwohl viele der Songs, an denen ich mitgearbeitet habe, auf ihrem ersten Album gelandet sind, war ich zum Zeitpunkt der Aufnahmen schon nicht mehr dabei. BALANCE wurden von zwei ehemaligen Mitgliedern einer Melodic-Hardcore-Band namens SLAP OF REALITY gegründet. Sie waren ziemlich gut und schienen es sehr ernst mit der Musik zu meinen, so wie ich es auch tat. Als sie also nach einem Gitarristen suchten, war ich sofort am Start. Ich hatte schon in anderen kleinen Bands gespielt, auf Partys von Freunden und so. Aber BALANCE war definitiv meine erste Erfahrung in einer professionelleren Band, die auf echten Bühnen spielte und in echten Studios aufnahm. Ich habe eine Menge von ihnen gelernt und habe immer noch ständig Kontakt mit den Jungs. Der andere Gitarrist war vor einiger Zeit als Roadie bei DOWN BY LAW. Und der Sänger hat beim DOWN BY LAW-Live-Album „Quick Hits In The Studio“ von 2019 den Background-Gesang übernommen. Tatsächlich war eine der wenigen Shows, die ich mit BALANCE spielte, als Vorband für DBL. Dort habe ich auch Dave Smalley zum ersten Mal getroffen. BALANCE waren, was den Sound angeht, softer, so wie du es eben beschrieben hast. Ich glaube, zu dieser Zeit bewegten wir uns alle in eine Post-Hardcore-Richtung. Wir hörten damals eine Menge Bands im Stil von SAMIAM und ALL.
Die ersten beiden Alben von DBL ohne dich sind durchgehend ernst und musikalisch ein bisschen Emo-lastig. Ab „Punkrockacademyfightsong“, also mit deinem Einstieg 1994, schien sich das zu ändern. Die Band zeigte mit Songs wie „Counting crows must die“ oder „Gruesome Gary“ auch ihre witzige Seite. Auch die Musik wurde irgendwie straighter, mehr klassischer Punkrock. Hat die Band das damals als kompletten Neustart empfunden oder sogar bewusst initiiert? Wie hast du das gesehen?
Ich finde eigentlich, dass die ersten beiden DBL-Alben extrem unterschiedlich klingen. Dabei ist der einzige Unterschied, dass der Gitarrist gewechselt hat. Die Jungs von CHEMICAL PEOPLE haben als Einheit einen wirklich identifizierbaren Sound. Das erste Album klang also sehr nach einem Mash-up aus DAG NASTY und CHEMICAL PEOPLE. Ich liebte es. Ich würde sagen, das Album ist ziemlich „straight forward“, so wie du gesagt hast. Ich denke, das zweite Album „Blue“ klingt ganz anders. Der neue zweite Gitarrist Chris Bag war ein extrem technischer Musiker. Aber ich kann die ganze Veränderung im Sound nicht nur darauf zurückführen. Ich vermute auch, dass Dave sich einfach als Songwriter weiterentwickelt hatte. Als ich dazukam, hatte sich die Band komplett erneuert. Ich konnte die Veränderung also bewusst wahrnehmen. Außerdem hat Hunter Oswald viele Songs auf „Punkrockacademyfightsong“ geschrieben und teilweise den Gesang übernommen. Viel von dem Humor, der in die Band kam, stammt von ihm. Er stand extrem auf das Neo-Garage-Ding, das zu dieser Zeit stattfand – NEW BOMB TURKS, CANDY SNATCHERS ... So kam seine Vision für die Richtung der Band ins Spiel. Dazu kam die Neubesetzung am Bass mit Angry John. Er war nicht nur ein völlig anderer Bassist als Ed Urlik, sondern auch ein totaler Fan des britischen Powerpop der frühen Achtziger Jahre, also THE JAM, UNDERTONES und späte THE CLASH. Auch Dave stand total auf dieses Zeug. Und Johns Anwesenheit hat ihn noch weiter in diese Richtung geschubst. In Songs wie „1944“ und „Hit or miss“ hört man diesen Einfluss deutlich. Also ja, sehr unterschiedliche musikalische Persönlichkeiten, die der Band beitraten, ergaben eine Veränderung im Endprodukt. Ich weiß nicht, ob das ein bewusster Masterplan war. Aber Dave hat jeden von uns ermutigt, etwas zum Gesamtsound der Band beizutragen.
Du bist seit deinem Einstieg bei DBL immer mehr zum Hauptsongwriter geworden, was die Musik betrifft. Hat sich das einfach so ergeben oder gab es irgendwann die Idee einer Arbeitsteilung zwischen Dave Smalley und dir?
Ich bin mir nicht wirklich sicher, wie das passiert ist. Ehrlich gesagt wusste ich schon von Anfang an, dass meine Hauptstärke als Musiker das Songwriting ist. Als Dave anfing, zu meiner Musik zu singen – der erste Song war „Minusame“ –, wusste ich, dass wir gut harmonierten. Im Laufe der Jahre wechselten die Bandmitglieder und nachdem wir auf diese Weise eine Menge Songs zusammen geschrieben hatten, bestanden DBL mehr oder weniger nur noch aus Dave und mir. Und da war uns beiden klar, dass wir den Großteil des Materials beisteuern sollten. Die letzten beiden Studioalben stellen für mich den Höhepunkt dieser Entwicklung dar.
Du hast ja auch circa 2008 mal eine Zeit lang bei der Death-Metal-Band MASSACRE gespielt. War das ein Gefallen für Freunde oder wolltest du diese Seite deiner musikalischen Sozialisation noch mal aktiv nachholen?
Ich bin Fan von vielen verschiedenen Musikgenres, dazu zählt auch Oldschool-Death-Metal. Also wollte ich mich darin versuchen. MASSACRE waren so ziemlich meine Lieblings-Death-Metal-Band. Zu dieser Zeit hatten sie sich schon lange aufgelöst. Ich kannte den Bassisten, Terry Butler, durch gemeinsame Freunde. Also gründeten wir zusammen mit dem ehemaligen MASSACRE-Sänger, Kam Lee, eine Band namens DENIAL FIEND. Wir erwischten einen sehr guten Start. Mit vielen Festival- und Tourangeboten, sowie auf Anhieb einen Plattenvertrag. Unglücklicherweise befand sich ein Mitglied der Band in einer rechtlichen Situation, die es ihm nicht erlaubte, das Land zu verlassen, es sei denn, er zahlte eine beträchtliche Summe an rückständigem Kindesunterhalt. Um zu verhindern, dass die Band schon am Ende ist, bevor sie überhaupt eine Chance hatte, schlug ich einigen Promotern vor, dass wir einen der anderen Gitarristen aus der alten MASSACRE-Besetzung, Steve Swanson, mitbringen und einige Sets als MASSACRE spielen würden. Damit wollten wir das nötige Geld einspielen, um dem betreffenden Mitglied unserer Band zu ermöglichen, sich finanziell zu befreien. Das haben wir dann auch getan. Von da an bekamen wir immer wieder Angebote, als MASSACRE zu spielen, die wir nur schwer ablehnen konnten. Aber ursprünglich war die ganze Sache als Sprungbrett für DENIAL FIEND gedacht.
Und wie ging es dann mit DENIAL FIEND weiter? Oder vielmehr warum ging es zu Ende?
Also, warum es nicht weiterging, nun – die legalen finanziellen Probleme waren nur die Spitze des Eisbergs mit diesem einen genannten Bandmitglied. Hinzu kam seine ziemlich instabile Persönlichkeit, was einfach zu mehr Ärger führte, als es wert war, um mit ihm weiterzumachen. Das bedeutete erst einmal das Aus der Band. Aber Terry und ich beschlossen, noch eine Platte zu machen. Für die zweite Platte holten wir Blaine Cook von THE ACCÜSED als Sänger und Rob Rampy von D.R.I. als Schlagzeuger dazu. Diese zweite Platte, „Horror Holocaust“, war einfach unglaublich und dem ersten Line-up in jeder erdenklichen Hinsicht überlegen. Ich halte sie für eine der besten Aufnahmen, an denen ich je beteiligt war. Aber mit der komplizierten Situation, dass einige Mitglieder am anderen Ende des Landes wohnten und der Rest in anderen Vollzeitbands war, ging es einfach in die Hose. Es gab leider auch ein Fiasko mit dem Vertrieb der Platte in Europa, dem Hauptmarkt für eine Metal-Band. Wie auch immer, ich spreche immer noch gelegentlich online mit Rob. Und Terry ist immer noch ein enger Freund. Er ist jetzt bei den legendären OBITUARY. Und jedes Mal, wenn ich etwas mit Metal zu tun habe, ist er derjenige, den ich anrufe.
Über TRACK THE CURSE, dein Projekt mit Paul Pavlovich und TJ Weeks, und dein Soloprojekt ELECTRO-REQUIEM konnte ich wenig herausfinden. Kannst du dazu etwas erzählen?
Ich probiere ständig neue Dinge und verschiedene Genres aus. Also habe ich mit TJ Weeks einige Songs in einer Art Crust-Punk aufgenommen. Später kam auch ein Sänger dazu. Paul ist ein toller Typ, den ich schon ewig kenne. Natürlich sind wir alle mit Crust aufgewachsen, ASSÜCK hier in Tampa zu sehen, war ein Höhepunkt. Mit TRACK THE CURSE habe ich einfach versucht, etwas seltsam klingendes zu machen, das in keine Schublade passt. So wie viele Platten, die ich von Labels wie Earache und Peaceville gehört habe. Es machte also einfach Sinn, Paul einzubeziehen. Ich war ziemlich glücklich damit. ELECTRO REQUIEM war nur eine weitere schräge Sache, die ich ausprobieren wollte. Ein kleines bisschen Industrial mit Einflüssen von GODFLESH oder O.L.D. Aber nicht wirklich heavy. Ich war damals ziemlich gut darin, eine Drum-Machine zu programmieren. Ja, das war zu der Zeit, als ich noch ein Aufnahmegerät und einen CD-Brenner hatte, also dachte ich mir, warum nicht.
Du hast zwei Alben mit THE SPEARS aufgenommen, 2010 und 2018, die eher nach Oldschool-Hardcore klingen. Ist da noch weiteres Material geplant?
THE SPEARS wurden von mir zu einer Zeit ins Leben gerufen, als ich Langeweile hatte, weil mit DOWN BY LAW gerade nicht viel passierte. Chris Barrows ist auch ein guter Freund. Und seine Band, die PINK LINCOLNS, sind wohl die beste Punkband aller Zeiten aus Florida. Wir hatten einen Song zusammen für eine PSEUDO HEROES-Platte gemacht. Also taten wir uns als THE SPEARS zusammen und machten eine Zeit lang ziemlich viel. Kürzlich haben wir uns wiedergetroffen, um ein paar Songs für einige Compilations aufzunehmen, die von Cleopatra Records herausgebracht wurden. TJ hat vorgeschlagen, noch mehr Material zu machen, und Chris ist bereit dazu. Also wer weiß? Eines Tages, hoffentlich.
Auf dem Cover des zweiten THE SPEARS-Albums „Ghosts“ von 2018 ist ein Foto aus der deutschen Stadt Wuppertal, nämlich vom Sturz des Zirkuselefanten Tuffi aus der Schwebebahn, dem Wahrzeichen der Stadt. Da ich in Wuppertal lebe, interessiert mich natürlich, wie ihr auf dieses Bild gekommen seid.
Oh, witziger Zufall! Eigentlich kenne ich die Geschichte des Bildes gar nicht. Chris Barrows war für das Artwork verantwortlich, also müsste man ihn fragen, da er das Motiv ausgewählt hat. Er interessiert sich generell sehr für Fotografie und hat jetzt ein neues Fotobuch herausgebracht. Ich glaube, es heißt „Cheap Shots“. Es ist wirklich großartig.
Mit den PSEUDO HEROES hattest du parallel zu DOWN BY LAW eine reine Punkrock-Band. Ihr wart zwischen 2000 und 2005 mit dir als Leadsänger und Gitarrist aktiv. War es dir ein Bedürfnis, auch einmal den Gesang in einer Band zu übernehmen, oder hast du diese Rolle zufällig bekommen?
Einen bestimmten Gründungsimpuls für die PSEUDO HEROES gab es eigentlich gar nicht. Außer vielleicht, dass ich ständig Musik geschrieben habe und die irgendwie verarbeiten wollte. Und da DBL nur alle paar Jahre eine Platte herausbrachten, gab es keinen Raum für diese Songs. Ich habe bei der Band gesungen, weil ich eine Weile von der Idee einer klassischen Dreierbesetzung besessen war. Und ich war auch ein großer Kontrollfreak, was die Songs anging. Ich hatte das Gefühl, dass ich die Songs auf dem Demo auf eine bestimmte Art und Weise singen und dann von einem Sänger erwarten würde, dass er das genau nachmacht. Das hat nie funktioniert. Irgendwann stellte sich aber heraus, dass ich nicht wirklich gerne singe. Und ich habe nicht annähernd genug Charisma, um Frontmann zu sein. Ich glaube auch, dass ich ein schrecklicher Texter bin. Aber es ist interessant, wie oft ich nach der Band gefragt werde, oder nach Möglichkeiten sie wiederzubeleben.
Dein neuestes Projekt BLACK VALLEY MOON scheint sich gerade von einer reinen Surf-Instrumental-Combo zu einer Band mit Sänger zu entwickeln. Durch den Gesang von Ray Vega bekommt die Musik noch eine Rockabilly-Note. Wie geht es mit BLACK VALLEY MOON weiter?
BLACK VALLEY MOON ist das weitere Erkunden eines anderen Nischengenres, auf das ich stehe. Ich wollte schon immer instrumentale Gitarrenmusik machen. Außerdem mag ich Sachen aus den Sechziger Jahren. Surfmusik schien mir also das perfekte Genre dafür zu sein. Ich versuche hiermit, alle Dinge umzusetzen, die ich im Moment wirklich mag: Songwriting, Horrorfilme und die Geschichte Floridas. Ich sage immer, Link Wray könnte sowohl mit den RAMONES spielen als auch auf einer frühen Autoshow in der Vorstadt. Ich liebe das. Das ist das, worauf wir abzielen. Wir haben ein paar Veröffentlichungen herausgebracht und einige Shows gespielt. Ich habe allerdings gemerkt, dass viele Leute nicht damit klarkommen, dass eine Band keinen Gesang hat. Also musste ein Sänger her. Sein Name ist Ray Vega. Und ja, er hat ein bisschen etwas von Rockabilly/Psychobilly an sich, was perfekt zu uns passt. Ich plane mit BLACK VALLEY MOON größer, bestenfalls als Vollzeitband. Wir arbeiten mit zwei Formaten: Instrumental und mit Gesang. Was auch immer die Situation erfordert, wir sind in der Lage es umzusetzen. Ich habe jedoch das Gefühl, dass die vokalbasierte Version ziemlich magisch und einzigartig ist. Und ich denke, sie hat die besseren Chancen, mehr zu erreichen. Wir arbeiten im Moment an einem kompletten Album. Und ich hoffe wirklich, wirklich, wirklich, wirklich, dass wir ein gutes Label finden, um es herauszubringen. Und dass wir in der Lage sein werden, dafür ordentlich zu touren. Seit Corona gab es nur noch sehr kleine Gigs. Also habe ich unser Material hier in der Gegend auch als Solokünstler gespielt. Und es kommt ziemlich gut an. Ich setze also große Hoffnungen in die Band, sobald es wieder richtig losgehen kann.
Kommen wir zur neuesten Geschichte von DOWN BY LAW. In Ox #139 hat Dave Smalley DOWN BY LAW für sich als eine Art sicheren Hafen beschrieben, zu dem er nach seinen anderen Bandaktivitäten immer wieder gerne zurückkommt. Wie ist das für dich?
Ja, das ist absolut wahr und sehr gut ausgedrückt. Nicht zuletzt ist da unsere Fangemeinde, die immer für uns da zu sein scheint, wenn wir von unseren musikalischen Umwegen zurückkommen. Das ist schon fast wie eine erweiterte Familie.
Euer letztes DBL Album „All In“ von 2018 war euer bislang experimentellstes. Es ist schwerer zugänglich als die übrigen Alben. Den typischen DOWN BY LAW-Sound hatte hingegen das Debütalbum von Daves spanischem Projekt DAVE SMALLEY AND THE BANDOLEROS. Wolltet ihr euch mit „All In“ davon deutlich abgrenzen? War es ein bewusster Schritt, quasi an die Schmerzgrenze dessen zu gehen, was mit DBL soundtechnisch realisierbar ist?
Ja, das war ziemlich bewusst. Obwohl ich nicht sagen würde, dass es das Ziel war, außerordentlich experimentell zu sein oder komplett aus dem Bereich des typischen DOWN BY LAW-Sounds herauszugehen. Wie ich schon sagte, hatten DBL immer mehrere Einflüsse. Natürlich ist melodischer Hardcore immer ein großer Teil davon. Aber auch das eher Pop-orientierte UK-Zeug wie Elvis Costello, THE JAM und die spätere CLASH-Ära. Ich mag auch die späteren HÜSKER DÜ und die REPLACEMENTS ziemlich gerne. Also dachte ich, es wäre interessant, endlich mal ein ganzes Album zu machen, das mehr von diesen Powerpop-Einflüssen geprägt ist. Ich denke, all die anderen üblichen Elemente von DBL sind immer noch vorhanden. Wir sind nicht komplett vom Weg abgekommen. Aber es war absichtlich ein bisschen anders, ganz sicher.
2019 habt ihr mit „Quick Hits Live In Studio“ eine Art live eingespieltes Best-Of-Album gemacht. Eigentlich stehe ich überhaupt nicht auf Live-Alben, weil sie oft blutleer abgemischt oder schlecht eingespielt sind. „Quick Hits ...“ ist allerdings rauh und druckvoll produziert.Wie hat sich das ergeben? Wolltet ihr einfach mal eine Live-Aufnahme machen?
Ich glaube, es war der Vorschlag unseres Labels, eine Live-Platte zu machen. Ich stimme dir zu, dass Live-Aufnahmen ein echter Alptraum sein können. Aber das hier war für mich definitiv akzeptabel. Da es sich um eine Live-Aufnahme im Studio handelte, konnten wir die Live-Qualität der Auftritte einfangen. Aber die technischen Aspekte waren viel einfacher zu organisieren als bei einem Konzert. Ich mag die Setlist für dieses Album sehr. Und die Kraft der alten DBL-Songs hat mich dazu inspiriert, mit dem aktuellen Album mehr in Richtung eines typischen energischen DBL-Releases zu gehen.
Damit wären wir beim neuen DOWN BY LAW-Album „Lonely Town“. Wie entsteht so was inmitten der Corona-Pandemie, mal abgesehen von der üblichen räumlichen Trennung der Bandmitglieder? Bandproben haben wahrscheinlich nicht stattgefunden, oder?
Wir haben die Kunst des Aufnehmens in räumlicher Distanz im Laufe mehrerer Veröffentlichungen perfektioniert. Wir schreiben und kommunizieren über Demos, E-Mails und Telefonate. Dann nimmt jedes Mitglied die Musik dort auf, wo es sich gerade befindet. Heutzutage finden für unsere Aufnahmen keine kompletten Bandproben mehr statt. Die Pandemie stellte in dieser Hinsicht also kein großes Problem dar. Allerdings schloss eines der Studios, in dem wir die Überspielungen gemacht haben, mitten in den Aufnahmen. Das hielt die Fertigstellung des Albums für einige Monate auf.
John DiMambro und Hunter Oswald waren bei den Aufnahmen von „All In“ vom alten Line-up wieder dabei, nicht aber auf eurer Europatour. Eure Bandcamp-Seite führt aktuell dich, Dave Smalley und Dave Kamrath als Mitglieder auf. Was ist zwischendurch passiert?
Wie schon seit vielen, vielen Jahren sind Dave und ich der Kern der Band. Wir planen alles um unser beider Verfügbarkeit herum. Mit den meisten der scheinbar endlosen Liste von Leuten, die über die Jahre in der Band ein- und ausstiegen, sind wir noch befreundet. Wir verfügen also über so etwas wie ein Kontingent für die Rhythmusgruppe. Es spielen dann immer die Leute, die gerade Zeit haben. Das hängt natürlich von den Terminplänen der einzelnen Leute ab und auch davon, wo sie sich gerade aufhalten. Es hat sich einfach so ergeben, dass Hunter und John ein paar Jahre lang verfügbar und bereit waren, einige Sachen mit uns zu machen. Viele Leute waren begeistert, die „Punkrockacademyfightsong“-Besetzung wieder zusammen zu sehen, und es hat ziemlich viel Spaß gemacht. Aber aus verschiedenen Gründen hat es dann nicht mehr geklappt. Ich bin froh, dass wir John bei einigen Aufnahmen dabeihatten. Und die Shows, die wir mit Hunter spielen konnten, haben auch extrem viel Spaß gemacht. Wir haben nur einen Track mit dieser Reunion-Besetzung aufgenommen, das war ein Beitrag für eine Punk-Halloween-Compilation auf Cleopatra Records. Dazu gibt es noch ein Stück auf dem Album „The Baleful Sounds of Black Valley Moon Vol. 1“, bei dem John am Bass und Hunter am Schlagzeug ist, „Beach party of the damned“.
„Lonely Town“ vereint den Sound der straighten Alben von 1994 und 1996, „Punkrockacademyfightsong“ und „All Scratched Up“, mit dem eher verspielten Sound der PSEUDO HEROES. Es ist von der Gitarrenarbeit her unkonventionell, aber trotzdem catchy und druckvoll, finde ich. Wie siehst du das? Brauchtest du als Gegenstück zu BLACK VALLEY MOON wieder die Möglichkeit, den Verzerrer voll anzuschmeißen?
Ich hatte keine Pläne für die stilistische Ausrichtung. Irgendwie hat es sich einfach so ergeben, die Energie der älteren DBL-Alben einzufangen. Dass die Gitarren etwas verzerrter sind, war bewusst, da ich mich von den schrillen Tönen vom letzten Album „All In“ wegbewegen wollte. Nach den ersten paar Songs war mir aber klar, dass das Album ein bisschen härter werden würde als unsere letzten paar Studioalben. Ich bin immer noch extrem zufrieden mit „All In“. Aber ich kann an den Reaktionen darauf erkennen, dass „Lonely Town“ wirklich mehr dem Sound entspricht, den die Leute von DOWN BY LAW hören wollen, was ich vollkommen verstehe.
Dein Gitarrenstil ist sehr prägnant. Du weichst oft vom klassischen Riffing ab und setzt viele Single-Notes ein. Dadurch werden die Songs unvorhersehbarer. Hast du dafür ein Vorbild? Ich muss bei euren neueren Sache öfter an Bands wie BOSTON oder CHEAP TRICK denken.
Sowohl Dave als auch ich sind große Fans des Siebziger-Jahre-Rock. CHEAP TRICK sind wahrscheinlich eine meiner Top-Ten-Bands. In den letzten 17, 18 Jahren habe ich mich sehr darauf konzentriert, ein besserer Gitarrist zu werden. Ich bin mit meinem Können nie zufrieden. Wenn ich zum Beispiel „Punkrockacademyfightsong“ und „Lonely Town“ vergleiche und höre, wie viele Lichtjahre ich meinem jüngeren Ich als Gitarrist voraus bin, weiß ich, dass sich die Mühe gelohnt hat. Daher bin ich sehr dankbar, wenn die Leute die vielen Stunden Arbeit bemerken, die ich investiert habe, besser zu werden. Wenn ich Riffs zusammenstelle, versuche ich oft, verschiedene Spielweisen und Stile zu verschmelzen. Mit anderen Worten, beim Song „Darkest sun“ dachte ich, was ist, wenn ich ein MOTÖRHEAD-Riff nehme, aber eine Art AGENT ORANGE/Mike Palm-Melodie darüber lege und es spiele wie Brian Baker von DAG NASTY in seiner „Field Day“-Ära ... oder so ähnlich. Es gibt also ohne Ende solche Beispiele auf dem Album. Der Song „Lonely town“ war, glaube ich, ursprünglich ein Versuch von mir, ein DAG NASTY-Riff mit Andy Summers oder Paul Fox zu mischen, die darüber spielen. Mehrere Leute haben mir erzählt, dass viele Sounds und Riffs auf dem Album sie an Alex Lifeson von RUSH erinnern. Und da ich muss zustimmen. Es gibt Aspekte bei ihm, die ich liebe, und sie tauchen überall auf der Platte auf. Besonders seine starken Refrains bei „Permanent Waves“ und sein Rhythmusspiel bei „Grace Under Pressure“. Oder ich habe versucht, bei „This heart remains“ ein „Distant Early Warning“-artiges Riff über einen BAD RELIGION-Standard-Beat mit einem kleinen „Making plans for Nigel“-Panning zu kombinieren. Und ich schätze, der Anfang von „So solo“ ist von dem RUSH-Song „Mission“ inspiriert. Ich würde sagen, Alex Lifeson von RUSH ist der heißeste Anwärter als größter Einfluss auf das neue DBL-Album.
Welche Songs sind für dich die wichtigsten auf „Lonely Town“?
Es ist wirklich schwer, meine Top-Songs auf diesem Album zu benennen. Daves Texte und sein Gesang sind einfach umwerfend. Er hat alle Songs auf ein höheres Level gebracht. Der Titeltrack ist wirklich schön. Das liegt vor allem an Daves Gesang und den Lyrics. Auch „So solo“ könnte einer meiner Lieblingssong auf der Platte sein. Ich habe auf diesem Album auch den Bass eingespielt und bin ziemlich stolz auf diese Basslinie. Außerdem erreicht Daves Gesangsleistung bei diesem Song das Niveau seiner besten Tage bei ALL.
Warum ist Punkrock für dich im Jahr 2021 noch relevant? Warum kann er deiner Meinung nach für Jugendliche heute noch von Bedeutung sein?
Es ist schwierig, Punkrock überhaupt noch zu definieren. Das ist jetzt eine ziemlich oberflächliche Antwort, aber ich schätze immer noch die Energie des Punkrock. Ich stehe wie gesagt auf viele verschiedene Genres. Und ich liebe die ganzen Gitarrenvirtuosen wie Eric Gales oder Guthrie Govan. Aber ich habe das Gefühl, dass das meiste von dem Zeug die Einfachheit in der Ausführung und die totale Energie vermissen lässt, wie Punk sie bietet. Der Punk von heute ähnelt häufig den ganz frühen Sachen von Johnny Thunders oder RAMONES oder BUZZCOCKS. Und ich empfinde Punk im Grunde als die logische Weiterentwicklung des Rock. Punk ist die Rückbesinnung auf die Wurzeln des Rock als rohe, ungefilterte Musik. Und ich denke, so etwas ist für junge Leute immer anziehend. Heute hat Rockmusik nicht mehr diese große Bedeutung. Hatte sie aber auch nie, sie hatte nur ihre Hochphase. Darum muss man sie nach wie vor als junger Mensch für sich entdecken. Gibt es etwas Besseres, als nach der Schule mit seinen Freunden in der Garage auf Instrumente einzuhämmern? Oder eine eigene Show zu veranstalten oder ein eigenes Zine zu machen? Die Mainstream-Alternative ist heute doch nutzloser und langweiliger als je zuvor.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #156 Juni/Juli 2021 und Daniel Schubert