(((S)))

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Hamlet fishing in the grave

Eine der interessanteren Bands des letzten Jahres in Sachen melodiösem Post-Punk und Wave-Rock war, neben PROJECT:KOMAKINO aus London, das aus Dänemark stammende Projekt (((S))) eines oft als „Mr. Ungoogleable“ bezeichneten Musikers, der auch in diesem Interview seine Identität nicht preisgab (seit den frühen Zeiten von THE RESIDENTS ein oft verwendetes Konzept, um den Fokus der Aufmerksamkeit allein auf die Musik zu legen, so glaubt man in aller Regel). Das Debütalbum „Ghost“ von (((S))) wurde von UK-Goth-, Deathrock- und Post-Punk-Ikone Mick Mercer, der in den 80er Jahren einer der renommiertesten britischen Musikjournalisten in diesem Genre war und für den Melody Maker und das Zig Zag geschrieben hat und mit The Mick seit Jahren ein eigenes Genre-Magazin veröffentlicht, zum Album des Jahres 2009 gewählt. Die Musik von (((S))) ist eine Melange aus elektronischen Elementen und Einflüssen klassischer Genre-Bands aus dieser Zeit wie MODERN EON, SAD LOVERS & GIANTS und THE CHAMELEONS. Nichts deutet auf eine simple Kopie hin, um am aktuellen Trend anzudocken. (((S))) spielen eine sehr zeitgemäße Form dieses Sounds: Art Noir par excellence. Im April 2010 ist das zweite Album „Phantom“ erschienen, das mehr dunkle Wave-Pop-Elemente enthält und, bei solchen bassbetonten Hooklines, Assoziationen mit den besten Momenten von NEW ORDER und mitunter an die kryptische Gitarre von WALL OF VOODOO hervorruft. Eine Tour in Deutschland ist für November geplant.

Manche Songs auf „Phantom“ erinnern mich an THE COMSAT ANGELS und THE CHAMELEONS. Zufall?

Nein, denn die COMSAT ANGELS schätze ich sehr: sie spielten einen so derart kalten und dunklen Sound, wie ein Eisberg aus einer anderen Dimension.

Ist dein Konzept der absoluten Anonymität der notwendige Versuch, den Fokus lediglich auf die Musik zu legen?

Nicht wirklich, weil ich mittlerweile mehr Fragen zu meiner Anonymität beantworten muss als teilweise zur Musik selbst, auch wenn das sehr spannend ist. Es scheint die Fantasie der Leute zu beflügeln und daraus ergeben sich dann sehr interessante Gespräche.

Was haben die Klammern in (((S))) für eine Bedeutung? Man kennt diese Struktur in Fragmenten auch von der US-Drone-Doom-Band SUNN O))). In beiden Fällen ist die Tür für Interpretationen sehr weit geöffnet.

Das hat überhaupt keine spezifische Bedeutung! Der Hintergrund war schlicht der, dass ich nach einem Bandnamen gesucht habe, der ohne jedwede Bedeutung oder Hintergründe ist. So bin ich auf die Idee des (((S))) mit den Klammern gekommen. Für mich suggeriert er etwas von Vibrationen, was für mich auch sehr gut und eng mit der Musik verbunden ist. Ein schöner Nebeneffekt, der sich daraus ergab, ist der, dass ich so eine Art „Mr. Ungoogleable“ geworden bin, weil die Suchmaschinen so ihre Probleme mit den drei Klammern haben. Allerdings gibt es aus diesem Grund auch Probleme bei der technischen Erfassung meiner Airplays im Radio, was dann wieder ein unschöner Nebeneffekt ist. Und bei der Veröffentlichung von Alben musst du die Werbetrommel etwas heftiger anstoßen, um mit diesem Namen nicht völlig unterzugehen. Ich bin davon ausgegangen, dass auf diesem stillen Weg die Leute dennoch Notiz von mir nehmen. Aber da wir nun dieses Gespräch haben, hat es ja irgendwie erfolgreich funktioniert.

Besteht für dich nicht ein logischer Bruch zwischen deinem künstlerischen Konzept der Anonymität und deiner MySpace-Seite mit mehr als 5.000 so genannten „Freunden“? Ist MySpace für dich lediglich ein State of the Art Networking-Tool?

Wenn du das Thema Anonymität aus der Perspektive eines Künstlers betrachtest, bedeutet es letztlich, dass man, wenn man seine Zeit als Hörer in (((S))) investiert, seine Fantasie bemühen muss, um sich selbst ein Bild des Gesamtkonzepts zu machen. Auf diese Weise entsteht ein höherer Grad an Auseinandersetzung mit der Musik, und die Menschen kommen auf mich zu und es entstehen sehr interessante Entwicklungen und Vernetzungen für beide Seiten. Für mich ist MySpace lediglich ein notwendiges Instrument, um die Menschen überall zu erreichen, da ich nun mal im medialen Randbezirk der global vernetzten Welt lebe. Es gibt mir die Möglichkeit, mit meinen musikalischen Seelenverwandten weltweit zu kommunizieren. Ohne MySpace würde (((S))) nicht existieren. Deshalb werde ich es weiter nutzen, bis es etwas Besseres gibt.

Bist du Individualist oder gibt es um dich eine Szene, die in einem regen Austausch steht?

Nein, da bin ich absoluter Einzelgänger. Ich gehe mal davon aus, dass in meinem Umfeld und meiner Stadt niemand von der Existenz von (((S))) oder gar Post-Punk als Musikrichtung Notiz nimmt. Im Grunde genommen kommt mir das aber sehr entgegen, denn dann muss ich mich nicht mit Leuten beschäftigen, die die ganze Idee hinter (((S))) ohnehin nicht verstehen.

Dein MySpace-Link ist fustydk – was ist denn so verstaubt und muffig an Dänemark? Ist nichts mehr passiert, seitdem Hamlet verzweifelt in diversen Gräbern fischte und nach dem Sinn des Lebens forschte? Dänische Bands wie DÙNÈ und THE RAVEONETTES sind ja nach Berlin respektive in die USA gegangen, wäre das eine Option für dich?

Nein! Umziehen würde ich niemals. Woher sollte ich denn so viel Inspiration in Sachen Frustration bekommen, wenn nicht hier? Das Leben in dieser Einsamkeit ist perfekt für mich. Es hilft, ungemein gute Songs zu schreiben.

Ein Klischee macht uns Glauben, dass es die schlechten und existentiell schwierigen Phasen des Lebens sind, in denen die besten Songs entstehen. Brauchst du eine, sagen wir mal, dunkle Grundstimmung, um deine Songs zu schreiben?

Nein, ich denke nicht. Ich schreibe melancholische Songs aus meinem Inneren heraus. Das ist eine gewisse Befähigung, die ich habe. Ich bin einfach gut darin. Die wenigen Songs, die ich geschrieben habe, die, sagen wir mal, „Good feeling“-Songs sind, gefallen mir auch nicht mehr. Melancholische Songs schreibe ich zu jedem Zeitpunkt und an jedem Ort in meinem Leben. Das ist mit einfach gegeben.

Du hast einmal erwähnt, dass du MODERN EON aus Liverpool sehr magst, die Anfang der 80er Jahre eine der interessantesten Post-Punk-Bands aus Großbritannien waren.

MODERN EON ist wirklich eine der großartigsten Bands für mich. Es ist eine Schande, dass sie nicht mehr Alben aufnehmen konnten. Auch ihre MySpace-Site wird nicht mehr richtig aktualisiert. Die Band sollte viel mehr Respekt für ihre Musik bekommen. Ich kann jedem nur empfehlen, sich mit MODERN EON zu beschäftigen, eine der leider zu Unrecht unbekannten Post-Punk-Bands mit elektronischem Einschlag.