Es ranken sich ja einigen Legenden um den Punkrock der späten Siebziger Jahre und welche Musik da nicht nur live gespielt, sondern auch vor und nach den Shows von Platte oder Band gehört wurde. Interessant ist hier die Verbindung von THE CLASH und Don Letts, der nicht nur die Dokumentation „The Punk Rock Movie“ drehte, sondern auch DJ und Produzent war, sowie später Mitglied von BIG AUDIO DYNAMITE. Durch ihn fand sich auf der ersten CLASH-Scheibe die Nummer „Police & thieves“ von Junior Marvin, die auch die Reggae-Rebel-Freundschaft mit dem Punkrock unterstrich. Es war damals ganz normal, dass vor und nach den Punk-Shows oft Reggae-Nummern liefen. Man muss dazu auch wissen, dass Bob Marley mit seinen WAILERS das Album „Exodus“ 1977 in London aufnahm, während THE CLASH nur wenige Meilen davon entfernt an „White Riot“ feilten. In den Pausen hat man wohl sogar gegeneinander Fussball gespielt – und so war die Punky Reggae-Party geboren!
Im Mai 1979 erschien die THE RUTS-Single „In A Rut“ bei People Unite, dem Label der Reggae-Band MISTY IN ROOTS, im Juni 1979 schon folgte „The Crack“ auf Virgin, ihr erstes Album, das als Manifest des Reggae-Punk gelten darf, mit Hits wie „Babylon’s burning“, „Jah war“, „West one (Shine on me)“, „S.U.S.“. Die Gitarre, gespielt von Paul Fox, immer hart angeschlagen à la DR. FEELGOOD und dazu beste Offbeats, mit so runden Bassläufen, dass Schlagzeuger Dave Ruffy und Basser John „Segs“ Jennings bald als die Sly & Robbie des Punk-Reggae galten. Und dann war da natürlich die Stimme und Persönlichkeit von Malcolm Owen, der Punk aus London auf den Punkt brachte. Wir schreiben das Jahr 1979, die SEX PISTOLS waren schon verbraucht, THE CLASH hatten mit „Give ’em Enough Rope“ eine damals überwiegend als Enttäuschung wahrgenommene Platte veröffentlicht, genau wie THE DAMNED mit „Music For Pleasure“ gerade einen kleinen Hänger hatten. Auch THE POLICE und THE JAM waren zu der Zeit schon Pop- und Disco-Musik.
Für THE RUTS drehte sich das Rad aber immer schneller, es gab TV-Auftritte bei „Top of the Pops“, Touren durch ganz Europa und die üblichen Probleme, entsprechend dem Spruch „live fast, die young“. Im Juli 1980 verpasste sich Sänger Malcolm Owen eine Überdosis Heroin und der schöne Traum, eine der wichtigsten Punkbands aller Zeiten zu werden, war ausgeträumt. Als Live-Band waren THE RUTS also 1980 am Ende, wenn auch nach Malcolm Owens Tod noch einige Platten veröffentlicht wurden. Die restlichen drei Musiker fanden sich zu THE RUTS DC zusammen – DC wie „da capo“, also noch einmal alles von vorne. Segs übernahm den Leadgesang und die Musik veränderte sich zu einer Art Pre-Indie-Reggae-Rock, am besten festgehalten auf dem ersten THE RUTS DC-Album „Animal Now“ von 1981. Bald wandte man sich vollständig dem Dub-Reggae zu und veröffentlichte 1982 „Rhythm Collision“, gemixt und gemastert von der englischen Dub-Legende Mad Professor. Damit wurde ein Genre populär, das heute als hip und cool gilt und seine Beats in Form von Dubstep verbreitet, ebenso wie beim gerade wieder erstarkendem Roots-Reggae.
Kurz darauf war es vorbei mit THE RUTS DC und die einzelnen Mitglieder machten mit anderen Bands weiter Zu einer Reunion kam es erst 2007, als klar war, dass der THE RUTS-Gitarrist Paul Fox an Krebs sterben würde. Es fand eine legendäre Show statt mit Henry Rollins am Mikro, und eine lange Liste von Freunden aus der 77er-Punk-Szene Londons nahm Abschied. Aber so wie jedes Ende auch ein Anfang sein kann, starteten Ruffy und Segs anschließend wieder mit THE RUTS DC durch.
Das Ex-BLOCKHEADS-Mitglied Lee Harris wurde für die Gitarre verpflichtet und Molara, Sängerin bei ZION TRAIN, kam in die Band. Und man arbeitete wieder mit Mad Professor im Studio, am Album „Rhythm Collision Vol. 2“, das nach einem finalen Mix von Dub-Wizard-Wunderkind Prince Fatty 2013 endlich erschien. Schon wieder ein Dub-Reggae-Album von einer alten Punkband, wer braucht das? Doch THE RUTS DC sind auch auf die Bühnen dieser Welt zurückgekehrt und haben beim Rebellion Festival und auch bei den Shows in Deutschland im Herbst 2013 gezeigt, dass sie die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von Punkrock und Reggae sein können.
Wenn zu Beginn ihres Sets der Altpunk noch am Tresen meckert, dass sie wohl sowieso nur Reggae spielen werden, steht er doch bald in der ersten Reihe, seine Lieblingshits mitsingend, inmitten der jüngeren, die vielleicht eher wegen der neuen Dub-Platte gekommen sind. Denn diese Band weiß einfach, wie sie mit ihrem Sound Brücken schlägt, zwischen 1979 und heute und zwischen Punk und Reggae überhaupt. Und nun geht diese Bandgeschichte weiter, weshalb ich mich nach London Town aufmachte, um der Band ein paar Fragen zum Damals und Heute zu stellen. Bald kann man die THE RUTS DC in Solingen beim Ox-Fest zu sehen und vielleicht dort noch die eine oder andere Frage zu klären, aber vor allem die Show einer lebenden Legende zu erleben. Und falls es euch gelingen sollte, noch eine extra Zugabe aus RUTS DC rauszuholen, dann spielen sie vielleicht noch „H-eyes“, die B-Seite ihrer ersten Single, einen ihrer Anti-Heroin-Songs, der daran erinnert, wen die verbliebenen beiden THE RUTS-Mitglieder Ruffy und Segs am meisten vermissen.
Nach über dreißig Jahren stehen THE RUTS DC nun wieder auf europäischen Bühnen und haben nicht nur die klassischen DC-Songs im Gepäck, sondern spielen auch alle Hits aus der Zeit von THE RUTS. Fühlt es sich für euch richtig an, diese Songs wieder zu spielen, nach so einer langen Zeit?
Segs: Ja, es fühlt sich gut an. Es war nicht die ursprüngliche Idee, das zu machen, wir wussten einfach nicht, was wir tun sollten. Das Rebellion Festival 2012 war der Katalysator dafür. Wir sprachen mit John Robb von GOLDBLADE und er sagte, er glaube, die Band könnte beim Rebellion auftreten. Wir hatten vorher vier Support-Gigs für meine frühere Band ALABAMA 3 gespielt, und auf dieser Tour hatten wir nur ein Dreißig-Minuten-Set, wir spielten die Songs vom neuen Album wie „Mighty soldier“ und andere Reggae-Songs, was wir eben so spielen, und dachten nicht wirklich an das RUTS-Material, obwohl wir diese Version von „Smiling culture“, die in „S.U.S.“ übergeht, entwickelt hatten. Das war dann der Weg zu den alten Songs, und plötzlich kam jemand auf die Bühne und sang „Babylon’s burning“ mit uns, was wir dann auch weiter im Set behielten. Wir überlegten, wenn wir das weiterhin spielen wollen, muss es jemand singen, und Ruffy sagte: „Segs, warum singst du es dann nicht auch?“ Danach probierten wir andere alte Songs aus, um zu hören, wie sie jetzt klangen, auch weil Lee ein toller Gitarrist ist, so haben wir einfach angefangen sie zu spielen. Wir haben alle Songs in einen großen Pott geschmissen und von da an immer die Stücke je nach Gelegenheit rausgegriffen, wenn wir einen Gig hatten. So hat sich das entwickelt. Es fühlt sich für mich heute besser an sie zu spielen als 1981.
[/b]Malcolm Owen starb sehr früh und THE RUTS hatten nur eine kurze Zeit, um die „heißeste“ neue Punk-Band aus London zu sein. Wie war das mit Malcolm, was war passiert? Und wie hätte es damals weitergehen können mit ihm?
Ruffy:[/b] THE RUTS Teil eins, so könnte man sie nennen, existierten wirklich nur für circa drei Jahre. Drei sehr intensive Jahre, eine Zeit, in der wir sehr viele kleine Konzerte hatten und uns so eine große Fanbase erspielten. Wir bekamen einen Plattenvertrag, weil wir einfach der Name auf den Lederjacken waren.
Segs: Und weil wir „In A Rut“ veröffentlicht hatten!
Ruffy: Ja, die Single wurde dann häufig von John Peel gespielt, dem legendären englischen Radio-DJ. Ich glaube, THE RUTS waren als Band größer oder besser als die Summe ihre Teile. Zu viert machten wir einen größeren Eindruck, als wir es jeweils individuell hätten machen können. Das Problem mit Malcolm war, dass er eine fortgesetzte Liebesaffäre mit Heroin hatte. Wir hatten einige der besten Tage in unserem Leben mit den RUTS und zum Ende hin wurde es unmöglich zu arbeiten. Es war uns sehr wichtig, intensiv zu proben, aber Malcolm ist oft einfach nicht aufgetaucht oder er war quasi nicht anwesend. Auch das Touren in Europa wurde schwierig, Malcolm würde vielleicht einfach Drogen in seinen Schuhen verstecken. Und es war nicht mehr möglich, mit ihm zu sprechen. Malcolm war zu einem Junkie geworden und alles sagen, nur damit du dich gut fühlst. Ja, wir vermissen ihn, mit großem Bedauern. Der letzte Track, den wir aufgenommen hatten war „West one (Shine on me)“. Wir trafen uns einige Tage vor seinem Tod und konnten nichts aus ihm rausbekommen, also haben wir drei anderen entschieden, alleine weiterzumachen. Wir wollten das unbedingt, eigentlich mit Malcolm. Wir hofften, dass er zur Band zurückkommen würde. Malcolm ging dann in eine Entzugsklinik für einige Wochen. Zu der Zeit hatten wir mit Virgin abgesprochen, dass wir für ein Wochenende ins Studio gehen, um neue Demos aufzunehmen. Am Freitagabend trafen wir Malcolm im 606 Club in Clapton und es ging ihm okay und er war ganz ruhig. Er sprach davon, wieder mit uns aufzutreten, und fragte, ob wir auf seiner Soloplatte spielen wollten. Wir haben ihn wohl gefragt, ob er auf unserer Platte singen wollte. Wir waren froh, wieder zusammengefunden zu haben. Aber nachdem wir es monatelang mit einem Drogenabhängigen zu tun hatten, wollten wir die Studiozeit trotzdem noch nutzen. Das taten wir, kamen erst am Montag wieder aus dem Studio raus und gingen zurück zu Ruffys Wohnung, und um 14 Uhr war ein Meeting mit Virgin anberaumt. Gegen Mittag bekamen wir einen Anruf von jemandem, der mit Malcolm auf einen Drink verabredet war. Malcolm lebte damals wieder bei seinen Eltern, eine ruhige Mittelklassefamilie. Malcolm und der Typ hatten sich also in einer Bar getroffen und anscheinend hat sich Malcolm dann einen Beutel Heroin besorgt, nach zwei Wochen Drogenpause. Er hatte sehr starken Stoff bekommen. Wieder zu Hause verschwand er im Bad und es war nichts mehr von ihm zu hören. Irgendwann nahm sein Vater eine Leiter, schaute von außen durch das Badezimmerfenster und sah ihn da in der Wanne unter Wasser liegen. Dann traten sie die Tür ein. Malcolm hatte die dumme Idee gehabt, die Drogen im der Badewanne zunehmen, wodurch er unter Wasser sank und ertrank. Also bekamen wir einen Anruf, dass Malcolm gerade gestorben war. Wir hatten direkt im Anschluss dieses Meeting mit Virgin, was super schwer war in dem Moment. Wir fragten sie dann einfach: „Wollt ihr die gute oder die schlechte Nachricht hören?“
Segs: Wir wollten ja nur unser Ding am Laufen halten, deswegen haben wir die Demos aufgenommen. Es ging nicht darum, Malcolm loszuwerden. Wir hatten ihn ja irgendwie auch gefeuert, als wir sagten, so können wir nicht weitermachen, aber das war irgendwie der letze Strohhalm für ihn und er wollte zurückkommen. An den zwei Studiotagen wussten wir auch nicht, was als Nächstes zu tun wäre, und es war alles sehr surreal.
Ruffy: Wie wäre es weitergegangen? Es wäre sicher nicht eine reine Punkband mit ihm gewesen. Malcolm hat verschiedene Musik und Bands gehört, „Die Mensch-Maschine“ von KRAFTWERK, viel Reggae und auch Pop-Musik, ELO, frühen House und HipHop.
1980 verstarb auch JOY DIVISION-Sänger Ian Curtis. Beide Bands befanden sich damals auf ihrem Höhepunkt. Gab es Verbindungen zu JOY DIVISION, kannte man sich, gab es gemeinsame Konzerte, wusste man überhaupt von einander?
Segs: Nein, wir kannten sie nicht, wir sind nie mit ihnen aufgetreten. Es war eine total neue und andere Szene. Wir hatten nicht wirklich etwas gemeinsam. Eine andere Szene, mit der wir viel gemeinsam hatten, waren die 2Tone-Bands und wir waren gut befreundet mit den SPECIALS und SELECTER und so weiter. Das ganze JOY DIVISION-Ding war einfach eine andere Bewegung, sehr dunkel. Die Leute fingen da gerade erst an, so was zu hören. Sie hatten gute Songs. Malcolm interessierte sich dafür und wir begannen, uns auch dafür zu interessieren. Aber es gab keine Verbindung.
Ruffy: Ich mochte das, was sie machten, ich habe mir den Beat für „Babylon’s burning“ ein bisschen dort abgeschaut, diesen „frantic 16 beat a bar style“. Das habe ich aber erst vor kurzem wirklich gemerkt und gedacht, ich muss das wirklich gemocht haben damals.
Segs: Wir haben immer viel Musik gehört, dazu Dope geraucht, was getrunken, gespielt, weiter Musik gehört. Und wir haben neue Sachen gehört und sind davon beeinflusst worden, Ruffy hatte eine fantastische Plattensammlung und Einflüsse kamen von DEVO, CAPTAIN BEEFHEART, JOY DIVISION, THE CLASH. Wir haben ständig neue Sachen ausprobiert, und es hieß immer: Hast du dies gehört, hast du das gehört? Eigentlich alles zeitgemäße neue Musik, auch PARLIAMENT zum Beispiel. Wir haben immer die Songs um die Bassline und die Drums herum aufgebaut, und bevor Foxy überhaupt dazukam, hatten wir schon das Gerüst. „It was cold“ etwa war ursprünglich von ELO beeinflusst.
Ruffy: Der Unterschied zwischen JOY DIVISION und THE RUTS war, dass sie schnell die Lieblinge der Presse wurden. Sie waren einfach künstlerischer und wurden viel ernster genommen. THE RUTS waren keine Artschool-Band, wir waren einfach Working Class und wir thematisierten unsere Situation, da war nicht viel Kunst dabei. Ian Curtis wurde so schnell zu einer Ikone, während Malcolm einfach ein dummer Drogensüchtiger war. Die Musikpresse hat uns nie gemocht, aber die Kids liebten uns. Und wir konnten super spielen!
Segs: Heutzutage sagt man uns oft, wie einflussreich wir waren, aber damals waren wir nicht die Lieblinge der Punk-Szene. So ging es wohl nur noch THE DAMNED. Als wir dann „Animal Now“ aufnahmen, war der Einfluss von Ian Curtis und JOY DIVISION wohl am größten, weil es so eine düstere Phase für uns war. Mein Vater war auch zwei Jahre zuvor gestorben. Bei dem Song „Parasites“ gibt es ja die Textstelle, „Disco Queen sings dead man’s dreams“, das bezog sich auf Grace Jones, die eine Reggae-Version von „She’s lost control“ von JOY DIVISION aufnahm.
Segs, als du die Rolle des Sängers übernommen hast, fiel es dir da schwer, die Lücke zu füllen? Wie hast du dich dabei gefühlt? Immerhin hast du auch diesen besonderen London-Tonfall in der Stimme.
Segs: Ich habe es gehasst. Als wir das Meeting bei Virgin hatten, fragten wir uns, was wir tun sollten. Malcolm war jetzt tot und es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder wir lösen uns auf oder wir spielen weiter. Wir hatten nicht wirklich vor, uns THE RUTS DC zu nennen. So wie JOY DIVISION ihren Namen in NEW ORDER änderten und nicht JOY DIVISION II genannt werden wollten. Aber die Plattenfirma erklärte uns, dass wir den Namen THE RUTS behalten müssen oder sonst gefeuert würden, und so kamen wir zu dem Kompromiss THE RUTS DC. Heute können wir damit leben, damals war das schwierig. Wir nahmen also weiter auf, mit all der Trauer um uns, und es hieß: Segs, kannst du die Songs singen? Ab da hatten wir keinen Hauptsänger mehr, jeder von uns hat dann auf „Animal Now“ gesungen. Einfach und demokratisch, aber das war dann etwas verwirrend, weil keiner wusste, welchen Song ich, Paul oder Ruffy singen würden. Und so kam es zu dieser Konfusion, das war sehr schwierig für uns. Heute ist das okay für mich, alles zu singen, und es machte damals auch nur in Deutschland oder so einen Unterschied, da wir hier vorher getourt hatten. In Amerika, wo wir als THE RUTS nie aufgetreten waren, bin ich einfach der Frontmann. Da war das nie ein Problem. Damals waren wir sehr verwirrt, haben irgendwie unsere Trauer überspielt, aber es war dann besonders schwer, wenn wir nach Malcolms Tod mit ihm verglichen wurden. Was natürlich nie unsere Absicht war. Wir wurden einfach durch unseren eigenen Erfolg als THE RUTS gekillt. Wir waren an sich nie eine Popband, aber der frühe Erfolg hat uns dazu gemacht. Als THE RUTS DC wollten wir nie damit konkurrieren und zeigen, dass wir besser sind. So war das nicht gemeint. Die Leute verstehen das heute. Damals waren wir erst Punk-Reggae, dann haben wir was mehr Rockiges gemacht und dann Dubwise. Wir konnten auch solche Songs wie „Jah war“ nicht mehr schreiben, wie damals über die Rassenunruhen in Southall, wir schrieben selbstreflektierende Songs oder welche über Plattenlabels, wie „Parasites“. Das alles ist uns sehr an die Substanz gegangen damals. Und die ganze Szene wurde immer negativer. Es würde immer schwerer als THE RUTS DC, besonders auch auf unserer Europatour 1982.
Ruffy: Außerdem wurde uns mitgeteilt, dass wir pleite seien. Obwohl wir viele Platten verkauft hatten, war das Geld in der Plattenfirma irgendwie verschwunden. Wir sagten uns: Okay, wie viel haben wir noch? Wir bekamen 1.000 Pfund zusammen und überlegten uns, was wir damit machen könnten. Wir waren eigentlich am Ende, aber wir wollten die Musik spielen, die wir mochten, und wir liebten Reggae und den Sound von Fela Kuti, also suchten wir nach einem Studio, das wir uns mit diesem Budget leisten konnten. Irgendwie fanden wir dann den Mad Professor, der ein Studio in seiner Wohnung hatte. Er hatte für Soundcraft gearbeitet und baute seine eigenen Mischpulte. Es war total verrückt, überall lagen Kabel herum. Die Tür öffnete uns seine genervte Frau, er saß im Schlafzimmer mit all den alten Ampeg-Amps. Er war einfach eine englische Version von Lee Perry für uns und wir wussten, hier wollen wir aufnehmen. Also kamen wir mit einigen Tüten Gras vorbei und es war wirklich befreiend. Sehr minimalistische Aufnahmen, aber wir konnten spielen, was wir wollten, und waren glücklich drüber und fühlten uns befreit. Danach hatten wir ein paar Shows und das befreite uns endgültig und anschließend gingen wir getrennte Wege. Segs zog nach Paris, ich spielte in vielen anderen Bands als Tourdrummer, wie für AZTEC CAMERA, Marc Almond, THE WATERBOYS, Sinéad O’Connor, Kirsty MacColl, ich war wirklich glücklich. Und wir blieben gute Freunde.
Wie empfindet ihr heute den Status von Reggae im Vergleich zu Rock? Im so aufgeklärten Musikbiz scheint immer noch eine heimliche Trennung nach Hautfarbe und Sound zu herrschen. Die weißen Kids hören eher Rock, Punk oder Rock’n’Roll, während die schwarze Kids eher auf Reggae, Dancehall oder R&B stehen. Nur beim HipHop und im Pop scheinen diese unsichtbaren Grenzen aufgehoben zu sein.
Segs: Ich glaube nicht, dass das so ist, jedenfalls nicht meiner Erfahrung nach. Ich bin ein Weißer, ich mag Reggae und genauso sehr ich liebe Rock. Die meisten meiner schwarzen Freunde sehen das ähnlich. Es ist einfach: Yeah, ich spiele in einer Rockband. England ist da vielleicht auch etwas anders mit seiner bunt gemischten Bevölkerung.
Ruffy: Ja, aber in England ist es auch etwas Besonderes, es gibt eine große schwarze Community. Als ich aufwuchs, hörten wir die Musik, die unsere Eltern mochten, etwa Pop-Balladen, gleichzeitig gab es in der Mitte der Sechziger rauhe Rocksteady-Songs, zum Beispiel „Wet dream“ von Max Romeo. Obwohl ihn die BBC nie spielte, war der Song sechs Wochen lang auf Nummer eins in den Charts. Ich glaube, die Leute wissen heute einfach mehr über gute und schlechte Musik Bescheid. Es gibt verschiedene Wurzeln und das ist es, was für mich wirklich zählt. Roots Music – das kann Rock’n’Roll, Country, HipHop, Punk oder Reggae sein. Musik, die von Menschen für Menschen gemacht wird und nicht für den Kommerz.
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