ROTE GOURMET FRAKTION

Foto

Klasse Mampf!

Erst fiel mir der Name irgendwo auf, und verdammt, der ist ja auch genial. Und dann kamen die Assoziationen, bevor ich noch mehr über die „Rote Gourmet Fraktion“ wusste: Ich hatte das Bild eines tourenden Volxküchen-Kombinats vor mir, für Bands kochende Hardcore-Veganer, und nein, so ganz trifft diese Beschreibung nicht das, was die beiden Enddreißiger Ole Plogstedt und Jörg Raufeisen so machen. Sie sind „Reiseköche“, betüddeln tourende Bands wie DIE ÄRZTE und DIE TOTEN HOSEN nebst Crew auf Tour, damit die und vor allem ihre vielköpfige Mannschaft was Vernünftiges zu essen bekommen. Über die letzten zwölf Jahre ist aus dem kleinen Zwei-Mann-Team eine feste Größe in Sachen Tour-Catering geworden, speziell die fantasievollen Namen für die sowohl vegetarischen wie auch fleischhaltigen Gerichte erheitern den stressigen Touralltag, und vor allem soll, wer hart arbeitet, auch mehr zu essen bekommen als immer nur Pommes, Döner und Pizza. Also stand schon lange ein Interview mit der RGF auf der Liste, doch als dann das RGF-Buch erschienen war, war auch die Lust darauf wieder etwas geschwunden, etwas zu arrogant und großkotzig kamen die beiden Herren da rüber. Und dann Anfang 2005 eine Zufallsbegegnung, als sowohl Jörg und Ole wie Uschi und ich vom Koch-TV-Sender tv-gusto als Studiogäste in Sachen „Kochende Punks“ geladen waren. Spontan fand man sich sympathisch, der zwiespältige Eindruck des Buches war sofort vergessen, und man vereinbarte einen Interviewtermin, der schließlich nach dem Hosen-Tourabschiedskonzert in der Düsseldorfer Joachim-Erwin-Pleite-Arena in einem teuren, aber in Sachen Menüqualität eher zweitklassigen Etablissement namens „Malkasten“ stattfand.

So, dann fangen wir mal an: Ihr seid also die „Rote Gourmet Fraktion“. Wann habt ihr euch gegründet? 1977, im „Deutschen Herbst“?

Ole: Nein, der Name ist entstanden, als wir in der Nacht vom 8. auf den 9. November 1989 in Berlin in meiner Wohnung in Berlin-Kreuzberg zusammen gekocht haben. Irgendwie kamen wir dann von dem alten Labelnamen „Aggressive Rockproduktionen“ auf „Rote Gourmet Fraktion“.
Jörg: Wir alberten eben herum, redeten davon, dass wir ja mal was zusammen machen könnten. Wir arbeiteten damals zusammen im Steigenberger-Hotel. Na ja, nach diesem Abend reifte der Name dann noch etwas, natürlich im Barrique-Fass. Ein Jahr nach der Maueröffnung verließen wir beide Berlin, und der Name lagerte dann erstmal noch ein paar Jahre.
Ole: Du hast mir aber damals mal ein selbstgemachtes T-Shirt zum Geburtstag geschenkt, da hattest du einem Totenkopf von einer MIMMI’S-Platte einen Hut aufgesetzt und in Schnörkelschrift „Rote Gourmet Fraktion“ dazugeschrieben. Das war das allererste RGF-Logo.
Jörg: Wir arbeiteten dann erstmal beide ein paar Jahre in unterschiedlichen Restaurants in Hamburg, und in der Zeit reifte der Entschluss, sich selbständig zu machen, wobei der Name da schon längst klar war.

Der Name löst natürlich sehr starke Assoziationen aus ...
Jörg: Ja klar, aber hat auch den großen Vorteil, dass er wie ein Filter funktioniert und man so von Leuten, mit denen man nichts zu tun haben will, auch gar keine Anfragen bekommt. So hat man weniger Arbeit, weil man nur mit Leuten arbeitet, mit denen man auf einer Wellenlänge liegt. Unsere Kunden haben eben auch den gleichen Humor wie wir.

Ihr habt es ja eben schon erwähnt: Ihr seid keine Autodidakten, sondern habt das Kochen auch so richtig gelernt.
Ole: Wie man’s nimmt: Ich bin Konditor-Autodidakt, und Jörg ist Koch-Autodidakt.
Jörg: Na ja, Ole ist eben gelernter Koch und ich habe eigentlich Konditor gelernt. Ich habe aber bald eine Mehlallergie bekommen, musste wegen des Staubs aus der Backstube raus und fing in einem Hotel an, habe Desserts, Kuchen und Pralinen gemacht. Und so landete ich in der Küche und lernte Ole kennen, der da als Koch arbeitete.
Ole: Das war Ende der Achtziger, da machte ich gerade noch meine Lehre.
Jörg: Ja, und du warst DJ in einer Reggae-Disco.
Ole: Stimmt, weshalb ich auch in der Berufsschule so einiges verpasst habe.

Aber wieso macht man eine Lehre als Koch oder Konditor? Wenn man Punk ist, will man doch Spaß haben und nicht einen Job machen, bei dem man früh raus oder abends lange arbeiten muss.
Jörg: Von wegen: Ich hab’ um acht angefangen und hatte um fünf Feierabend. Frühmorgens will doch noch niemand Pralinen oder Kuchen essen. Und mein Lehrbetrieb hatte am Sonntag geschlossen, also konnte ich am Samstagabend immer weggehen. Konditor ist der Beruf, den ich von klein auf machen wollte, das war kein Job, den ich gegen meinen Willen lernen musste.
Ole: Ich wollte immer schon Koch werden, Berufsarbeitsloser zu sein stand für mich nie zur Debatte. Also machte ich meine Lehre, und dass man da abends länger arbeiten muss, hatte für mich den Vorteil, dass ich nach der Arbeit immer noch schön lange weggehen konnte. Obwohl ich es dann später in Berlin auch mal geschafft habe, meinen Spätdienst zu verschlafen ...
Jörg: Und von wegen Punk: Das heißt für mich, dass ich mache, wozu ich Lust habe, und nicht, irgendwo in der Ecke zu sitzen und die Schuld für mein Leben, wie es ist, anderen in die Schuhe zu schieben. Und Punk hat viel mit Musik zu tun, um Punk zu sein, muss ich mir nicht Nägel ins Gesicht hauen und die Haare bunt machen.

Was ist Punk für euch?
Jörg: Punk, das ist für mich sowieso eine Sache des Kopfes, nicht des Aussehens. Das sind Menschen, die immer etwas Sand im Getriebe sind, die ihr eigenes Ding machen, und wenn die Porsche fahren, ist mir das auch egal. Punk in der klassischen Form gibt’s nicht mehr, das war irgendwann mal neu und gut, das ist es aber nicht mehr.
Ole: Man wird immer so reduziert auf Äußerlichkeiten, auf dieses Punk-Ding. Dabei fühle ich mich schon auch heute noch als Punk, nach meiner eigenen Definition.

Ihr erwähntet vorhin, dass ihr aus Hamburg kommt.
Jörg: Ich bin in Hamburg geboren, wuchs in ein Schleswig-Holstein in einer Kleinstadt auf, ging dann nach dem Zivildienst nach Hamburg, und nachdem ich dort dann Freundin, Wohnung und Job los war, ging ich nach Berlin.
Ole: Ich komme aus Berlin und habe nach der Lehre in verschiedenen Läden gearbeitet, bis ich dann was fand, was zwar fürs Renommee nicht so gut war, wo ich mich aber selbst einbringen konnte mit der Karte und so. Irgendwann hatte ich aber auch davon genug, wollte dann, wie originell, eine Kneipe aufmachen, woraus aber zum Glück nichts wurde.

Wie kam es dann dazu, dass aus dem Namen RGF auch wirklich eine Firma wurde?
Ole: Die Idee entstand bei nächtlichen Kneipengesprächen, wo ja immer nur Leute sitzen, die was mit Rock’n’Roll oder Gastronomie zu tun haben. Da kam dann die Idee auf, was mit Catering zu machen, wir haben das alles mal kalkuliert, haben erstmal lokale Sachen gemacht und irgendwie kamen wir dann an unseren ersten Job, da haben wir dann für THE CULT auf Tour gekocht.
Jörg: Das war dann auch eine Erfahrung ... Wir haben nachts noch gespült, während die Band schon in der nächsten Stadt war. Und wir hatten natürlich noch Ehrfurcht vor den Forderungen des Tour-Riders, haben alles gekocht und gemacht, was da stand. Später haben wir dann kapiert, dass man da eben selektieren muss.
Ole: Bei der nächsten Sache haben wir dann erstmal Lehrgeld gezahlt, das war so ein Festival in Hamburg, da haben wir uns wegen komischer Forderungen des Veranstalters völlig verkalkuliert und sogar draufgezahlt. Wir waren halt noch jung und dumm und haben uns verarschen lassen. Bald darauf hat uns dann Felsenheimer von den ÄRZTEN angerufen, der mitbekommen hatte, was wir so machen. Er erzählte, dass die ÄRZTE ihre Reunion machen, das war 1993. Wir haben dann erstmal für die Show in Hamburg gekocht, und das lief so gut, dass sie uns dann direkt für’s Catering der Reunion-Tour gebucht haben. Davor waren wir dann noch mit den RUBBERMAIDS unterwegs, und da hatten wir dann erstmals mehr Cases dabei als die für die Backline brauchten.

Wie kam es denn überhaupt zu der Idee, als „Fahrende Köche“ mit einer Band auf Tour zu gehen?
Jörg: Das kam einfach irgendwann auf, dass sich größere Bands Leute mitgenommen haben, die individuell auf die Bedürfnisse des Tourtrosses eingehen können, speziell auch der Vegetarier. Heute, da immer mehr Leute Lebensmittelallergien haben, ist das nur noch wichtiger geworden, denn bevor man jeden Abend aufs Neue erklären muss, dass der dies und der das nicht essen kann oder will, nimmt man eben jemanden mit. Das ist aber vielleicht auch so eine Zeitgeistgeschichte.
Ole: Ich denke, das fing damit an, dass irgendwer mal einen Kocher und ein paar Töpfe mit auf Tour genommen hat, damit es nicht immer nur belegte Brötchen gibt. Und mit der Zeit sind dann eben die Ansprüche gestiegen, und irgendwann stiegen auch Profis ins Geschäft ein, wobei ich uns gar nicht mal als Profis bezeichnen möchte. Wir sprangen damals ins kalte Wasser, haben auf Tour das gemacht, was wir aus dem Restaurant kannten, nämlich Tellerchen anzurichten. Das kannten die ganzen Bands natürlich so nicht, da war bis dahin eher ein Schlag Pampe aus dem großen Kessel üblich, Gulasch mit Reis und Brot, und Vegetarier durften sich die Fleischbrocken rauspicken.
Jörg: Es gab natürlich auch schon andere Cateringfirmen, aber wir haben nie bei einer anderen gearbeitet, so dass wir gar nicht wussten, wie andere ihren Job machen. Und so haben wir manches ganz anders gemacht, was durchaus auch mal für Verwirrung gesorgt hat. So haben wir von Anfang an unser eigenes Ding gemacht und das bis heute durchgezogen.
Ole: Auf der Tour mit den ÄRZTEN haben wir echt viel gelernt, da wurden wir auch erzogen. Na ja, und danach haben wir dann Luci Lectric gemacht, und dann bekam Campino von uns Wind, wollte uns auf Tour haben, und dann haben wir diese Comedytruppe „Frühstyxradio“ gemacht, und so ging das weiter. Das war schon teilweise sehr anstrengend, und wir hatten damals auch noch kein richtiges Lager, sondern eine Garage am Stadtrand. Alle Lebensmittel stapelten wir in unserer gemeinsamen Wohnung in Kisten im Flur. Wir hatten nicht die Kohle, uns ein richtiges Lager zu leisten, und auf Tour gingen wir mit einem alten VW-Bus.

Was ihr da macht, ist aber doch eigentlich auch der totale Luxus. So eine normale Punkband geht auf Tour, hat ihren Bandbus, quetscht sich mit fünf, sechs, sieben Mann in den Sprinter und ist froh, wenn sie im Club oder JuZe was zu essen bekommt und von ihrer Gage nach Abzug der Unkosten noch ein paar Euro übrig bleiben. An eine eigene Kochtruppe ist also erst ab einer gewissen Größenordnung zu denken.
Jörg: Klar, aber man darf nicht vergessen, dass so eine Band das nur zu einem geringen Teil für sich selbst macht, sondern vielmehr für ihre Crew. Das sind die Leute, die ab morgens um acht für das Konzert am Abend arbeiten und die erst nachts um zwei wieder im Bus sitzen. Die Band, die hat zwischendurch ja Zeit essen zu gehen. Damit aber die Show abends klappt, damit die ganzen Besucher das bekommen, was sie erwarten, muss alles perfekt klappen. Die Verantwortung für den reibungslosen Ablauf liegt also ganz allein bei der Crew, die dafür jeden Tag aufs Neue ran muss, und damit die auch nach drei Wochen möglichst ungenervt und gesund sind, muss man sich um die kümmern, denen was Vernünftiges zu essen hinstellen. Und das ist unser Job.
Ole: Es wird ja immer gerne so dargestellt, als ob die Bands, die uns buchen, die Superluxusköche mit an Bord hätten. Da kommen dann so Sprüche wie „Punk lebt, und er lebt sehr gut“. Dabei kochen wir ganz normale Sachen, haben aber einfach Spaß daran. Und wenn Leute sagen, dass unser Essen lecker war, dann freuen wir uns. Es ärgert den einen oder anderen Musiker auch, wenn sie sich so Sprüche von wegen Luxusköche mit auf Tour anhören müssen. Dabei hat jede Filmproduktion ihr Catering, beim Messeaufbau gibt’s das, das ist ganz normal. Nur kriegen wir halt, weil wir etwas anders sind, mehr Aufmerksamkeit. Bei uns gibt’s keine weißen Tischdecken, keinen Hummer und keinen Kaviar. Wir kochen mit ganz normalen Zutaten. Klar, unsere Dienstleistung kann sich nicht jede Band leisten, aber so ist das nun mal.

Dass ihr nur entsprechend große Bands als Kunden habt, ist also einfach den Bedingungen des Touralltags geschuldet.
Jörg: Ja klar. Bei so einer großen Produktion haben alle Beteiligten zu unterschiedlichen Zeiten ihre Pausen, da ist gutes Timing wichtig. Du musst also immer was zu essen bereithalten. Das Kochen ist dabei dann auch gar nicht mal das Wichtigste, sondern dass immer was zu essen bereit steht, wenn die Leute Pause haben. Und dann musst du als Firma erstmal das Equipment für so eine Dienstleistung haben, das erfordert eben einen gewissen Aufwand.

Ihr seid also auf Tour das, was der Smutje auf einem Schiff ist: Wenn der schlecht kocht, ist auch die ganze Mannschaft schlecht drauf.
Jörg: Nur dass der es noch schwerer hat, denn er hat nicht immer alle Zutaten verfügbar. Wenn er dann aus Scheiße was machen muss, ist er einfach der Arsch. Wir dagegen kommen ja fast immer an alles ran. Und zum Glück hatte bislang auch noch nie jemand Grund, sauer auf uns zu sein. Höchstens aus persönlichen Gründen.

Ist vegetarisches Essen über die Jahre wichtiger oder egaler geworden?
Ole: Das war von Anfang an wichtig. Unsere erste Tour war mit den ÄRZTEN, und da Farin Urlaub Vegetarier ist, war das da schon normal. Dabei soll sich jeder selbst entscheiden können, wie er sich ernährt. Und es ist uns schon immer wichtig, dass es immer richtige vegetarische Gerichte gibt und dass die nicht nur Beilagen bekommen. Früher im Steigenberger war das immer so. Mit viel Glück gab’s dann zur Gemüseplatte noch Sauce Hollandaise ... Und die wurde noch mit Geflügelfond gemacht, das war denen egal. Über die Jahre habe ich festgestellt, dass immer mehr Leute sich vegetarisch ernähren, ja manche erst auf so einer Tour auf den Geschmack kommen, das einfach mal ausprobieren über einen längeren Zeitraum. Oder dass die aus Versehen vegetarisch essen und dann ganz überrascht sind, dass ihnen das schmeckt. Wir stellen eben immer so „Showteller“ da hin, damit die Leute sich auch anschauen können, was es gibt. Anfangs haben wir das nicht gemacht, da hing da nur ein Zettel, mit der Konsequenz, dass die Leute nur gegessen haben, was sie auch kannten.
Jörg: Oder du bist mit Australiern unterwegs, die nicht verstehen, was es zu essen gibt, oder du hast Hip-Hopper, die gar nicht lesen können ... Na ja, und dann fingen wir, den Leuten zu zeigen, was es gibt. Und wir lassen uns immer schöne Namen einfallen. Gestern etwa gab es Schnitzel und so, das war dann der „Truckerteller“, und die „Muschirolle“, das war das vegetarische Gericht für die Weicheier, haha. Damit machen wir natürlich auch unsere Witze, wobei die harten Typen, die darauf bestehen, dass sie ihr Fleisch brauchen, in dem Moment gar nicht merken, dass man sich auch über sie lustig macht.

Gibt es eigentlich je nach Musikrichtung der zu bekochenden Band auch Unterschiede in den Gerichten, wollen Hip-Hopper was anderes als Punker?
Ole:Nee, also kulinarisch gibt es da keine Unterschiede.
Jörg: Mir ist das auch völlig egal, was jemand für Musik macht, wobei es mit politischen Ansichten was anderes ist. Stören tun mich nur extreme Ansichten, wenn das in Richtung Menschenverachtung geht.

Für die BÖHSEN ONKELZ hättet ihr also nicht gekocht.
Jörg: Selbstverständlich nicht. Ich meinte jetzt aber eher eine Band wie ROSENSTOLZ. Deren Musik kannte ich vorher nicht, das ist auch nicht mein Ding, aber das sind supernette Leute. Oder wir waren mit FANTA 4 unterwegs, die ich dann auch irgendwann musikalisch okay fand, oder mit einer irischen Steptanzgruppe. Gut finde ich einfach immer, wenn Leute das machen, was ihnen Spaß macht, wenn sie zuvor durch eine lange Phase der Erfolglosigkeit mussten, um ihr Ziel zu erreichen.

Bekommt ihr eigentlich auch mal Trinkgeld?
Jörg: Das gab’s bisher erst einmal, das kam von den VILLAGE PEOPLE, die haben uns 100 Dollar zugesteckt. Den Schein habe ich heute noch am Schreibtisch hängen.

Wie geht das ganz praktisch zu, wenn ihr kocht? Dass da mehr im Spiel ist als ein VW-Bus und ein paar Kisten mit Töpfen, das sollte ja mittlerweile klar sein.
Jörg: Wir sind über die Jahre immer mehr gewachsen, und das bedeutet praktisch, dass du auch immer mehr Messer, Gabeln, Löffel und Teller brauchst. Entsprechend brauchst du auch immer mehr Cases, also die Transportkisten, und du brauchst Kühlschränke – Spezialkonstruktionen, die auch noch kühl halten, wenn man sie ausgestöpselt hat –, Herde, Kisten mit Schubladen für die ganze Ausrüstung, für Gewürze, Nudeln, Zucker, Mehl ... Das nehmen wir ja mit, das kauft man nicht jeden Tag neu ein. Das wurde über die Jahre immer mehr, und mittlerweile kriegen wir damit einen gemieteten 7,5-Tonner voll.
Ole: Wir mussten uns da auch richtig Sachen ausdenken, denn in Deutschland werden anders als in England, wo im Zweifelsfall ein Lkw mehr fährt, die Lkw bei Touren sehr eng und voll gepackt und entsprechend werden Kisten auch mal gekippt und hochkant gestellt. Also haben wir beispielsweise für Öl, wo man ja oft angefangene Flaschen hat, solche Spezialflaschen aus dem Trecking-Shop geholt, und da kann nichts auslaufen. Wir haben halt viele Cases, darunter auch ein „worst case“, das ist die schwerste Kiste von allen.

Ihr schleppt also alles mit, was ihr braucht?
Ole: Bis auf die Spüle, die ist vor Ort. Aber unsere Herde, also wir haben da so große Ceran-Kochfelder, bringen wir selbst mit, da brauchen wir nur Strom. Und die Mikrowelle, die braucht man einfach, weil nie alle zur gleichen Zeit essen und Musiker auch mal nach der Show was Warmes haben wollen.
Jörg: Nach der Show kann man nicht mehr kochen, da müssen die Herde abgekühlt sein, damit man sie einpacken kann.

Und was ist mit Backöfen?
Ole: Da haben wir nur einen kleinen, das ist ein kleiner Nachteil, solche Gerichte sind meist nicht praktikabel auf Tour, deshalb konzentrieren wir uns auf Sachen, die man im Topf kochen kann.

Für wie viele Leute kocht ihr denn in der Regel? Für 20, für 200?
Ole: Das sind zwischen 40 und 200, für weniger selten, für mehr auch nicht.

Und mit wie vielen Leuten arbeitet ihr?
Ole: Also es gibt Touren, da arbeiten wir wirklich nur zu zweit. Aber wir haben jetzt auch mehr Equipment, und da haben wir auch Helfer mit dabei. Jetzt, bei dieser Produktion mit den TOTEN HOSEN, waren insgesamt 13 Leute beschäftigt. In der Küche waren wir zu sechst, wobei mein Job da eher das Organisieren war als das Kochen.
Jörg: Das sind alles Leute, die man lange kennt, mit denen man hier und da schon mal zusammengearbeitet hat. Über die Jahre lernt man halt viele Leute aus der Branche kennen, die haben ihren normalen Job, die kommen dann mal mit uns mit, um auch mal was anderes zu machen. Die haben da richtig Spaß dran, denn in so einem Restaurant machst du eben immer das Gleiche, da kannst du deiner Phantasie keinen Lauf lassen. Das wäre so, als ob du für eine Tageszeitung schreiben müsstest und ständig würde dir jemand sagen, dass du diese oder jene Platte auf keinen Fall besprechen kannst. Na ja, und da macht es einem Koch eben auch mal richtig Spaß, sich bei uns austoben zu können. Das ist halt was anderes als in einem angesagten Restaurant mit so einem wichtigen Küchenpsychopathen arbeiten zu müssen.

Streitet ihr euch denn auch mal bei der Arbeit, wenn es richtig stressig wird?
Jörg: Es gibt schon immer wieder mal Spannungen, aber das war früher heftiger als heute, denn wir kennen uns nun doch schon ganz schön lange. Man ist natürlich schon mal genervt oder gestresst, aber man weiß, dass man bei der Arbeit zu funktionieren hat. Jeder hat so seine Macken.

Habt ihr eigentlich getrennte Betten, sprich: Habt ihr im Hotel je ein Einzelzimmer?
Jörg: Ja, und zwar auf verschiedenen Etagen! Anfangs hatten wir immer ein Doppelzimmer, aber Einzelzimmer haben schon Vorteile: Ole raucht, ich nicht, dafür schaue ich lange fern, und so weiter.
Ole: Und man kann so auch frei entscheiden, welchen der beiden Pay-TV-Kanäle man sehen will ...
Jörg: Man braucht auch einfach mal etwas Privatsphäre, wenn man die ganze Zeit zusammen rumhängt. Sonst wird man echt irre.

Wenn man irgendwelche Dokus oder Filme über Restaurantküchen sieht, dann wird da immer viel gebrüllt und das wirkt aggressiv. Ist das bei euch auch so?
Ole: Klar, der Job ist anstrengend und dann gibt’s da auch mal Gebrülle, aber das ist alles nicht so, wie es aussieht. Du bist da bei der Arbeit, und der Chef, der brüllt, damit das bei dem Lärm in der Küche auch alle hören. Und so brüllen auch wir mal rum, dass wir ’ne Pfanne brauchen oder dass jemand dieses oder jenes machen soll.
Jörg: Und ich muss einfach laut reden, damit ich sicher gehen kann, dass das jeder hört. Das erweckt dann schon mal den Eindruck eines rauhen Tonfalls, aber so ist das nicht. Und man muss in der Küche auch energisch auftreten, um ernst genommen zu werden. Aber klar, es gibt in dem Beruf auch eine Menge Choleriker.

Warum buchen euch die Leute? Nur weil ihnen euer Essen schmeckt, oder auch, weil es irgendwie cool ist, sich von euch bekochen zu lassen?
Jörg: Puh, keine Ahnung. Die rufen an und fragen, ob wir Zeit haben, und dann machen wir das oder eben nicht. Warum die uns wollen, keine Ahnung. Ich hoffe, weil ihnen unser Essen schmeckt.
Ole: Weil sie Spaß daran haben, zu uns in den Catering-Raum zu kommen, weil da alles schön dekoriert ist. Bei uns stehen halt Totenschädel neben dem Salat und nicht Blümchen. Uns ist wichtig, dass die Leute ihr Catering wieder erkennen, dass die sich auf Tour zuhause fühlen. So Backstageräume können ja so furchtbar ungemütlich sein! Und wenn die Leute morgens aus dem Nightliner stolpern, dann wollen die erstmal einen Kaffee, und wir sorgen dafür, dass der jeden Tag in jedem Backstageraum immer an der gleichen Stelle steht. Das ist immer gleich aufgebaut, da fühlen sich die Leute zuhause, obwohl sie nicht zuhause sind.

Wie anstrengend ist das denn, was ihr da macht?
Ole: Sehr. In der Regel fahren wir bei Touren immer die deutschsprachigen Länder mit, und so eine Tour kann schon mal vier Monate dauern, mit kurzen Pausen.
Jörg: Anstrengend wird das dadurch, dass wir morgens um sieben als erste aufbauen, und dann abends die letzten sind, so um eins, zwei. Die Zeit dazwischen ist dann mit Duschen, Bier trinken, Einkaufszettel schreiben und wieder runterkommen nicht gerade lang. Nach drei Tagen haben diese großen Bands aber immer einen Off-Day, die müssen sich ja auch erholen, und da machen wir dann unsere Abrechnung und den Menüplan für die nächsten Tage. Und wir pennen, mit groß ausgehen ist da nichts.
Ole: Das ist schon ein sehr komprimiertes Arbeiten, aber das ist auch okay, denn in der Zeit, die wir dann zuhause sind, ist es dafür ruhiger. Da schreiben wir dann Angebote für die nächsten Touren und beschäftigen uns mit Sachen wie dem Buch, einem Event wie „Kochen gegen rechts“ und so weiter. Und nach einem Monat oder so geht’s dann wieder los.
Jörg: Anstrengend ist auf Tour vor allem das frühe Aufstehen, das ständige Durcharbeiten. Nach der Essensausgabe ist keine Zeit, sich mal hinzusetzen, da muss man aufräumen und einpacken, damit man rechtzeitig loskommt.

Gibt’s auch mal richtig Druck, wenn das Essen mal nicht rechtzeitig fertig ist?
Ole: Nein, das ist alles nicht so schlimm.
Jörg: Mal kommst du spät an, dann gibt es kein Wasser, der Strom fällt aus, und so weiter. Da haben dann alle Verständnis, wenn es etwas später wird.

Fahrt ihr denn selbst?
Ole: Das haben wir früher gemacht, heute haben wir einen Platz im Nightliner und unseren Lkw fährt jemand anderes.
Jörg: Das waren früher so Selbstmordkommandos: Nachts arbeiten und dann noch von Köln nach Berlin fahren, das würde ich heute nie mehr machen. Oder du stehst vor einem Hotel ohne Nachtportier, liegst erst um 6 im Bett und musst eine Stunde später wieder los.

Ihr macht alles in allem also richtig straightes Business, mit irgendwelchen Anarcho-Volxküchen-Assoziation, die der Name vielleicht auslöst, hat das nicht wirklich was zu tun.
Jörg: Nee, aber die DEAD KENNEDYS waren ja auch nicht alle tot.
Ole: Wir sind ja keine Dogmatiker, auch wenn wir politisch gesehen schon eher links sind.

Hört ihr denn Musik beim Kochen?
Ole: Na klar! Ich habe einen iPod und der läuft dann immer nonstop im Shuffle-Modus durch. Musik in der Küche ist auf jeden Fall wichtig, da läuft wirklich von morgens bis abends was, wobei wir aber auch mal etwas leiser machen, wenn die Leute essen. Die haben ja auch den ganzen Tag laute Musik um sich herum.

Gibt’s da Präferenzen?
Jörg: Nicht auf Tour, aber zuhause beim Kochen durchaus. Da mache ich dann schon einen Unterschied zwischen Joe Strummer und GLUECIFER. Auf Tour muss man sich arrangieren, da will Ole DEAD KENNEDYS hören und ich THE BONES. Das „Problem“ sind manchmal die anderen in der Küche, die eventuell gar keinen Punkrock mögen: Deshalb haben wir ein generelles Musikverbot für die ausgesprochen, nur wir haben dazu das Recht, haha. Aber durch die Shuffle-Funktion des iPod hat sich das relativiert, denn da ist ja auch andere Musik drauf, nicht nur Punk. Da gibt’s dann auch mal FANTA 4 oder FETTES BROT, oder Oles heimliche Liebe, der Reggae, kommt durch, und das freut dann auch wieder die anderen.

Wie sieht’s denn mit Berufskleidung aus? Normalerweise haben Köche ja so ihre Uniform, inklusive Mütze. Wie handhabt ihr das?
Ole: Uns wird oft unterstellt, wir würden Kochkleidung blöd finden, aber das stimmt so nicht, denn das ist mit die älteste Uniform der Welt, die schon ihren Sinn hat. Und es gibt heute auch sehr schicke Kochkleidung, ja ich habe sogar in einer schwarzen Kochjacke geheiratet.
Jörg: Die Jacke ist sehr sinnvoll, denn zum einen bist du in der Hitze am Herd, zum anderen in der Kälte des Kühlhauses, da muss man sich schützen. Und dann ist die vorne so doppellagig, damit man vor Verbrennungen geschützt ist. Und die Hose ist auch so weit, dass man sich nicht so leicht verbrennt, das ist also alles durchdacht.
Ole: Ja, aber im Sommer, wenn es heiß ist, stehe ich einfach im T-Shirt in der Küche. Ich fühle mich in anderen Klamotten einfach wohler. Der Nachteil ist freilich, dass ich meine Kochjeans nicht von den normalen Jeans unterscheiden kann, und wenn ich die verwechsle, dann riecht das schon mal etwas, haha.

Wie macht ihr das denn auf Tour mit den schmutzigen Sachen?
Jörg: Also ich habe für einen Monat Wäsche mit dabei, in riesigen Taschen. Und dann gibt’s ja auch noch Waschsalons oder den Off-Day im heimischen Hamburg.

Wie lange macht man das, was ihr da macht? Ich denke, das Tourleben strengt auf Dauer doch ziemlich an.
Ole: Hm, also ich merke schon, dass ich mittlerweile doch die Off-Tage brauche, um mich zu regenerieren, das steckt man alles nicht so einfach weg. Nach so einer Tour bin ich immer eine Woche lang für nichts zu gebrauchen.

Das heißt, ihr könnt euch schon vorstellen, dass ihr in fünf Jahren was anderes machen werdet, ein Restaurant oder so.
Jörg: Vorstellen können wir uns sehr vieles, aber wir haben bislang festgestellt, dass sich bestimmte Dinge einfach so entwickeln über die Jahre. Man redet mit Leuten, Ideen entwickeln sich, man bekommt Angebote. Wenn man den Wunsch zur Veränderung, den man ja immer in sich trägt, wenn man die Routine aufbrechen, sich weiterentwickeln will, dann ergibt sich auch automatisch irgendwas. So war das damals mit der Selbständigkeit, wir machen das jetzt 13 Jahre, und wie das weitergeht, wird sich zeigen.
Ole: Ich bin auch froh, dass wir damals keine Ahnung hatten, worauf wir uns mit unserer Selbständigkeit einlassen, sonst hätte man das wohl nicht gemacht. Ämter, Gerichtsvollzieher, wenn mal wieder ein Kunde nicht gezahlt hat, und so weiter. Und so haben wir uns über all die Jahre auch leider nie Speck anfressen können, haben auf unseren Prinzipien bestanden, so dass man eigentlich von der Hand in den Mund lebt. Okay, mittlerweile geht das alles besser, wir haben uns jetzt zur Alterssicherung was zum Wohnen gekauft, aber wenn du sonst keine Absicherung hast, musst du eben schauen, wo du bleibst.
Jörg: Bis vor zwei Jahren hatte ich nicht mal ein Auto, da war kein Geld dafür da oder ich hab’s anderweitig ausgegeben. Bis heute ist die Situation so, dass man eine Arbeit hat, die echt Spaß macht und von der man leben kann.
Ole: Ich hätte ja Spaß daran, in Zukunft mal Events zu organisieren, die irgendwas mit Essen zu tun haben, wobei „Event“ ja eigentlich ein schlimmes Yuppie-Wort ist. Den Plan, ein Restaurant zu machen, gab es auch schon mal, aber da wurde dann erstmal nichts daraus. Zudem sind die Mieten im Gastronomiebereich in Großstädten so unverschämt hoch, dass man gezwungen ist, mit billigem Personal zu arbeiten und jede Menge Kompromisse zu machen. Mal schauen, ich hätte schon Lust, mal aus der Backstageküche rauszukommen, und man kennt ja mittlerweile eine Menge Leute, auch viele andere Köche. Irgendwas geht immer.

Meine Herren, besten Dank.