RONJA

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Die letzte „Herstory of Punk“

Es ist das Ende einer Ära: In der Frühjahrsausgabe 2011 ist bei den KollegInnen vom Plastic Bomb-Fanzine die 24. „Herstory of Punk“ erschienen, und damit die letzte Folge einer Serie über aktive Frauen in der Punk-Szene. Und ich kann Ronja, die diese Rubrik 2006 von deren Erfinderin Sarah übernommen hat, nur zustimmen, wenn sie in ihrem Vorwort dazu schreibt: „Inzwischen empfinde ich das Modell Herstory als veraltet.“ Natürlich, es gibt Unterschiede zwischen Mann und Frau, aber die halte ich für derart überbewertet, dass es ganze Weile nicht mehr erwähnt zu werden bräuchte. Trotzdem finde ich, dass eine „Herstory of Punk“ noch gefehlt hat – nämlich die von Ronja. Denn an dieser Reihe hat mir im Grunde besonders gefallen, dass hier einfach mal Szenepersönlichkeiten vorgestellt werden, mit all ihren vielfältigen Aktivitäten – eine Ehre, die auch Männern selten zuteil wird, wenn sie nicht gerade in einer Band spielen. Und Ronja zählt zu den aktivsten Menschen, die kenne, sie ist ausgesprochen straight und diszipliniert. Aber was sie tatsächlich so alles macht, ist mir gar nicht bewusst gewesen, seit ich zum ersten Mal ihren Namen gehört habe. Das war übrigens passenderweise im Zusammenhang mit einer Umfrage zum Thema „Frauen und Fanzines“, die Ronja damals noch als „Frauenbeauftragte“ für Bäppis Human Parasit-Fanzine gestartet hat. Der Begriff „herstory“ ist übrigens als Reaktion von englischsprachigen Feministinnen zu sehen, die damit einen Gegensatz zur männlichen Geschichtsschreibung setzen wollten: Aus dem sprachwissenschaftlich bewusst falsch gedeuteten „history“ (vom lateinische historia) im Sinne von „his story“, also „seiner Geschichte“, wurde „her story“, „ihre Geschichte“.

Ronja, das mit der „Frauenbeauftragten“ war ironisch gemeint. Dennoch: War das, ist das eine Thematik, die dich generell interessiert?

Das war etwas, das mich damals beschäftigt hat, und wozu ich meiner Meinung nach zu wenig Literatur gefunden habe. Ich hatte viele Fragen, und so habe ich einen Fragebogen an vielleicht 40 Frauen geschickt, die mit Punk zu tun haben und sich mit diesem Thema auseinandersetzen. Es gab auch viele Frauen, die das überhaupt nicht interessierte, oder die das unmöglich fanden und mir sagten, ich solle den Unterschied nicht ständig so herausstellen.

Irgendwann hattest du allerdings keine Lust mehr zu warten, bis der Bäppi mit seinem Human Parasit fertig wird, und so erschien die Umfrageauswertung dann in dem von dir kurzerhand ins Leben gerufenen Influenza Fanzine, von dem bis jetzt drei Ausgaben erschienen sind.

Ja, das war auch der Weg zum eigenen Fanzine, das war gar nicht so geplant und ich war auch sehr nervös, aber der Bäppi hat gesagt, du kannst das schon, mach das mal. Zuletzt erschien Ende 2009 die Split-Ausgabe mit dem Enkettet-Zine, zusammen mit dem Mikro.

Wie kam es schließlich dazu, dass du die Rubrik „Herstory of Punk“ übernommen hast? Oder warst du einfach die einzige Frau beim Plastic Bomb?

Ich war jedenfalls die Einzige, die Interesse hatte. Als Sarah gesagt hat, sie hört auf, hat sie dann hochoffiziell Micha in seinem Vorwort fragen lassen, ob nicht jemand anderer Interesse hat. Es hat sich aber niemand gemeldet und Sarah war schon ganz verzweifelt. Und ich wäre von mir aus niemals auf die Idee gekommen, zu fragen, ob ich das machen darf, weil ich mich nicht qualifiziert gefühlt hätte. Aber sie meinte dann: „Ich koche doch auch nur mit Wasser. Versuch’s vielleicht einfach zuerst mal mit einer Freundin.“ Also habe ich mir Sarahs alte „Herstorys“ noch mal reingezogen und irgendwann gemerkt, da steckt gar keine Wissenschaft dahinter.

Also keine Feminismustheorie?

Nein, das ging dann mehr in Richtung Lebensgeschichte. Anfangs habe ich bei den Interviews noch ganz viele „Frauen-Fragen“ gestellt, so in der Art: „Wie wichtig ist dir das mit Frauen in der Szene?“ Doch je älter die befragten Frauen waren, umso entspannter waren sie, was das betrifft, und dadurch hat es dann auch bei mir so ein bisschen nachgelassen. Vielleicht war es auch bezeichnend, dass ich mich nicht gefragt hatte: „Habe ich Bock auf die Herstory?“, sondern: „Kann ich das überhaupt?“ Das ist ja grundsätzlich erst mal die falsche Frage, und wenn man das kapiert hat, dann muss man’s auch einfach mal machen. Aber dann darf man auch keine Angst davor haben, wenn einem mal der Wind um die Nase weht. Allerdings fällt mir das oft auf, dass sich Typen scheinbar viel leichter tun, sich einfach auf eine Bühne zu stellen und loszulegen, und Frauen dagegen vorher ewig überlegen, ob sie sich das überhaupt zutrauen.

Das heißt, Frauen glauben, etwas erst „können“ zu müssen – obwohl im Punk ja eigentlich keiner irgendwas können muss.

Eine andere typische Geschichte: Vor anderthalb Jahren habe ich in Mülheim/Ruhr das Frost Punx Festival mitveranstaltet, und da meinte der Sänger von FAMILY MAN auf einmal: „Anzahl der Frauen in Bands: zwei. Anzahl der Frauen in der Küche: 15. Fällt euch was auf?“ Zuerst war mir das fürchterlich peinlich, weil mir das auch erst in dieser Sekunde aufgefallen ist. Aber dann dachte ich, wäre es nicht genauso peinlich, irgendwelche Frauenbands einzuladen, die man vielleicht gar nicht mag – Hauptsache, man erfüllt eine Quote?

Das heißt dann immer „mit Frauengesang“ oder „female-fronted“ ...

Da ist nur die Frage, warum man das immer so herausstellen muss. Sind das Begriffe“, um Musik zu beschreiben, so wie „Double Bass“ oder „Crust, ist das vergleichbar mit „gesungen von einer Frau“? Aber wenn so etwas bloß erwähnt wird, um die Leute zu locken, dann finde ich das schlimm.

Sex sells?

Ja, „titten-fronted“ zieht auf alle Fälle! Damit bekommst du jede Hütte voll, haha. Quatsch, nein.

Und warum ist es vorbei mit der „Herstory of Punk?

Das ist prinzipiell ja nicht vorbei, ich habe nur den Namen aufgegeben. Ich fand, dass man das nicht mehr extra so hervorheben muss: „Achtung, hier wird jetzt ’ne Frau interviewt!“, sondern dass es eben einfach so geschehen kann. Das Plastic Bomb soll ja trotzdem das Heft sein, in dem viele Frauen interviewt werden, und eben nicht nur das Heft mit der Frauenecke.

Würdest du dich als Feministin bezeichnen?

Nein. Das müsste ich ja auch wieder belegen, das ist ja schon fast wieder’n Job. Manchmal habe ich schon den Eindruck, dass ich als Referenz missbraucht werde, dass ich von vielen Leuten in so eine Ecke gestellt werde, allein wegen der „Herstorys“, obwohl die ja nie einen feministischen Anspruch hatten.

Der Begriff selbst kommt schon aus dieser Ecke, und ich fand es sehr einleuchtend, als ich ihn im Zuge der „Riot Grrrl“-Bewegung zum ersten Mal gehört habe: „Herstory“ heißt, hier wird „ihre“ Geschichte erzählt.

Als Sarah die „Herstory of Punk“ ins Leben gerufen hat – und das ist jetzt doch schon ein paar Jahre her –, da fand ich das auf alle Fälle sehr begrüßenswert. Aber man muss doch irgendwann einmal den nächsten Schritt machen, das wieder aus der Exotenecke rausholen und es ausprobieren mit dem Gefühl, so, das ist jetzt einfach normal.

Du selbst bist ja eine sehr selbstbewusste Frau und vor allem meinungsfreudig – das kann auf viele Leute auch erschreckend wirken.

Ja. Das hoffe ich.

Fühlst du dich explizit „als Frau“, wenn du irgendwo hingehst?

Schon, ich habe ja auch Bock darauf, teilweise auch wirklich diese „Mädchenklischees“ auszuleben. Ich bin ja schon immer aufgetakelt. Und brauche Stunden, um mich anzuziehen ... Ich habe da Spaß dran – und ich kokettiere auch damit.

Du hast auch lange bei H&M gearbeitet, da gibt es phasenweise Nietengürtel und Totenkopfmotive bis zum Erbrechen.

Ach, na ja, wenn der Punk mal wieder durchs Dorf getrieben wird, das berührt mich überhaupt nicht. Genauso wenig stört es mich übrigens, wenn Menschen erst mit 25 zum Punkrock kommen, oder wegen der Freundin oder dem Freund. Ich find’s auch immer süß, wenn irgendwelche Fanzines neu rauskommen und wieder mal eine große Interview-Reihe gestartet wird: „Was bedeutet für dich Punk und wie kamst du dazu?“

Aber ist das nicht total wichtig?

Ich frage mich das überhaupt nicht. Aber ich gebe gerne bereitwillig Auskunft.

Für mich selbst weiß ich’s manchmal und mich interessiert schon, ob andere das teilen.

Was das für mich bedeutet, weiß ich eigentlich auch, aber, hm ... ich weiß ja nicht mal genau, was der Sinn des Lebens ist. Doch: Punk!

Gut, damit wäre an sich alles gesagt.

Ein sehr philosophisches Interview, hehe.

Trotzdem ein paar Stichworte zum Thema „Frauen“. Wie hältst du es mit diesen „SchreibweisInnen“?

Das finde ich okay, aber ich sage jetzt nicht „Salzstreuerin“ oder „Petrasilie“. Das „man“ finde ich nicht schlimm, als Teil der Rechtschreibung, aber das „...Innen“ sollte schon sein, wenigstens bei offiziellen Texten.

Mir wurde das mit der Zeit zu umständlich. Und betont es nicht erst den Unterschied?

Es gibt da schlicht zwei Meinungen. Entweder es ist blöd, weil es Unterschiede macht, oder es ist cool, weil es Leute, die sich nicht so damit auseinandersetzen, aufweckt. Aber es gibt auch Wichtigeres ...

Zum Beispiel: Wer darf wen „Fotze“ nennen?

Hehe ... Ich weiß es nicht. Ich glaube, ich sage das auch manchmal. Ich find’s eigentlich nicht gut. Ist das also das Negativste, was man zu einer Frau sagen kann – das, was sie auszeichnet? Und warum ist dieses Wort überhaupt so negativ besetzt?

Weil es so fies klingt.

Richtig. Weil es fies klingt. Und da ist es doch das Gleiche wie „Das ist doch behindert!“ oder „Du Scheiß-Spasti!“, natürlich ist es manchmal das Aggressivste, was einem auf der Zunge liegt. Aber es ist auch das Falscheste, das ist einfach nicht cool. Und „Fotze“ ist auch nicht cool – auch wenn es so schön aggro klingt.

Haben Männer Angst vor starken Frauen? Normalos sowieso ...

Normalos eh.

... nur Punks manchmal auch.

Ja, aber das rührt daher, dass Punks, genauso wie Computer-Nerds, ihre komplette Jugend nur mit anderen Männern verbracht haben. Ich hoffe, du hörst den sarkastischen Unterton. Also ich glaube, dass sich in der Szene die Typen isolieren müssen, weil ja gar keine Frauen da sind ...

Aber da sind doch Frauen ...

Ich sehe auch Frauen, als Gast, auf einem Konzert, aber auch als Gäste sind’s weniger als Männer und sie machen meiner Meinung nach auch wenig. Und ich verstehe bei beidem nicht, warum.

Andererseits ist in der Erwin Youth, unserer gemeinsamen Konzertgruppe in Düsseldorf, der Frauenanteil sehr hoch.

Das stimmt. Es ist aber auch so ein Freundeskreis, der Frauen hoffentlich signalisiert, du bist hier willkommen. Aber da habe ich oft ganz andere Sachen erlebt, ich habe zum Beispiel mindestens 1.000 Mal gehört: Partnerschaften innerhalb von Bands sind Schwachsinn, Frauen mit auf Tour sind doof. Und das sind lauter Sachen, bei denen ich denke, das hängt doch jetzt vom Menschen ab. Ich kenne genauso viele blöde Frauen wie blöde Typen. Ich mache das nicht vom Geschlecht abhängig. Ich bin kein so’n männerhassendes Irgendwas, ich mag Männer wirklich gerne.

Es gibt schon viele Typen, bei denen die Freundin zu Hause bleibt, denn „die steht nicht so auf Punk“ ...

So was ist mir völlig unbegreiflich. Ich könnte nie mit jemandem zusammen sein, der meine Liebe zu dieser Musik und dieser Szene nicht teilt.

Ich will ja auch meine Begeisterung teilen. Nebenbei auch ein guter Grund, um für ein Fanzine zu schreiben ...

Ja, „die Begeisterung teilen“, das ist schön.

Und wie die meisten Fanziner engagierst du dich auch darüber hinaus in der Szene.

In erster Linie habe ich tausende von Konzerten veranstaltet, vor allem natürlich in Duisburg im T5, mit Mustermensch.

Zwei Konzertgruppen? Du bist ja wahnsinnig ...

Nee, sogar drei, die Erwin Youth in Düsseldorf, klar, außerdem noch eine Konzertgruppe mit ein paar Leuten im AZ Mülheim. Es ist doch auch einfach geil, wenn dich eine Band anfragt und du schaust halt, mit welcher deiner drei Konzertgruppen du einen Termin freischaufeln kannst. Aber das hat nur eine bestimmte Zeit funktioniert. In dieser T5/Mustermensch-Phase – wie viel Zeit ich da mit dem Ordnungsamt zugebracht habe, um mit denen Sachen zu diskutieren, mit dem Bauamt, mit der CDU, mit irgendwelchen Wichsern von den Grünen, die uns nur verarscht haben, und mit anderen unmöglichen Sachen. Was ich da für ein unglaubliches Wissen angehäuft habe, was man darf, was nicht, vor allem wo die Grauzonen sind, das war schon krass! Nicht zu vergessen Baurecht und Gastromie-Wirtschaft, welche Tricks man da anwenden kann. Teilweise sind die Ämter durchaus bereit, dir Auskunft zu geben, damit sie weniger Arbeit mit dir haben. Aber am Ende ist uns ja dann doch alles ...

... um die Ohren geflogen?

Wirklich, im wahrsten Sinne des Wortes, weil die Decke fast eingestürzt wäre, was dieser Vermieter ja auch noch in Kauf genommen hat.

Vielleicht kurz ein paar Hintergründe, was will Mustermensch, was war das T5?

Es war halt der logische Nachfolger der Fabrik, die 2003 geschlossen wurde, als der einzige Ort für unkommerzielle Kultur in Duisburg. T5 war ein freies Zentrum, das wir mit einem gemeinnützigen Verein, eben Mustermensch, aufgebaut haben. Das heißt, wir haben es ganz normal gemietet und ohne Gelder von der Stadt renoviert und betrieben: ein Dreiviertel Jahr lang am Wochenende zwei Konzerte plus Veranstaltungen in der Woche und immer mit mit riesigen Einsätzen von Ordnungsamt, Polizei, Jugendamt. Bis sie uns dann endlich wieder klein hatten. Also es ist nicht so cool gelaufen, wir hatten nicht das Gefühl, von der Stadtpolitik oder anderen Stellen unterstützt zu werden. Die haben nur die ganze Zeit versucht, das kaputt zu machen.

Ihr habt es „UZ“ genannt, wofür stand das?

Für „Unabhängiges Zentrum“, aber das heißt ja nicht zwangsläufig, dass man ständig nur Gegenwind bekommt. Es war halt schon ermüdend, weil ich richtig, richtig viel gemacht hab, und dadurch, dass ich ich flexible Arbeitszeiten habe, ständig in Mustermensch-Missionen unterwegs war, bis ich irgendwann das Gefühl hatte, ich kann jetzt nicht mehr ... Danach hat’s auch echt lange gedauert, bis ich wieder Spaß hatte am Konzerteveranstalten. Wir hatten einfach auch zu wenig Support aus den eigenen Reihen.

Es gab doch viele Initiativen, Gruppen, die den Laden angenommen und genutzt haben?

Da haben dann Leute Konzerte gemacht ... und irgendwann habe ich das so empfunden, dass sie sich damit schon die Rosinchen rausgepickt haben, aber der ganze administrative Scheiß drumherum, was wirklich die Drecksarbeit war, das haben halt in erster Linie Micha und ich gemacht.

Zu Verhandlungen mit der Stadt fühlt sich möglicherweise nicht jeder berufen.

Es gab da schon genug Organisatorisches, wie die Getränkebestellung, wovor die Leute sich echt gedrückt haben.

Wird das nicht zu unübersichtlich, wenn zu viele mitmischen?

Das war schon gewünscht, weil das so viele Jobs waren, die sich auf wenige Schultern aufgeteilt haben. Weil im Verein nur wenige Aktive waren und der Rest zahlende Mitglieder oder so Plenumsschlauberger, die dann dasitzen und sagen, man müsste das mal besser machen oder mal dort anrufen, und du denkst dir: Tu’s doch einfach, du hast doch den Segen aus dem Plemum!

Seit dem T5-Aus gibt es hin und wieder noch Mustermensch-Veranstaltungen im Exil, zum Beispiel im Djäzz.

Der Verein ist ja auch wichtig für Duisburg, und wenn man die Strukturen erst mal hat, wird es auch easier. Und ehrlich gesagt, ist es natürlich auch geil, mit Mustermensch Konzerte zu veranstalten Es gibt 100 Mitglieder, von denen sich die wenigsten für die Geschicke des Vereins interessieren, sondern nur ihr Gewissen beruhigen, indem sie ihre Beiträge bezahlen. Und wenn du dann ein Konzert veranstaltest, wo nur zwölf Besucher kommen, hast du dadurch den finanziellen Background, um einfach mal aus dem Vereinsvermögen die Bands auszubezahlen. Und der Verein profitiert insofern davon, dass durch diese Art von Öffentlichkeitsarbeit die Gemeinnützigkeit erhalten bleibt.

So kannst du auch mal Bands einladen, die noch keiner kennt.

Klar. Aber im Moment ist mir nicht so nach Konzerten mit nur zwölf zahlenden Gästen. Da wir seit Swens Weggang beim Plastic Bomb zur Zeit alle mehr Verantwortung übernehmen müssen, habe ich nicht so viel Lust, morgens um drei noch irgendwo die Klos zu putzen.

Wie bist du überhaupt zum Plastic Bomb gekommen?

Ich habe Micha über Mustermensch kennen gelernt und wir haben uns angefreundet. Zuerst ging das los mit der „Herstory“ und ab und zu was fürs Heft machen, dann regelmäßig. Und weil ich „gequengelt“ habe, dass ich nicht lebenslang bei H&M bleiben möchte, wurde halt dieser Arbeitsplatz an drei Tagen die Woche für mich geschaffen und ich kümmere mich quasi um alles, was mit Klamotten zu tun hat. Später kam noch ein Tag dazu, weil ich noch die Anzeigen und die CD-Beilage übernommen habe, so bin ich immer weiter reingewachsen. Und seit Swen aufgehört hat, helfe ich noch bei der Buchhaltung etc.

Aber wenn du für das Heft was schreibst, läuft es auf D.I.Y.-Basis?

Fürs Schreiben wird niemand bezahlt. Die Werbeeinnahmen reichen gerade für den Druck und die Unkosten, dann sind wir wieder bei Null. Auch das Layout machen die Leute entweder selbst oder Andi oder Karsten und dafür sehen sie auch nichts. Aus aktuellem Anlass möchte ich auch gern noch mal betonen, dass noch nie eine Band Geld dafür bezahlt hat, um interviewt zu werden, das wurde uns nämlich vorgeworfen. Wir in der Redaktion, das sind Karsten, Micha und ich, leben letztlich vom Mailorder, wofür das Heft natürlich auch Werbeträger ist. Die Artikel und die Interviews machen ja wieder ganz andere Leute und da bekommt keiner was dafür.

Die Platte für die Besprechung ...

Ja, aber das ist auch in 90% der Fälle hart erarbeitet, haha! Ich muss sagen, jetzt mit der Bombe habe ich halt ein super attraktives, großes und schnelles Sprachrohr. Wenn du dein eigenes Fanzine machst, kann das unter Umständen schon mal ein Jährchen dauern, bis du das dann zum Copy-Shop schleppst – und dabei verpulverst du auch viel mehr Energie, als jetzt meinetwegen einen Konzertbericht für die Bombe zu schreiben. Manchmal tut es mir ein bisschen leid um meine Influenza ...

Der Name lebt immerhin weiter, nämlich in deinem Button-Mailorder.

Das hat sich so ergeben, nachdem sich Meineid-Buttons in Wohlgefallen aufgelöst hatte, da haben wir, mein Freund und ich, das Ganze übernommen. Andi und ich machen jetzt immer den ganzen Mittwoch Influenza-Buttons, weil wir da beide frei haben, also ein Tag die Woche. Das reicht schon für einen kleinen Teil der Miete, was auch dringend notwendig ist.

Sind es jeweils größere Auflagen?

Ja, meist zwischen 100 und 1.000 Stück, hauptsächlich für Bands, weil wir ja auch die ganzen Connections haben, was wiederum doch ein bisschen Spaß macht. Aber es ist schon eine stupide Aufgabe, die du wirklich nur vorm Fernseher erledigen kannst. Ich kenne mittlerweile sämtliche Nachmittagsserien, die so Hartz-IV-mäßig über den Bildschirm flimmern. Einmal die Woche hält man das schon aus, wir können ja auch Hörspiele hören.

Eventuell so was wie „TeKaKaGe – Auf der Spur der Döner-Mafia“ ...?

Haha. Ja, der Bäppi und ich haben mal nur aus Blödsinn heraus gesagt, wir müssten mal unsere eigene „T.K.K.G.“-Folge produzieren. Ich bin ja eigentlich eher „Die drei ???“-Fan, aber der Bäppi hat alle „T.K.K.G.“-Kassetten und ich finde die fürchterlich peinlich und konservativ. Aber als total überzogene Parodie mit eigener Story und zusammen mit ein paar Freunden eingesprochen, hier beim Toxo in seinem Guerilla-Studio, das hat total viel Spaß gemacht. Es war halt ein wahnsinniger Aufwand, noch die Geräusche dafür zu machen und die Musik, also die eigens komponierten Lieder, da reinzubasteln und dann alles auf die Kassetten zu kopieren, das war schon echt anstrengend.

Trotzdem gab es noch eine Fortsetzung.

Das erste haben die uns halt echt aus den Händen gerissen. Von dem zweiten habe ich immer noch eine Schachtel unterm Bett stehen, weil der Hype da schon wieder so ein bisschen vorbei war.

Schade, den zweiten Teil, „Sabotage im Eulennest“, fand ich sogar besser.

Es ist natürlich ein gnadenloser Rip-off, ein fürchterlich konservativer Bullshit ... nee, man muss schon sehr wenig Humor haben, um die Ironie nicht rauszuhören.

Und Ronja spricht Bullentochter Gabi, erinnert irgendwie an einen Astrid-Lindgren-Film ... ich hab mich kringelig gelacht!

Es sind auch sämtliche Frauen-und-Männer-Klischees bei Gabi und Tarzan mit drin. So dass der Ullah, der den Tarzan gespielt hat, beim Quatschen richtig rot geworden ist.

Ist es noch irgendwo erhältlich?

Klar. Beim Plastic-Bomb-Mailorder.

„Zahl nicht mehr als zwei Euro“?

Steht ja drauf. Höchstens noch Porto.

Vom boomenden Hörbuchmarkt profitierst du also offensichtlich nicht. Aber mit Punk Geld zu verdienen, von der Szene zu leben, ist das nicht sowieso fast schon ein Tabu?

Natürlich ist das irgendwie verpönt, aber ich gebe der Szene ja auch so viel zurück. Nur wenn du ein Label oder einen Mailorder betreibst, stellt sich nun mal irgendwann die Frage, willst du jetzt davon leben oder willst du es weiter abends nebenher machen. Oder willst du als Band von der Musik leben? Leider schaffen das die wenigsten. Und du musst mit dem Gedanken zurechtkommen können, dass du vielleicht irgendwo am Existenzminimum rumkrebst, ohne jeden Monat deine feste Kohle auf dem Konto. Also wenn jemand davon leben kann, der hat doch einfach Glück.