Über ein Jahrzehnt lang tourt Rocky Votolato nun schon mit seiner Gitarre um die Welt. Alles fing 1996 mit der Rockband WAXWING an. Seit diese sich 2005 endgültig auflöste, ist der gebürtige Texaner als Singer/Songwriter unterwegs. Am 3. April erschien Rocky Votolatos mittlerweile achtes Soloalbum „Television Of Saints“. Als ich ihn vor der Aufzeichnung von tv.noir in Berlin treffe, bin ich überrascht, wie klein er ist. Im Fernsehen sehen die Leute bekanntlich größer aus und das gilt scheinbar auch, wenn sie so großartige Musik wie Rocky Votolato auf der Bühne spielen. Sehr freundlich empfängt er mich, um vor der Sendung über sein neues Album und die enge Bindung zu seinen Fans zu sprechen.
Rocky, dein neues Album „Television Of Saints“ ist unter besonderen Umständen entstanden, was war da los?
Mein Vertrag mit Barsuk Records in den USA lief aus und das Label und wir begannen, über einen neuen Vertrag zu verhandeln. Irgendwie passte das Ganze aber für beide Seiten nicht mehr, also sprach ich mit meinem Management darüber, die Fans direkter einzubeziehen, und wir haben uns an Kickstarter gewendet. Das ist eine Internetplattform in den USA, im Prinzip beginnt man einen Vorverkauf für das Album – die Leute können Geld geben und bekommen dann dafür etwas.
Wie sahen diese Geschenke aus?
Für 40 Dollar gab es zum Beispiel ein limitiertes T-Shirt oder eine signierte LP und das ging dann immer weiter bis hin zu einem Privatkonzert für 25.000 Dollar, haha. Eines gebe ich nach der Tour in Denver und ach, da gab es eine Menge Sachen. Ich habe zum Beispiel eine Liste mit Cover-Songs, die ich in den nächsten Wochen noch einspielen muss, das konnte man auch bekommen, eben all solche kleine Ideen, die wir hatten.
Und es hat ja offensichtlich funktioniert.
Ja, wir haben das Geld zusammenbekommen. Fast 40.000 Dollar in 30 Tagen, das war großartig. Ich bin wirklich dankbar für all die Unterstützung von meinen Fans und es hat mich doch sehr bewegt. Ich meine, ich wusste ja nicht, was da auf mich zukommt, ob es überhaupt klappt, und ich war unglaublich nervös. Aber es lief sehr, sehr gut, ich hatte Glück.
Was hat es mit dem Titel auf sich? Was bedeutet „Television Of Saints“?
Dieser Titel kommt von einem Heiligen aus Indien. Er war einer der ersten, der Yoga in den Westen gebracht hat in den Zwanziger und Dreißiger Jahren. Er hat diesen Ausdruck benutzt, als eine Art Witz, aber es beschrieb ganz gut, was das Fernsehen mit den Menschen damals gemacht hat. Es war gerade brandneu, eine riesengroße Sache, vielleicht so in etwa wie Handys oder das Internet für unsere Generation. Die Leute drehten fast durch bei dem Gedanken, dass sie jemanden in ihrem Wohnzimmer sehen konnten, der nicht tatsächlich da war. Ich mag die Idee, dass alles und alle irgendwie verbunden sind, dass alles, was du im Leben tust, einen Einfluss auf das weitere Geschehen hat, so dass du dir wirklich Gedanken darüber machen solltest, was du tust. Außerdem finde ich den Ausdruck an sich cool, ich mochte, wie er gedruckt aussieht, na ja, so kam eines zum anderen.
Glaubst du, die Leute hatten größere Erwartungen als sonst an „Television Of Saints“, weil sie bereits im Voraus dafür gezahlt haben?
Ich glaube nicht, nein. Um ehrlich zu sein, hatte ich einen großen Teil des Geldes für das Album schon vorher aus meiner eigenen Tasche finanziert, am Ende fehlte nur noch etwas, um die letzten Aufnahmen zu beenden und so weiter. Ich war für die Aufnahmen in einigen unterschiedlichen Studios und es war ein langer Weg, das Album fertig zu bekommen. Wenn einige Produzenten und andere Menschen involviert sind, ist es nicht immer einfach, den eigenen Kopf durchzusetzen und zu sagen: Das ist mein Album, so soll es werden. So war ich durch diese Art der Finanzierung freier in meinen eigenen Entscheidungen und hatte nicht unbedingt das Gefühl, irgendjemandes Erwartungen erfüllen zu müssen, außer vielleicht meine eigenen. Ich habe an diesem Album sehr viel allein gemacht und lerne gerade, wie man ein Plattenlabel in den USA führt.
Also machst du nun auch noch dein eigenes Label auf?
Erst mal bringe ich wohl nur meine eigenen Sachen heraus. Ich habe ja kaum Zeit, mich um die eine Seite dieses Geschäfts zu kümmern, also werde ich auch keine Zeit finden, noch auf der anderen Seite zu stehen und die Musik anderer Bands zu veröffentlichen. Mein Job ist es, die Musik zu den Leuten zu bringen, auf Tour zu sein; ich mag die Verbindung zu den Menschen und ich würde nur ungern darauf verzichten.
Ist die Gründung deines eigenen Labels und das Fundraising Ergebnis der großen Veränderungen im Musikgeschäft? Du bist ja nicht erst seit gestern dabei.
Ja, auf jeden Fall. Ich glaube, es wurde vor allem für Plattenlabels schwieriger, zu arbeiten und auch Geld damit zu verdienen. Viele Bands sind mittlerweile in der Lage, alles selbst zu machen und ihre Musik online unter die Leute zu bringen. Wenn man also weniger CDs und Platten verkauft und die Labels Probleme bekommen, dann hören viele einfach auf. Auch viele Plattenläden haben mittlerweile geschlossen, so wird es für die MusikerInnen immer logischer, ihre Musik selbst herauszubringen und so vielleicht auch eine größere Nähe zu ihren Fans aufzubauen. Vielleicht ist es nicht immer so, viele Bands mögen die Beziehung zu ihren Labels, diese Sicherheit, aber es ist wohl einfach ein neues Feld im großen Musikgeschäft, das sich da seit einigen Jahren auftut und entwickelt.
Es heißt, Bands müssen auf Tour gehen, um überhaupt Geld zu verdienen. Schaut man sich deine Tourtermine an, bekommt man den Eindruck, bei dir sei das auch so.
Ich war eigentlich immer unterwegs, ich glaube, das ist einfach die Art, wie ich an meine Karriere herangetreten bin. Ich habe immer zu Leuten wie Tom Waits aufgeschaut, Künstlern, die nicht unbedingt riesengroße Popstars sind, die aber wichtige Alben gemacht haben, die auch für ihre Fans immer eine große Bedeutung hatten. Ich bin eigentlich ein Anti-Rockstar; ich schmeiße keine Partys, ich versuche, mein Leben ausgeglichen zu leben, und sehe meine Musik als einen Service für die Leute an. Das ganze Musikgeschäft ist ziemlich abgehoben und ich versuche immer, mich darauf zu konzentrieren, was mir wichtig ist: Die Kunst, die Beziehung zu den Menschen und der ganze Zauber dazwischen. Das war so in etwa das, was ich mir gewünscht hatte, und ich weiß, wenn ich das möchte, muss ich da raus und Shows spielen.
Ist das nicht manchmal anstrengend? Bekommst du kein Heimweh?
Oh ja, das ist fürchterlich, aber heute ist das zum Glück um einiges einfacher. Ich habe Skype und so ein tolles Telefon und ein Notebook und so geht es einigermaßen. Überhaupt, wo ist mein Telefon hin? Ich glaube, ich bin süchtig, haha, ich bin immer besorgt, wenn ich es nicht sehe.
Hast du vor, die nächsten 20 Jahre so weiterzumachen, oder gibt es Pläne für die Zukunft?
Nein, wahrscheinlich mache ich das keine weiteren 20 Jahre mehr, haha.
Und was dann?
Wenn die Sache weiterhin so gut läuft und weiter wächst und alles passend scheint, dann bleibe ich erst mal dabei, falls sich das ändert, werde ich was anderes machen. Was genau, keine Ahnung, vielleicht in der Produktion arbeiten oder im Supermarkt, was weiß ich. Ich habe einen College-Abschluss, vielleicht kann ich damit auch noch was machen, aber erst mal bleibe ich bei der Musik.
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