Die beste Band der Welt. Die Erfinder des Punk. Die RAMONES sind eine Band der Superlative. Neben ihren über 2.000 Konzerten gründet dieses Image auf dem Oeuvre: Bis zum Abschied 1996 veröffentlichten Joey, Johnny und Co. 14 Studioalben, drei Live-Alben und drei Best-Of-Alben (wenn man beide Teile des wenig beachteten „All The Stuff And More“ berücksichtigt). Und seit jeher stellt sich die Frage: Befinden sich unter all diesen Platten auch schlechte? Die RAMONES nahmen tatsächlich schlechte Alben auf – die gleichwohl immer auch ein paar gute Stücke enthielten. Wir präsentieren die „Flop 3“ und „Top 3“, wohl wissend, dass manch anderer diese Liste ganz anders zusammenstellen würde.
Angeführt werden die Flop 3 von „Halfway To Sanity“. Abgesehen von „I wanna live“ lieferten die RAMONES 1987 schlappen 08/15-Rock ab, der mit Punk nur in wenigen Momenten zu tun hatte – und das waren zumeist schlechte Momente, etwa „Weasel face“ oder „Worm man.“
Eher schlecht geriet auch das Abschiedsalbum „¡Adios Amigos!“ von 1995. Das Tom Waits-Cover „I don’t wanna grow up“ zu Beginn ist einer der besseren Songs darauf und beweist, dass die Band bis zum Schluss durchaus jede Menge Punch besaß. Der Rest aber sind unausgegorene Stücke, gleichsam lieblos wie hektisch zusammengewürfelt. Letztlich war „Adios Amigos“ ein musikalischer Schnellschuss, dem man Routine und Kalkül anhörte: Das Ende ist nah. Wir müssen noch einmal ran, ob wir wollen oder nicht. Die RAMONES klangen so, als wollten sie eher nicht.
Bliebe auf Seiten der Flops noch „Subterranean Jungle“ von 1983, das unentschlossen zwischen großartig („Psycho therapy“) und schauerlich („Every time I eat vegetables it makes me think of you“) schwankt. Marky war Alkoholiker und flog nach den Aufnahmen aus der Band. Und die anderen waren ernüchtert, weil sie in den Jahren zuvor vergeblich alles aufgefahren hatten, um die Charts zu stürmen. „Subterranean Jungle“ war ein Zwischenalbum, an dem die Karriere der RAMONES hätte zerbrechen können. Sie tat es nicht. Ein Jahr später hatten sie sich mit „Too Tough To Die“ glücklicherweise wieder gefangen.
Womit wir bei den Top 3 sind. Auf die ersten drei Alben – das selbstbetitelte Debüt (siehe Extra-Artikel) sowie „Rocket To Russia“ und „Leave Home“ – verzichten wir ebenso bewusst wie auf das monumentale Live-Dokument „It’s Alive“. Denn diese vier Tonträger, mit denen die RAMONES die Geschichte der Popmusik veränderten und begannen, die Geschichte des Punk zu schreiben, wäre eine zu klare, einfache und offensichtliche Wahl für die Top-Liste. Konzentrieren wir uns also lieber auf jene Alben der RAMONES, die mitunter bis heute zu Unrecht unterschätzt werden.
Zum Beispiel „Mondo Bizarro“ von 1992. Eine Platte, 13 Songs, 13 Hits. Alles kulminiert in Dee Dees „Poison heart“ als der vielleicht wundervollsten Ballade, die der Punk je hervorbrachte. Und ganz nebenbei erwies sich Neu-Bassist CJ damals plötzlich als starker Zweitsänger neben einem wiedererstarkten Joey, der nach einigen Durchhängern in den Achtziger Jahren wieder vor Kraft strotze.
Bereits zehn Jahre zuvor, 1982, hatten die RAMONES mit „Pleasant Dreams“ ein Album abgeliefert, das sich noch heute in einem Rutsch durchhören lässt und die Band als Kollektiv von begnadeten, jawohl, Popsong-Schreibern zeigte. Unverständlich, dass ihnen diese Platte mit Perlen wie „She’s a sensation“ oder „7-11“ kein Dauer-Airplay im Radio bescherte. Apropos „7-11“: Joey singt hier einen der romantischsten und traurigsten Songs der Band überhaupt. Und wer außer den RAMONES hätten eine Zeile hinbekommen wie „I met her at the 7-11. Now I’m in seventh heaven“?
Bliebe noch ein Album, um die „Top 3“ zu vervollständigen: [/b]„Loco Live“[/b] (1992), jene Platte, die von den meisten Fans verflucht wird. Und es stimmt ja: Der Bass vom erstmals mitwirkenden CJ wurde sträflich in den Hintergrund der Produktion gedrückt. Und mit „It’s Alive“ kann diese Konzertaufnahme selbstverständlich nicht mithalten. Aber: „Loco Live“ zeigt eins zu eins, wie die RAMONES in ihrem letzten Karrieredrittel Auftritte absolvierten: Noch schneller als früher. Sänger Joey verschluckt viele Textzeilen, aus „Blitzkrieg Bop“ wird ein genuscheltes, seltsames „Bskirrliiii-op“. Noch aggressiver als früher. Und mit so viel Kraft und Gewalt, dass noch immer keine andere Band mithalten konnte.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #125 April/Mai 2016 und Frank Weiffen