RAMONES-Special: George Dubose

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Der RAMONES-Fotograf

Die Musik einer Band ist das eine, doch sie ist untrennbar verbunden mit dem Bild, das man damit verknüpft: der ewig junge David Bowie, Lemmys verknautschtes Gesicht, die unfassbar coolen RAMONES in ihrer immer gleichen Uniform bestehend aus Chucks, Jeans, T-Shirt, Lederjacke, Sonnenbrille und Moppfrisur. Mindestens so wichtig wie der Produzent einer Band ist also jener, der sie in Szene setzt und dokumentiert. Der Fotograf George DuBose, Jahrgang 1951, war in den Achtzigern lange Begleiter der RAMONES, lebt seit vielen Jahren schon in Köln und erzählte beim Besuch in der Ox-Redaktion über sein Handwerk, seine Kunst.

George, du wurdest in Rabat, Marokko geboren. Wie kam das?


Mein Vater war ein Major bei den Marines und er arbeitete dort auf dem Militärflughafen, bewachte die Flugzeuge. Er bekam dann Polio, wurde nach Frankfurt ausgeflogen, und meine Mutter und ich – da war ich gerade zwei Monate alt – hinterher. Er starb kurz darauf im Krankenhaus, und meine Mutter flog mit mir in die USA. Seitdem war ich nie wieder in Marokko, würde da aber gerne mal hin. Der Geburtsort hat mir schon einigen Ärger eingebracht, da meine Mutter mich nicht ordnungsgemäß beim Konsulat hatte registrieren lassen, und ich „betrat“ auch erstmals amerikanischen Boden auf einer Navy-Airbase, so dass es keine offiziellen Dokumente über meine Ankunft in den USA gab. Als ich das erste Mal einen Reisepass brauchte, war das ein ziemliches Theater ... Mein leiblicher Vater war 100% deutsch – geboren in Miami, Florida. Den französisch klingenden Nachnamen DuBose habe ich von meinem Stiefvater, der mich mit sieben adoptierte und aus einer Hugenottenfamilie stammt. Nur zwei seiner Vorfahren waren 1572 in Frankreich als einzige Mitglieder der Familie dem Massaker der Katholiken an den Protestanten entkommen, nach England geflohen, und hatten vom englischen König Land in South Carolina geschenkt bekommen. Alle Menschen in den USA mit dem Familiennamen DuBose stammen von diesem Mann und dieser Frau ab – es gibt sogar ein Buch darüber.

Seit langem schon lebst du in Köln.

Vor vielen Jahren traf ich eine deutsche Ärztin, die in New York lebte mit ihrem Mann. Als sie sich von ihm trennte, trafen wir uns wieder und verliebten uns. Sie wollte zurück nach Deutschland, wir blieben dennoch in Kontakt und ich zog dann nach Deutschland. Ich dachte mir, ich verlege mich von Musikfotografie einfach auf Werbung und Consulting, aber ich hatte nicht bedacht, dass man mit über vierzig in Deutschland in diesem Sektor nur schwer Fuß fassen kann, ja, dass die Chancen auf einen Job gleich null sind. Das war 1998. Also begann ich Englischunterricht zu geben, arbeitete für das HipHop-Magazin Juice, fotografierte für Bands in Deutschland und den USA. Kulturell ist der Unterschied zwischen Deutschland und den USA nicht groß, die Sprache ist mein Problem ... Deutsch ist kompliziert, aber ich spreche es ein bisschen, aber nicht so gut, dass ich mich auf Partys über Politik unterhalten wollte. Ich kann auf Deutsch nicht denken. Mit meinen Söhnen spreche ich Englisch, ihre Mutter Deutsch, die sind zweisprachig aufgewachsen, für die ist das kein Problem.

Du kamst 1998 nach Deutschland, zu einer Zeit, als deine Branche sich mitten im Umbruch befand: Fotografie und Grafikdesign verabschiedeten sich endgültig von der analogen Arbeitsweise, mit der du deinen Beruf erlernt hattest. Wie kamst du zu deiner Profession?

Als ich in den Siebzigern nach New York kam, fand ich keinen Job als Fotograf, nicht mal als Lehrling. Ich landete in einer Druckerei, erzählte dem Boss, dass er mir nur einen Monat Zeit geben müsse, dann habe ich den Umgang mit der Offset-Kamera drauf. Ich hängte mich rein und hatte es nach vier Wochen drauf. Ich begann mich dann aber immer mehr für die Layoutabteilung zu interessieren, wo die Leute sich mit Wachskleber und auf großen Kartonplatten mit Papierschnipseln neue Layouts ausdachten. Und so lernte ich das auch. Dann bekam ich endlich eine Lehrstelle in einem Modefotostudio in Manhattan, und zu der Zeit entdeckte mich dann auch Tony Wright, weil ich Fotos von THE B-52’S hatte. Die wollten sie für das Plattencover verwenden, ich hatte die Fotos nur so zum Spaß mit der Band im Fotostudio meines Chefs gemacht. Ich war damals 28. Tony hatte auf die klassische Layoutarbeit keinen Bock, also machte ich den Job für ihn, wurde immer besser darin, und erwarb eine zentrale Fähigkeit: Als Künstler bin ich in der Lage, Bands zuzuhören, ihren Hintergrund und ihre Musik zu verstehen, zu erkennen, wo sie mit ihrem Image hin wollen, und daraus mit der Band zusammen Ideen für Fotos zu entwickeln. Und anschließend arbeiten wir zusammen am Design, wobei ich darauf achte, Fotos nicht zu „killen“ – das machen leider viele Designer. Es gibt da auch Gegenbeispiele: Ich habe lange mit einem bekannten britischen Designer aus dem HipHop-Bereich diskutiert, der sagt, er höre sich die Musik der Künstler, für die er arbeite, gar nicht an. Ich finde das tragisch für diese Musiker, denn es bedeutet ja, dass der Designer etwas für sie schafft, das nichts mit ihnen zu tun hat. Meine Philosophie ist, dass ich für die Künstler arbeite, mein Coverartwork ist für die Band – und wenn es mir auch gefällt, nehme ich es in meine Mappe.

Du hast dich als Künstler bezeichnet – das geht etwas über die bloße Tätigkeit eines Fotofragen oder Grafikers hinaus.

Ich meine das nicht als Ausdruck eines großen Egos. Und ich bin ja auch ein kommerzieller Fotograf, es ist mein Job, ich mache das nicht als Hobby. Ich kombiniere Fotografie und Grafikdesign, das kann eigentlich jeder, aber nicht viele tun das. Ich denke, es ist für die Bands ein Vorteil, wenn sie ihre Vorstellungen nur einem Typen erklären müssen, nicht zweien. Je mehr Menschen involviert sind, desto geringer ist die Chance, dass die Band das bekommt, was sie will.

Dein erster Kontakt mit dem Musikgeschäft fand zu einer Zeit statt, in den Siebzigern, als dieses Business völlig anders war als heute. Die Kontrolle der Labels über die Bands und Musiker war viel umfassender, als sie es heute ist, wo Bands sich um alles selbst kümmern können und dem Label nur noch ein fertiges Produkt zum Vertrieb überreichen.

Du hast absolut recht, früher war das ganz anders. Ehrlich gesagt vermisse ich die Zeiten, als es überall überall dicke Budgets gab, diese ganzen Supergroups ... Heute wollen die Labels gar nichts mehr ausgeben, da müssen die Bands alles selbst mitbringen, ganz egal, wie es aussieht ... Ich erlebe oft, dass es Bands schwerfällt, Ideen für ein Fotokonzept zu entwickeln, aber die sind ja auch Musiker, nicht Fotografen oder Grafiker. Also nehmen sie oft irgendein Foto, weil sie Angst davor haben, sich in Pose zu setzen, mal etwas anderes zu tragen. Die wollen stattdessen aussehen wie ihre Vorbilder und haben Angst Neues auszuprobieren. Wenn sich die Chance bietet, versuche ich, darauf Einfluss zu nehmen: Wie wäre es mit einem Bandlook? Vor einigen Jahren was es ja wieder angesagt, Anzüge zu tragen, so etwas in der Art. Die Soul-Bands aus Detroit, die trugen früher alle Anzüge, das sah smart aus. Oder die Psychedelic-Bands der Siebziger. Meinen Job sehe ich darin, den Bands Tips zu geben – und dann probieren wir eben auch mal was, wie etwa vor Jahren mit diesem DROPKICK MURPHYS-Ableger GIMME DANGER aus Boston, denen ich riet, es doch mal in weißen Jeans und weißen Shirts mit roten Bandanas um den Hals zu versuchen. Keine Ahnung, wo ich die Idee herhatte – erst später kam ich drauf: Torreros in Spanien! Und dann hatte ich auch die Idee für ein Cover. Aber das scheint alles Makulatur zu sein heute, in Zeiten, da Grafik für Bands das ist, was sie daumennagelgroß bei iTunes wahrnehmen. Wie soll man da ein Gespür für die Wichtigkeit eines grafischen Konzeptes entwickeln?

Die Art, wie eine Band auf einem Plattencover dargestellt wird – ganz gleich, wie real oder gestellt das Foto ist – prägt das Image einer Band, so wird sie erinnert. Bisweilen werden Musiker, auch die RAMONES, so zu Ikonen. Zumindest war das so in der Zeit vor der Reduzierung von Covern auf Daumengröße. Geht hier eine Rock’n’Roll-Tradition verloren?

Ich denke, das hat auch etwas damit zu tun, dass die Bands es irgendwann aufgaben, auf der Bühne etwas Besonderes zu tragen, sich einheitlich zu kleiden. Das hat meiner Meinung nach was mit Grunge zu tun, mit Bands wie R.E.M. – seitdem ist es okay, auf der Bühne einfach das zu tragen, was man auf der Straße anhat. Die wollen sich nicht mehr herausputzen. Wenn ich an die B-52’S zurückdenke, die zogen durch die Trödelläden, suchten sich ihre Outfits aus gebrauchten Stücken zusammen. Und entsprechend kleideten sie sich auch bei Fotosessions. Und sie gingen sogar mal in Unterwäsche auf die Bühne! Viele der heutigen Bands scheinen zu viel Angst davor zu haben, was wohl ihre Fans von ihnen denken, wenn sie irgendwas Außergewöhnliches machen. Also ja, ich finde, Bands sollten ein Bühnenoutfit haben, das sich von ihrer Alltagskleidung unterscheidet.

Dann sind Bands wie TURBONEGRO oder ARNOCORPS eine wohltuende Ausnahme.

Und THE WHITE STRIPES oder THE HIVES. Aber die waren nicht außergewöhnlich, Adam Ant und THE B-52’S hingegen hatten Einfluss auf die Mode.

Und die RAMONES natürlich.

Sie haben mit ihrem Look die Modewelt beeinflusst, in Vogue und anderswo sieht man solche Lederjacken für mehrere hundert Dollar. Die RAMONES sahen aber wirklich so aus, die trugen immer Jeans und T-Shirts, im Alltag und auf der Bühne. Ihre Motorradlederjacken allerdings, die so ikonenhaft für den RAMONES-Look stehen, die lagen bis vor dem Auftritt in der Bühnenkiste – und da kamen sie nach der Show auch wieder rein. Monte Melnick persönlich kümmerte sich darum, die wieder einzusammeln am Ende des Auftritts. Sie haben die also nie auf der Straße getragen, die lagen schön in der Roadbox – auch deshalb, damit keiner seine Jacke vergisst.

Wie war deine erste Begegnung mit den RAMONES?

Ich mochte sie anfangs nicht unbedingt, mir war ihre Musik zu simpel und ich wusste auch nicht wirklich, wer sie waren. Und da ich selbst Gitarre spielte, fand ich Johnny als Gitarrist auch nicht gut, haha.

Als du die RAMONES fotografiertest, hattest du da Einfluss auf ihre Optik?

Nein, null! Aber die brauchten das auch nicht. Die musstest du nur nebeneinander irgendwo hinstellen und losknipsen. Kein Make-up, kein Lächeln, die einfachste Band der Welt. Das einzige Problem war, dass sie keinerlei Geduld mitbrachten für Foto-Shootings. Deshalb arbeiteten sie wiederholt mit mir, denn sie wussten, dass ich die Sache auch mal in 15 Minuten erledigt habe, etwa für „Halfway To Sanity“. Ich hatte einige Locations ausgekundschaftet und vorbereitet. Bei der ersten waren die Scheinwerfer an, die Nebelmaschine lief, die Band fährt im Van vor, ich stelle sie in Position und schieße zur Kontrolle ein Polaroid-Sofortbild. Und während ich warte, dass das Polaroid entwickelt ist, meckert Johnny schon rum: „What’s taking so fucking long?“ Die Minute war ihm schon zu lang ... Zum Glück war das Foto gut, das Licht stimmte, ich gab es an Johnny, an Joey, an Richie, an Dee Dee – und der meinte nur: „Ja gut, kann ich jetzt nach Hause gehen?“ – „Nein, Dee Dee, ich muss erst noch die richtigen Fotos machen.“ Also verschoss ich drei Filme mit meiner Hasselblad, das waren insgesamt 36 Fotos, und meinte dann „Okay, auf zur nächsten Location!“. Und die Antwort war nur: „Nö, das reicht.“ Ich meinte zu Monty, dass Warner Brothers, das Label, ausrasten wird, wenn ich denen nur 36 Fotos gebe, die hätten mich schließlich gut bezahlt, aber er meinte: „Mach dir keine Sorgen.“ Und tatsächlich hörte ich nie irgendwas von Warner dazu.

Wie sah deine Arbeit für die RAMONES aus in jener Zeit Mitte der Achtziger?

Ich machte nicht immer die Coverfotos, war aber immer wieder ins Album-Design involviert und machte Pressefotos. Ich erinnere mich, wie ich einmal im Fotostudio fünf verschiedene Hintergründe vorbereitet hatte. Die Band kam, aß erst mal die Pizza, die ich hatte besorgen lassen, stellte sich in Pose, aß wieder was von der Pizza, und so schafften wir innerhalb von anderthalb, zwei Stunden fünf verschiedene Fotomotive und sie hatten wieder ein Jahr Ruhe. Ich schaffte es, das immer schnell und stressfrei zu erledigen, deshalb kamen sie immer wieder zu mir zurück.

Wie empfandest du den Wechsel von analoger zu digitaler Fotografie?

Typisch für meinen Fotostil sind grobkörnige Schwarzweißbilder. Ich hatte da meine eigene Technik, arbeitete mit speziellem Entwickler, nutzte auch Kodak-Filmmaterial, das für die Polizei gemacht wurde – sehr schnell, aber grobkörnig. Ich stand auf diesen Effekt, und ich verstärkte den sogar beim Entwickeln. In der Anfangszeit der Digitalfotografie konnte diese nicht ansatzweise mit der Schärfe analoger Fotos mithalten, also das, was man mit einer guten Mittelformatkamera erreichen konnte. Also musste ich mit dem Umstieg warten. Es dauerte letztlich zehn Jahre, bis die digitalen Bildsensoren so ausgereift waren, dass sie mit Analogkameras mithalten konnten. Das muss so Anfang der Nullerjahre gewesen sein. Ich mache ja auch viel Konzertfotografie, schieße „auf den Beat“, passe genau auf, wann Musiker etwas Cooles machen, damit ich sie etwa am Scheitelpunkt eines Sprungs scharf habe – mein Foto von Sting, wie er von einem Drumpodest springt, ist ein Beispiel dafür. Und als dann die Digitalkameras aufkamen, erinnere ich mich an eine Szene bei einer Show in New York, wo mir auffiel, wie die Fotografen ständig ihre Aufnahmen auf dem Display kontrollierten. Ehrlich, die taten mir leid, die verpassten fast das ganze Konzert. Bei analoger Fotografie hattest du diese Möglichkeit nicht, du konntest dich aufs Geschehen auf der Bühne und das Fotografieren konzentrieren und hoffen, dass Blende und Belichtung stimmen. Du hattest im Blick, was auf der Bühne geschah, wann interessante Moves und Sprünge anstanden. Andererseits musstest du hinterher aber auch drei Tage auf deine Bilder warten ...

Schafft man es überhaupt, diese analoge Optik digital nachzuahmen?

Das Grobkörnige von echtem Film bekommt man nicht hin. Ich arbeite gerade an einem Buch mit meinen Fotos aus der frühen Karriere von Madonna, und damals arbeitete ich mit Ilford XP1-Film, einem Schwarzweiß-Film, der aber mit Farbfilm-Chemikalien entwickelt wurde. Der hatte zwei Silberschichten, eine feine, die schnell auf Licht reagierte, und eine grobe, die langsam reagierte. Die hellen Stellen, etwa von Scheinwerfern, waren auf den Fotos dann fein aufgelöst, aber die dunklen Stellen grobkörnig. Das fiel mir jetzt wieder auf, als ich die Fotos genau betrachtete. Das ergab einen sehr speziellen Look, der mein typischer Stil wurde. Photoshop hat einen Filter, der das simulieren soll, aber der taugt nichts. Ich finde das tragisch, auch im Hinblick darauf, wie sich die Stellung von Fotografen verändert hat. Meine Ausbildung damals dauerte fünf Jahre, es war einfach enorm komplex, das Fotografieren zu lernen – wenn man es gut und korrekt beherrschen wollte. Ich denke nicht, dass man heute noch die Geduld dafür aufbringen würde. Mit dem Wechsel von analog zu digital ist sehr viel handwerkliches und künstlerisches Können verloren gegangen. Und man hat sich so vieler Möglichkeiten im Umgang mit einem Foto beraubt, alleine schon, was man beim Erstellen der Vergrößerungen, also dem Belichten von Fotopapier basierend auf den Negativen, so rausholen kann. Mit einem Bild von Chris Spedding habe ich mal ein sehr cool aussehendes Ergebnis erzielt – alles im Labor.

Arbeitest du heute noch analog?

Selten. Keiner will mehr für den zusätzlichen Aufwand bezahlen. Gelegentlich gibt es mal jemand, der extrem scharfe Fotos braucht, und da ist ein sehr feinkörniger Film in einer Mittelformatkamera, der danach gescannt wird, immer noch unschlagbar. Ich habe natürlich meine Ausrüstung behalten. Das Problem ist, heute findet man kaum noch jemand, der einem Film entwickelt. Vor einer Weile mal brauchte ich Kontaktbögen, da fand ich in Köln keinen, der das machte.

Welche deiner Arbeiten siehst du als Meisterstücke an?

Vor allem das erste THE B-52’S-Cover. Als ich deren „Planet Claire“ hörte, war ich hin und weg, alleine schon wegen der „Peter Gunn“-Titelmusik, die sie da einbauten. Ich war sieben, als ich die Serie sah und „Peter Gunn“ erstmals hörte. Als ich dann eine Gitarre bekam, war es das Erste, was ich zu spielen versuchte. Der Song war ihr Opener bei einer Show im Max’s Kansas City, und ich war begeistert. Ich sprach sie an, bot ihnen an Aufnahmen im Fotostudio zu machen, und die landeten in Andy Warhols Magazin „Interview“. Ich fotografierte sie für Poster – und für das Plattencover.

Und was noch?

THE RAMONES, „Too Tough To Die“. So, wie sie da aussehen, wollten sie aussehen, wohingegen sie auf Roberta Bayleys Fotos der früheren Platten so aussehen, wie sie eben aussahen. Für „Too Tough To Die“ hatte Johnny sich das Konzept ausgedacht, dass die Band da auftritt wie die Droogs aus „A Clockwork Orange“. Dem sollte das Artwork entsprechen, und so fanden wir diesen Tunnel im Central Park. Das Cover von „Mondo Bizarro“ gefällt mir auch sehr gut, obwohl es mit diesen Verzerrungen eigentlich besser zum Nachfolgealbum „Acid Eaters“ gepasst hätte, diesem Psychedelic-Album. Diese Verzerrungstechnik habe ich mir bei Ira Cohen abgeschaut und seinem Coverartwork für das Album „Twelve Dreams Of Dr. Sardonicus“ von SPIRIT. Dessen Ex-Freundin war damals meine Freundin, und die brachte mich da drauf. Das Cover sah aus, als ob man auf LSD sei und das Bild schmilzt. Ich experimentierte daraufhin mit diesem speziellen Mylar-Film, mit dem Ira Cohen Pionierarbeit geleistet hatte. Für „Acid Eaters“ hätte auch das Foto gepasst, wo die RAMONES auf einem riesigen Pilz sitzen, eine Idee, die ich mir bei „Alice im Wunderland“ geborgt hatte. Auch sehr gut gefällt mir das Cover von „World Wide Vibe“ von den HOTHEADS, diese Kugel aus Lautsprechern.

Wie steht es um die Rechte an deinen Fotos? In Zeiten digitaler Verbreitung ist das ein wichtiges Thema für alle Künstler.

Ich erinnere mich an die Mail eines Freundes, der mir zur Veröffentlichung meiner Madonna-Fotos im Garçon-Magazin gratulierte. Ich google direkt, finde die Fotos, und bei den Copyrights steht natürlich nicht mein Name, sondern allaboutmadonna.com. Ich schreibe die an, die antworten, sie hätten die Fotos von meinem Agenten gekauft, und ich frage zurück, wer ihnen erlaubt habe, ihre Website auf das Foto zu drucken. „Dein Agent!“ Bullshit ... Es ist ein Alptraum ... Meine Fotos tauchen irgendwo auf, irgendwer verwendet sie, aber darauf jedes Mal einen Anwalt anzusetzen, ist unmöglich. Sorry, wenn ich gerade laut wurde, aber bei dem Thema erwischt man mich immer auf dem falschen Fuß ...

Wie schwer ist es, heutzutage als Fotograf zu überleben?

Quasi unmöglich. Ich halte mich damit über Wasser, dass ich Originale verkaufe, neulich etwa das Originalartwork der ersten THE B-52’S-Covers. Ein französischer Fan zahlte mir dafür 5.000 Euro. Und ich konnte ein paar Lizenzen von alten Fotos verkaufen, wobei das, wie gesagt, schwer ist. Unlängst musste ich mich mit einem Smithsonian-Museum auseinandersetzen, das den Nachlass eines New Yorker Musikpromoters gekauft hatte, und der hatte mal drei Abzüge meiner Fotos gekauft. Das Museum wollte von mir dann die lebenslangen Nutzungsrechte an den Fotos überschrieben haben, für umsonst. Ich sagte, sorry, aber ich muss auch Miete bezahlen. Und ganz ehrlich, allein für Ruhm und Ehre mache ich das nicht mehr, da bin ich drüber hinweg, haha. Show me the money, honey!

Musik ist Jugendkultur, doch selbst wenn man selbst noch nah dran ist an der Musik, so dreht sich die Uhr doch weiter. Ist es deshalb leichter für junge Fotografen?

In den Siebzigern, ich war Anfang, Mitte zwanzig, war ich fast jeden Abend in den New Yorker Clubs unterwegs, fotografierte Bands, nur zum Spaß und auf eigene Rechnung. Ich knüpfte Kontakte, kam an Jobs ran. Ich war so alt wie die Leute, die ich fotografierte. Andererseits, und das sehe ich bei den Aufträgen, die ich heute habe, mag ich zwar älter sein als die Bands, für die ich arbeite, aber ich verstehe die Musik. Harter Rock ist nun mal harter Rock, und ich habe eine sehr lange Erfahrung mit Musik, auf die ich zurückblicken kann. Ich habe mein Leben lang fast nichts anderes gemacht, als mir Fotos von Musikern anzuschauen, ich weiß also, worauf es ankommt. Wenn eine Band das immer Gleiche machen will, braucht sie mich nicht, doch wenn es um einen anderen Blickwinkel geht, dann kann ich helfen. Manche Menschen werden alt und verlieren das Interesse an Neuem, ich aber bin neugierig geblieben. Dabei helfen mir schon meine Söhne und deren Interesse an Musik, die sind jetzt zehn und zwölf. Ich hasse die Musik, die im Radio läuft, all die One-Hit-Wonders, aber andererseits will ich nicht klingen wie mein Vater und so ertrage ich das. Und bin gespannt auf das, was kommt.

Hast du als Fotograf Vorbilder?

Norman Seeff aus Los Angeles. Er machte ungefähr zu „Exile On Mainstream“-Zeiten eine Session mit den ROLLING STONES für ein Songbook, mit Porträts der einzelnen Musiker. Keith Richards ist da abgebildet mit zwei Löckchen im Haar, die aussehen wie Teufelshörner, und das ist ein unglaubliches Foto. Jim Marshall aus San Francisco mag ich, und Richard Aaron aus New York. Wen ich nicht mag, ist Annie Leibovitz. Da habe ich ein paar Geschichten gehört, die sie mir nicht gerade sympathisch machten. Allerdings macht sie wirklich gute Fotos.

Joachim Hiller

 


George DuBose über das "Subterranean Jungle"-Coverfoto

Die Jungs wollten ein Foto in einem U-Bahn-Waggon machen – in der Bronx. Ich dachte: Oh je, da muss ich ja erst mal von allen möglichen Stellen die schriftliche Erlaubnis einholen und eine Leiter mitbringen, denn da gab es keinen Bahnhof mit Bahnsteigen, nur Schienen. Also schlug ich ihnen vor, zur Station 57th Street und 6th Avenue zu gehen, wo der Zug aus Coney Island ankommt, zwanzig Minuten lang im Bahnhof steht und wieder zurückfährt. Das wäre genug Zeit – und die Sache wäre an dieser Stelle wesentlich unkomplizierter. Das haben wir gemacht.

Und dann kam während der Fotosession doch ein Cop vorbei ... Er fragte mich sofort, ob ich hier denn fotografieren dürfe. Ich sagte: „Meines Wissens nach brauche ich hier keine Erlaubnis.“ Außerdem: Wir würden nur so lange Fotos machen, wie der Zug hier hält. Trotzdem bestand er darauf, seinen Chef in der Leitstelle anzurufen. Als er ihm die Sache erklärt hatte, gab er mir den Hörer in die Hand und sagte, sein Chef wolle mich sprechen. Der fragte mich dann: „Wie heißt die Band, für die Sie da die Bilder machen?“ Und als er RAMONES hörte, antwortete er sofort: „Alles klar! Machen Sie weiter!“ Ich erfuhr später, dass die Band kurz zuvor ein Benefizkonzert im CBGB gegeben hatte, um Geld zu sammeln, mit denen sich die Cops des NYPD schusssichere Westen kaufen konnten. Und seitdem hatten die RAMONES bei der Polizei eben einen Stein im Brett.

Diese erste Fotosession hatte aber noch einen anderen kuriosen Aspekt: Monte Melnick, der Tourmanager der Band, nahm mich während des Shootings zur Seite und sagte zu mir: „George, die Jungs wollen demnächst Marky wegen seiner Trinkerei aus der Band werfen. Er weiß zwar noch nichts davon, aber kann man ihn auf dem Cover fürs Album vielleicht schon mal ein wenig von den anderen wegrücken?“ Ich hatte daraufhin die Idee, Joey, Johnny und Dee Dee in die Tür des Waggons zu stellen und Marky etwas abseits hinter die Scheibe zu setzen. Und damit das nicht auffiel, habe ich auch noch ein paar Aufnahmen mit Dee Dee auf der Sitzbank gemacht. Es funktionierte: Marky schöpfte keinen Verdacht. Und kurz nach dem Erscheinen der Platte – mit ihm hinter dem Fenster, etwas abseits der anderen – war er tatsächlich raus aus der Band.

Frank Weiffen

 


DANIEL REY

Der New Yorker Musiker und Produzent Daniel Rey arbeitete erstmals bei „Too Tough To Die“ mit den RAMONES zusammen, produzierte „Halfway To Sanity“, „Brain Drain“ und „¡Adios Amigos!“. Seit 2015 spielt er Gitarre bei den DICTATORS.

Der Song „I wanna live“ wurde von dir und Dee Dee Ramone geschrieben. Wie wurdest du erst zu einem Songschreiber für die Jungs und schließlich ihr Produzent?


Ich war in einer Band namens SHRAPNEL, aus der dann später MONSTER MAGNET hervorgingen. Wir traten immer mal wieder im Vorprogramm der RAMONES im CBGB auf. So freundete ich mich mit den Jungs an, besonders mit Joey, und half ihm beim Schreiben neuer Lieder. Die RAMONES brauchten immer neue Songs. Johnny herrschte dann immer Joey und Dee Dee an und sagte: „Schreibt mal neue Songs! Wir müssen das verdammte Album fertigkriegen.“ Das Songwriting war nicht so Johnnys Ding. Er hat sich mehr darum gekümmert, das Schiff auf Kurs zu halten.

Hast du als enger Vertrauter den Eindruck, dass mit dem Erbe der RAMONES angemessen und verantwortlich umgegangen wird?

Zum größten Teil schon. Die Art und Weise allerdings, wie der Nachlass verwaltet wird – von Johnnys Frau Linda und Joeys Bruder Mickey Leigh –, ist armselig und lausig. Aber die Musik ist nach wie vor da. Daran kann sich keiner vergehen. Und darauf kommt es an. Dieser ganze andere Bullshit mit Büchern, die geschrieben werden, und diesen Demos, die veröffentlicht wurden, das ist jämmerlich.

Achim Lüken