Wer schon mal in den USA im Urlaub war, wird dort mit Begeisterung eine bunte, gerade in den Großräumen jedem Musikgeschmack gerecht werdende Radiolandschaft vorgefunden haben. Gerade die College Radios, die zwar nach Meinung vieler Einheimischer auch nicht mehr das sind, was sie mal waren, befriedigen dort das Interesse des Punk- und allgemein Indie-Hörers, seine Musik auch im Radio zu hören. Und wie sieht die Situation in Deutschland aus? Weniger gut, denn auf den ersten Blick und was die Tagesprogramme der Jugendsender wie Radio Fritz in Berlin, HR XXL in Hessen oder WDR 1Live in Nordrhein-Westfalen anbelangt, so schaffen es da zwar immer wieder mal auch bekanntere Punkbands, im Format zwischen all dem Charts-Müll ein Plätzchen zu findean, doch die wirklich interessanten Sendungen, die quasi die Radio-Entsprechung zum Fanzine sind, werden eher weniger und auf die unattraktiven Sendezeiten abends und nachts verdrängt, so es sie überhaupt (noch) gibt. Klar, fast in jeder größeren Stadt gibt’s über die Offenen Kanäle Möglichkeiten für jeden, seine eigene Sendung zu machen, doch über die Reichweite und Einschaltquoten macht sich wohl niemand Illusionen. Alles in allem sieht es also düster aus hierzulande, was “unsere” Musik im Radio anbelangt, wobei löbliche Ausnahmen die Regel bestimmen, dass der Pöbel den Chartmüll hören will und muss.
Um zu ergründen, warum das alles so ist, wie es ist und was es doch noch für Nischen gibt, habe ich zwei RadiomacherInnen interviewt: Zum einen Klaus Fiehe, 45, der heute in Solingen wohnt und der bei 1Live die Sendungen “Raum und Zeit” sowie “Kultkomplex” macht, zum anderen Rebecca Link, 31, Frankfurt und Köln, die als Moderatorin bei 1Live arbeitet, aber auch noch beim Hessischen Rundfunk ihre wöchentliche Punk- und Hardcore-Show “Meantime” macht.
Klaus, bitte die wichtigsten Facts zu deiner Person.
Klaus Fiehe, 45, mache seit 1986 Radio und habe vorher Musik gemacht. Heute zwar auch noch, als Saxophonist bei den BOLLOCK BROTHERS, vorher aber ausschließlich, und die bekannteste Band ist GEIER STURZFLUG. Abitur, abgebrochenes Studium Germanistik und Publizistik. Den Großteil meines Lebens habe ich in Nordrhein-Westfalen verbracht.
Wie wurdest du einst vom reinen Musik-Konsumenten zum Fan?
Ich bin den Siebzigern aufgewachsen, und da war es echt so, dass du 100% deines Taschengeldes in Platten investiert hast. Ich komme aus Hamm, einer Kleinstadt, und natürlich bin ich damals wie fast jeder mal wegen Diebstahls erwischt worden, denn unser Geld reichte nie, um all die Platten zu kaufen, die wir haben ‚mussten’. Mit 14 fing ich dann an, in einer Schülerband zu spielen, und bis auf die Zeit mit GEIER STURZFLUG habe ich immer intensiv Musik gehört. Da waren wir so viel unterwegs, da habe ich nur im Bandbus Ska gehört.
Du meinst zur Zeit von “Bruttosozialprodukt”...
Ja, aber auch schon vorher. Und um da keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Bei älteren Fans von Ska und Reggae haben wir eigentlich einen guten Namen, denn eigentlich war GEIER STURZFLUG eine gute Ska-Band, aus der heraus sich dann diese Schlager-Attitüde herausgebildet hat. Als sich die Sache mit der Band dann dem Ende näherte, kam ich durch Zufall zum WDR in Dortmund, und so hat sich dann Passion, berufliches Interesse und großes Engagement gemischt. Das war die Zeit, als man um acht nach Bochum in die Zeche gefahren ist, um neun nach Dortmund in die Live-Station, und danach noch auf ein Konzert.
Und was ist mit dir und Punkrock?
Also ich hatte schon immer eine gewisse Anbindung an Punkrock. Wir hatten damals beim WDR in Dortmund Narrenfreiheit, stellten unser Programm selbst zusammen und die ganzen Club-Konzerte in der Region waren ziemlich punkrocklastig.
Wie kamst du konkret zum Radiomachen? War das Zufall, warst du jemand, der Radio als Medium schon immer geschätzt und genutzt hat?
Ich habe von jeher sehr viel Radio gehört, und der Typ, der mich als Hörer durch die Siebziger begleitet hat, war Winfried Tränkler. Ich hörte als Teenager seine Sendungen, und witzigerweise habe ich ihn dann Jahre später als Moderator abgelöst. Der kam damals mit LED ZEPPELIN an, aber auch mit Jazzrock und so, und das waren eben die Siebziger. In den Achtzigern waren es dann Gunter Jansen und John Peel, die wichtig waren. Als ich dann später Publizistik studierte, war schon eine gewisse Nähe zum Radio vorhanden, und dazu kam, dass wir als GEIER STURZFLUG von jemandem porträtiert wurden, der später Musikchef des WDR Dortmund wurde. Der fragte uns als Band dann mal, ob wir moderieren wollten. Der Sänger und ich machten das dann, er gab bald wieder auf, ich blieb dabei – bis heute. Letztendlich war alles Zufall.
Hast du denn so einen gewissen missionarischen Eifer bei dem, was du tust, dass du also denkst, du musst und willst den Leuten zu dieser und jener Musik was erzählen?
Anfangs ging ich schon missionarisch ran, aus dem banalen Grund, dass ich dem Rock’n’Roll zurückgeben wollte, was er mir gegeben hatte. Ich war im Grunde ein lausiger Saxophonist, hatte aber selbst mit meinem Können extrem viel Geld verdient und Erfolg gehabt. Ich wollte als Radiomann da weitermachen, wo GEIER STURZFLUG herkamen, denn wir waren eigentlich eine Hausbesetzerband, kamen aus der linken Szene Bochums und im Grunde wollte ich da auch wieder hin. Dieses ‚Missionierertum’ hat sich bei mir so geäußert, dass ich in meinen Sendungen einen, wie wir als Radioleute sagen, extrem hohen Wortanteil hatte. Ich habe also wirklich viel gequatscht, was man mir auch vorgehalten hat – weniger die Hörer, als die Leute im Sender, die über gewisse Formalia wachen. Mit den Jahren ist der Wortanteil in meinen Sendungen weniger geworden, man lernt eben auch pointierter zu sprechen, aber er ist immer noch recht hoch, wobei man mir das heute nachsieht – ich spreche auch heute noch vier Minuten am Stück. Das habe ich für mich von meinem einstigen Anspruch gerettet.
Wenn du einen Vergleich von deinem Einstieg damals zu 1Live heute ziehst, was ist da noch übrig vom damaligen Radiomachen?
Übrig geblieben ist der persönliche Ehrgeiz. Wenn dir die Leute das Gefühl geben, dass sie für dich das Radio einschalten oder wegen dir noch zehn Minuten in der Garage im Auto sitzen geblieben sind, dann möchtest du nie an den Punkt kommen, wo jemand sagt: ‚Ach, der Fiehe schon wieder, nee, lass’ mal, ich steig’ jetzt aus.’ Ehrgeiz bedeutet da für mich, so viel von meinem Wissen und meiner Kompetenz in eine Sendung einzubringen. Dieser Anspruch ist konstant geblieben, verändert hat sich dagegen der bürokratische Aufwand, nicht zuletzt auch durch die elektronischen Medien, die vieles erleichtern sollen, faktisch aber auch vieles aufwendiger machen. So muss ich meist schon vor der Sendung meine Playlists schreiben, werde bombardiert mit Anfragen zur Musik, die ich spiele, und das muss man alles beantworten, das kostet wirklich viel Zeit.
Mitte der Neunziger ist ja aus WDR 1 unter Protesten vieler Zuhörer der stark auf Jugendlichkeit gemachte Sender 1Live geworden. Wie hast du diesen Bruch erlebt?
1Live ist ziemlich genau ein Jahr nach dem Selbstmord von Kurt Cobain auf Sendung gegangen, im April 1995. Einer der markantesten Wechsel war dabei, dass man sich von Spezialsendungen verabschiedete und stattdessen ein Programm machte, das von Morgens bis Abends eine gewisse Grundfarbe hat. Das heißt, alles was vorher an Spezialistentum herrschte, wurde ausradiert, wobei es dafür natürlich auch Gründe gab, die, wie ich zugeben muss, teilweise auch nicht von der Hand zu weisen waren. So etwa die extrem geringe Resonanz, die es auf die Sendungen von WDR 1 gab. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass wenn du im Radio eine spezielle Punkrock-Sendung machst, auch wirklich Punkrock-Interessierte zuhören. Das ist eine Milchmädchenrechnung. Ich glaube, die Gehirne der Leute in Deutschland sind heute so gewaschen, dass Spezialsendungen dieser Art heute keine Chance mehr haben. 1Live hat sich dann von Anfang als schriller, respektloser und schräger Sender präsentiert, der das aber nicht über die Musik, sondern die Texte und Moderationen erreicht.
Worüber man geteilter Meinung sein kann...
Nun, das ist der Anspruch. 1Live hat ein Zielpublikum von 14 bis 29, da wollte man Marktführer werden und ist es auch. WDR 1 hatte demgegenüber ein überaltertes Publikum, war aber damals schon der inoffizielle Jugendsender des WDR. Vom Publikumszuspruch her war die Veränderung von WDR 1 zu 1Live nachvollziehbar, und ich habe damals bei WDR 1 von 18 bis 20 Uhr die ‚Pop Session’ moderiert, und im Vergleich zu damals stieg die Resonanz auf meine Sendungen bei 1Live ganz erheblich an.
Was für einen Stand hat Punk denn im Programm von 1Live?
Heute sicher nicht mehr den wie zu Beginn. Als wir anfingen, hatte Punk so ‚Lokomotiven’ wie die ÄRZTE oder die TOTEN HOSEN, aber auch OFFSPRING und GREEN DAY. Diese ‚Lokomotiven’, die dann auch unbekannte Bands ziehen könnten, hast du heute nicht mehr, und man bemüht sich auch nicht darum, welche aufzubauen. Und was für Punkrock im Radio gilt, das gilt genauso für Heavy Metal. Da gab es schon endlos viele Diskussionen, und auf der letzten Popkomm habe ich noch eine Podiumsdiskussion moderiert, wo die Metal-Leute beklagten, dass ihre Musik aus den Radioprogrammen verschwunden ist. Und das stimmt ja auch, das ist eine Tatsache, trotz immer wieder hoher Chartnotierungen entsprechender Platten, die belegen, dass dafür ein Publikum existiert.
Dann existiert doch aber ein Missverhältnis zwischen dem, was das Radio an Musik abbildet und dem, was die Leute da draußen hören.
Das ist eine gute Frage. Also, ich versuche Radio in einem Gesamtkontext zu sehen, und Punkrock als Attitüde, als Lebensgefühl, vermittelt den Leuten ein gewisses Tempo. Dieses Tempo können die Leute bei 1Live durchaus wiederfinden, im Ablauf der Sendungen – und ohne, dass 1Live Punkrock spielt. Und wenn man 1Live mit WDR 2 oder WDR 5 vergleicht, ist das schon eine Art Punkrock. Das ist eine sehr geschönte Aussage, das weiß ich, aber man könnte das ansatzweise so formulieren. Andererseits ist es in Anbetracht der Club-Kultur hier in der Region eine Sache wie die mit der Henne und dem Ei: Was war zuest da? Denn auch die Clubs im Lande haben das Angebot an Punk-Konzerten zurückgefahren, wie ich empfinde. Die Punk-Sache hatte eben in den Neunzigern eine gewisse Spitze erreicht, und seitdem ist das wieder zurück gegangen. Das Problematische sind da dann Bands wie BAD RELIGION: die kann ein Sender wie 1Live leicht handlen, die kommen zum Interview ins Studio, und die geben den Machern des Senders das Gefühl, dass sie mit dem paarmaligen Abspielen von BAD RELIGION ihre Punkrock-Mission erfüllt haben. Das gleiche Problem sehen ich bei Bands wie SPARTA oder diese ganzen Nu Metal-Bands: die geben den Kids das Gefühl ‚Hier hast du deine laute, aggressive Musik, ganz schön crazy’, obwohl diese Bands von ihrem Background her alle so Mittelklasse-Fuzzis sind und mit Punkrock eigentlich nichts zu tun haben. Das war früher anders, da hast du mit Bands wie den BADTOWN BOYS ein Interview gemacht und gemerkt, man bewegt sich auf der gleichen Ebene, und das konnte man eben noch spielen. Heute ist allein schon der Kontakt zu den Labels ein Problem: ich fühle mich den Labels verpflichtet, die Sachen auch zu spielen, wenn sie mir die schon schicken, aber das geht immer weniger und darüber schlafen viele Kontakte ein, denn ich kann auf 1Live eben keine Punkrocksendung anbieten.
Wenn man mal den Punk-Kontext verlässt und mal den ganzen Indie-Sektor nimmt, wie sieht’s denn da aus?
Wenn ich meine Sendung ‚Kultkomplex’ nehme, die drei Stunden geht, versuche ich der ersten Stunde ein hohes Tempo zu geben. Da arbeite ich viel mit Zweieinhalb-Minuten-Nummern und versuche da einen eher roughen Sound zu machen. Aber ich habe natürlich verordnete Themen, muss bestimmte Alben für diese ‚Kultparade’ vorstellen. Das legt der Redakteur fest, das kann Heather Nova sein oder Bootsy Collins. Das weicht den Sound der Sendung schon auf. Dann habe ich mich schon immer für sehr viel verschiedene Musikrichtungen interessiert habe, kaufe und spiele Drum’n’Bass und HipHop. Aber ich versuche ganz klar KORN und alles, was damit zusammenhängt, zu vermeiden. Und ich spiele Bands wie etwa MCLUSKY, die finde ich interessant. Solche Sachen spiele ich auch nicht in der Häufigkeit wie früher. Ich kann so was nur wenig einsetzen, weil ich eben weiß, dass viele Leute Zahnschmerzen bekommen, wenn die das hören – nicht unbedingt bei 1Live, sondern da draußen. Mir wird das immer klar, wenn ich von Solingen-Ohligs mit dem Bus nach Hause fahre: da sitzen jede Menge Jugendliche aus den verschiedensten Nationen, und wenn ich mir die anschaue und sie zu meiner Playlist in Relation setze, dann gibt es da keinerlei Überschneidungen. Ich glaube einfach, dass Punkrock und Musik ähnlicher Couleur nichts Kommunikationsstiftendes mehr haben, was ich bedauere. Meiner Meinung nach spielt sich die Kommunikation vieler Jugendlicher auf einem sehr oberflächlichen Level ab, ist sehr auf Handy und Klamotten fixiert, eben sehr stark auf Konsum aus. Und da muss ich einer Kerstin Grether, so weird die manchmal sein mag, zustimmen, wenn sie sagt, dass es für junge Mädchen außerhalb von R&B keine Role Models mehr gibt – was ja beispielsweise auch SLEATER KINNEY sein könnten. Oder nimm CHICKS ON SPEED, die finde ich in diesem Zusammenhang auch sehr interessant. Nur bekommst du solche Gruppen nicht in die Zielgruppen rein, für die die eigentlich interessant wären.
Man kann das ja aber auch andersherum sehen: Anstatt zu sagen, wir spielen die Musik, die die Leute hören wollen, kann man ja auch sagen, man “erzieht” die Leute so ein bisschen in eine bestimmte Richtung, und vielleicht wollen sie dann ja auch mal was ganz anderes hören. Ist also zuerst der Sender da, der etwas spielt, was die Leute dann hören wollen, oder hören die Leute Musik, die dann auch der Sender spielt?
Früher war es so, dass du als Musikjournalist stärker den Ehrgeiz hattest, den Leuten etwas vorzuspielen, von dem du sicher sein konntest, dass sie das nicht kennen. Diesen Ehrgeiz habe ich heute nicht mehr, denn dazu gibt es viel zu viele Arten der Informations- und Musikbeschaffung, allen voran das Internet. Dementsprechend hat sich die Erwartungshaltung der Hörer an ihr Radio geändert.
Die John Peel-Zeiten sind also vorbei, als die Leute am Radio hingen, um den heißen, neuen Klängen zu lauschen.
Nicht ganz, so was versuche ich in meiner Sendung ‚Raum und Zeit’, die jedoch vom Sound her eher Club-mäßig ist. Da spiele ich Platten, von denen ich weiß, die hat kein Schwein, weil ich sie beim Vertrieb gekauft habe, bevor die in die Läden gehen. Aber ansonsten gibt es einfach zu viele Nischen, als dass ich in der Lage wäre, meine Kompetenz an der echter Fans des jeweiligen Genres zu messen. Da muss ich vorsichtig sein. Ich bin dann dankbar, wenn die DONNAS eine neue Platte machen, denn die kann ich auch noch spielen, wenn sie älter als zwei Monate ist und das gefällt auch dem Taxifahrer, denn die haben einfach gute Songs. Aber das ist halt auch wieder so ein Ding: Um ein Label wie Lookout, das es schon ewig gibt, wird lange nicht so ein Wirbel gemacht wie um Vagrant, auf deren vier, fünf aktuelle Platten sich jeder schmeißt, weil das eben jetzt über Motor vertrieben wird.
Wie läuft denn bei 1Live die Zusammenarbeit mit den Plattenfirmen? Ich meine, bei VIVA sind die Majors ja gleichzeitig auch die Besitzer, da ist klar, was gespielt wird, aber wie ist das bei euch?
Das ist ganz knallhart. 1Live spielt nur, was 1Live gut findet. Und 1Live findet nur gut, was man glaubt, dass auch der Hörer gut findet. Ich kann wirklich guten Gewissens sagen, dass es keine Gefälligkeiten gibt, auch nicht bei den Interviews. Ansonsten ist die Zusammenarbeit mit den Plattenfirmen sehr gut, und mit den fünf Majors kommt man klar.
Du bist mit 45 schon 16 Jahre über dem angepeilten Maximalalters des Zielpublikums deines Senders. Wie geht das denn, wie kannst du dich da halten?
Das geht deshalb, weil meine Sendungen tatsächlich beliebt sind. Klingt blöd, ist aber so. Ich spreche die Leute an, bin nicht arrogant, weiß relativ viel. Nicht weil ich 20 Stunden am Tag Platten höre, sondern weil ich aus jeder Szene Leute kenne, die mich mit Tips versorgen. Und da gibt es eine ganze Menge Leute, die das eben gut finden. Für viele Leute ist das, was ich gerade in ‚Raum und Zeit’ spiele, eine echte Kaufempfehlung, das sehe ich ja immer an meinen eMails.
Und was ist mit dem Nachwuchs?
Den gibt es, und der Unterschied ist, dass 1Live in Köln sitzt, diesem riesigen Medienstandort. Ich und du, wir kommen aus der Provinz, wir mussten durch die Scheiße, mussten uns erkämpfen, von den Plattenfirmen wahr- und ernstgenommen zu werden. Das war teilweise ein jahrelanger Kampf, von bestimmten Labels mal eine Platte geschickt zu bekommen. Wer aber heute aus Köln kommt und irgendwas für 1Live macht, der ist ja per se wichtig. Der geht am Montag zu IDLEWILD, am Dienstag zu Richard Ashcroft und am Mittwoch zu OASIS oder weiß der Henker was, und da sind wir dann schon bei dieser ertragbaren Mainstreamsuppe, die es im Grunde aber auch nicht macht. Aus dieser Suppe löffeln aber die allermeisten Musikjournalisten, gehen in die Büros der Plattenfirmen, holen sich ihre Platten ab, werden von den Promotern der Plattenfirmen endlos mit Interviewangeboten gespickt. Fakt ist, dass diesen Leuten der Blick für das etwas kleinere verloren geht, weil das in Köln kaum noch stattfindet.
Kannst du was dazu sagen, wie viele Leute deine Sendungen hören?
Genaue Zahlen kenne ich nicht, aber ich habe gehört, dass ‚Raum und Zeit’ von 80-100.000 Leuten gehört wird, und bei ‚Kultkomplex’ sind es wohl noch ein paar mehr. Das ist schon recht viel, wobei der Hörer mit der Musik natürlich auch je nach Situation nur ganz flüchtig in Berührung kommt. Eine Musikzeitschrift wird da anders wahrgenommen, das liegt einen Monat auf dem Küchentisch.
Klaus, vielen Dank für das Interview.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #50 März/April/Mai 2003 und Joachim Hiller