Madrid ist bekannt für Fußball, hier residieren die Mitglieder des spanischen Königshauses und außerdem war General Franco hier mal Diktator. Noch was? Das Übliche: Regierungssitz, Finanzdistrikt, Museen, Plätze, Straßen. Für lauten Punkrock stand die spanische Hauptstadt bislang eher weniger. Doch jetzt sind da PUSSYCAT KILL. Im Jahre 2012 gegründet. Und ihr Debütalbum heißt „Faster Than Punk“. Diesem Titel hört man schon an, dass die Band nicht auf den Mund gefallen ist und ein gewisses Selbstvertrauen besitzt. Genauso gestaltet sich auch das Interview mit Bassist und Bandgründer Anne: Er nimmt kein Blatt vor den Mund und liefert Statements zwischen Kurzweil, Irrsinn und einem kleinen bisschen Wahrheit.
Als ich euren Namen hörte, dachte ich sofort an den Russ Meyer-Film „Faster, Pussycat! Kill! Kill!“ Lasst mich raten: Ihr habt euch an genau diesem Streifen orientiert, oder?
Auf jeden Fall! PUSSYCAT KILL ist natürlich der Filmtitel in Kurzform. Wie lieben die Filme von Russ Meyer!
Nun geizen diese Filme nicht mit heftigen Sex- und Gewaltszenen. Wie passt das zu Punkrock?
Gar nicht! Wir sind ja auch nichts anderes als ein Haufen netter Typen, die auf ihren Instrumenten spielen. Wir sind gegen Geschlechtsverkehr vor der Ehe. Wir unterstützen weder Gewalt noch Drogen noch Abtreibung. Noch nicht einmal schlimme Wörter oder eine ordinäre Ausdrucksweise. Punk machen wir, weil es einfach leichter zu spielen ist als Popmusik, die wir eigentlich lieben. Unser Ziel ist es, bessere Musiker zu werden und irgendwann eine Boy-Band zu gründen – ohne unsere Sängerin Sophie. So wie damals NEW KIDS ON THE BLOCK.
Okay. Zunächst aber erzähle mir doch bitte etwas über eure Heimat Madrid. Das ist eine Stadt, die nicht unbedingt fett eingezeichnet ist auf der Punkrock-Landkarte, oder?
Zunächst einmal ist Madrid die großartigste Stadt der Welt. Das wäre auch der Fall, wenn ein Weltkrieg alle anderen Städte der Erde in Schutt und Asche legen und nur Madrid übrig bleiben würde. Es gibt sehr coole Pubs und Clubs bei uns, in denen ziemlich viel Punkrock läuft. Die Szene ist zwar nicht allzu groß. Aber dadurch kennen sich eben alle untereinander und sind besser vernetzt.
Und wie habt ihr als Band zusammengefunden?
Sophie und ich sind schon lange befreundet und wir hatten immer schon den Plan, eine Band zu gründen. Irgendwann trafen wir dann unseren zweiten Gitarristen Walter, der zuvor bei den MALASAÑERS war. Und dann Gatsu, unseren Schlagzeuger, der bereits in mehreren Combos Erfahrung gesammelt hatte.
Nun ist Punkrock immer auch politisch und gesellschaftlich eindeutig positioniert gegen das Establishment und übt Kritik an all der Scheiße, die vor der eigenen Haustüre passiert. Wie sieht es vor eurer Haustüre aus?
Schlecht. Insofern singen wir gegen fast alle Politiker in unserem Land an. Im Grunde genommen sind die nichts anderes als ein Haufen verlogener Mistkerle und korrupte Diebe, die es verdient hätten, umgebracht zu werden.
Neben Kritik an den Obrigkeit betont ihr als gute Punkrocker auch gerne eure D.I.Y.-Haltung ...
So ist es. D.I.Y. bedeutet für uns die Vorstellung, ein Konzert für die RAMONES zu eröffnen.
Die sind aber tot.
Ja, kein Problem, wir lieben Zombies. Deshalb wären unsere zweite Wahl für einen Support-Act auch die SEX PISTOLS. Die müssen gar nicht erst sterben. Die sind schon tot.
Ein gutes Stichwort: Vor vierzig Jahren gründeten sich die SEX PISTOLS und die RAMONES veröffentlichten ihr Debütalbum. Was denkst du: Welche Rolle spielt Punk nach vier Jahrzehnten noch für die Gesellschaft und die Popmusik?
Punk spielt viele Rollen! Punk ist das T-Shirt bei H&M ebenso wie der Teenager, der beim Konzert vor der Bühne steht und sein Bier trinkt. Punk ist letztlich keine Frage der Kleidung. Es geht um die Attitüde. Und wenn man das zugrunde legt, dann spielte Punk immer schon eine Rolle. Dann gab es sogar Punks, bevor es Punk gab. Die Vierzig, das ist nur eine Zahl. Ein Datum. Mehr nicht.
Welche Punkbands beeinflussten euch am meisten?
ANTI-FLAG. Weil wir bei einem Gig von ihnen beschlossen, PUSSYCAT KILL zu gründen. Darüber hinaus, wie man sicherlich deutlich hören kann, RANCID, DISTILLERS, RAMONES, MISFITS, BELLRAYS ... Und noch jede Menge weiterer Bands. Und was RANCID angeht: Sie haben so unfassbar gute Basslines. Ich würde töten, um die genauso hinzukriegen!
Abgesehen von euren, respektive deinen Basslines spielt ihr nicht nur Punk, ihr nennt euer Album sogar recht großspurig „Faster Than Punk“. Was bitte könnte schneller als Punk sein?
Ich, wie ich Sex mit der Schauspielerin Scarlett Johansson habe. Das wäre schneller als Punk ... Kein Zweifel ...
Und es ist bei dem deutschen Label Wolverine Records von Sascha Wolff erschienen. Wie kam er auf euch?
Er muss uns im Internet gefunden haben. Und ich möchte nicht wissen, wie er darauf kam, die Wörter „cat“, „pussy“ und „kill“ zu googlen ... Aber sei’s drum: Es war letztlich ein glücklicher Zufall und er kontaktierte uns. Wahrscheinlich hatte er eine Vision von ein paar Typen, die in weißen Klamotten Lieder über den Herrn singen.
Ihr seid also die Auserwählten, die Guten. Wie sieht es mit den Legenden aus, mit denen ihr schon auf Tour gewesen seid: ADICTS, EXPLOITED, DICTATORS, 999. Welche davon entpuppte sich als ein Haufen Idioten?
Keine dieser Bands. Wirklich! Das waren alles verdammt nette Menschen, die uns viel geholfen haben. Und die viel trinken. Was kann man sich mehr wünschen?
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #126 Juni/Juli 2016 und Frank Weiffen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #125 April/Mai 2016 und Frank Weiffen