Buddhist:innen in Bands gibt es viele. Aber verhältnismäßig wenige buddhistische Bands. Die Japaner:innen BUDDHADATTA sind nicht nur in in dieser Hinsicht eine Ausnahme, sondern innerhalb dieser Nische noch mal Exot:innen, da sie sich optisch und musikalisch auf die sogenannte Fuke-shu-Bewegung beziehen, eine buddhistische Strömung in Japan mit Ursprüngen im 13. Jahrhundert, in der wandernde und musizierende Bettelmönche es sich letztendlich durch ihr exotisches Auftreten mit der Obrigkeit versaut haben. Und Punk mögen BUDDHADATTA natürlich auch. Sänger und Gitarrist Mitsu erklärt uns seine Sicht auf die Parallelen zwischen dem „rebellischen Geist“ im Buddhismus und dem Spirit des Punkrock.
Mitsu, bitte erzähle uns ein bisschen über dich.
Mein Künstlername als Solomusiker ist Voglibonze, aber eigentlich heiße ich Mitsuteru Kawai. Ich bin Sänger und Gitarrist und wurde 1965 in Nagoya, Japan geboren. Meine ersten musikalischen Gehversuche waren im Jahr 1984 als Gitarrist bei einer Band namens THE EASE, die auch ein Album veröffentlichten. Danach gründete ich meine eigene Band, die aber nicht so erfolgreich war, so dass ich meine Karriere nach ein paar Jahren beendete. 2004 startete ich einen neuen Versuch und gründete MITSU AND FLOWER AMIGOS mit folkloristischen Instrumenten und nahm meine Musiklaufbahn wieder auf. BUDDHADATTA entstanden, als ich einen Punk-Schlagzeuger aus Kansai traf, während ich als Solokünstler aktiv war. Wir beide hatten das Ziel, auch international zu spielen. Danach schloss sich die Bassistin und Sängerin Seiko uns an und wir waren als Band komplett.
Wann und wie wurdest du buddhistisch geprägt? Schon als junger Mensch oder erst später?
Das war ein Prozess. Und zwar insofern, als ich gelernt habe, über alles selbst nachzudenken. Offen für alles zu sein. Nicht zu urteilen, weder über Dinge noch über die menschliche Natur. Anderen nicht die eigene Meinung aufzudrängen. Zu wissen, dass Eifersucht und Neid töricht sind. Nicht arrogant zu sein. Zu erkennen, dass man nicht alles, was man im Buddhismus gelernt hat, in die Praxis umsetzen kann. Ich brauchte auch eine Weile, um das alles zu begreifen. Im Alter von 35 Jahren zum Beispiel begann ich, häufig Gräber zu besuchen, um über mein Handeln, meine Vergangenheit und ihre Vergänglichkeit nachzudenken. Als ich 50 war, starb mein Vater, und seitdem ist mein Interesse am Buddhismus noch weiter gewachsen. Ich denke, das liegt daran, dass der Buddhismus eher eine Wissenschaft ist als eine Religion, vielleicht eine Mischung aus beidem. Ich sehe hier jedenfalls eine Parallele zur Quantenphysik. Im Sinne der Quantenmechanik glaube ich, dass das Nirwana ein Zustand ist, in dem unsere Geister zu Quanten werden und schweben. Dafür gibt es natürlich keine wissenschaftlichen Beweise.
Und wie bist du zum Punkrock gekommen?
Das ist schon einige Zeit her. 1981 spielte mir ein Freund einen Song von THE DAMNED vor und ich war sofort wie elektrisiert. Seitdem hat es mich nicht mehr losgelassen.
Was reizt dich an der Kombination von traditioneller Kunst und westlicher Subkultur?
Ich hatte das Gefühl, dass der ganze coole Rock in englischer Sprache bereits in den 1980er Jahren ausgeschöpft war. Und darum finde ich meine Bestimmung darin, eine neue Art von Musik zu machen. Außerdem mag ich asiatische Volksmusik. Also habe ich den westlichen Punk, tuwinischen Kehlgesang, indische Tanpura-Klänge und japanischen Buddhismus gemischt. Allerdings ist es nicht meine primäre Absicht, Punkrock dadurch diverser zu machen. Ich habe keine religiöse Mission oder Ähnliches. Ich meine, jeder sollte frei sein, zu glauben und zu tun, was er will, unabhängig von der Religion. Der Buddhismus ist ein Studium des Denkens. Darin unterscheidet er sich von anderen Religionen. Im Grunde genommen ist er dadurch auch keine Religion im klassischen Sinn.
Ihr tragt auf der Bühne teilweise das traditionelle Gewand der Fuke-shu-Wandermusiker, die einst keinen festen Platz mehr in der sozialen Ordnung des feudalen Japan hatten. als Bettelmönche umherzogen und Musik machten.
Ja, es gibt tatsächlich Gemeinsamkeiten mit Punkbands auf Tour. Japanische Tempel sind auch heute noch Orte, an denen Menschen zusammenkommen, und so gibt es dort auch heute noch viel Musik und Unterhaltung. Die Künstler kommen aus der ganzen Welt. Und sie verbinden sich dort mit den Menschen in den Dörfern. Es ist ein fortwährender Austausch zwischen Reisenden und Einheimischen. Von daher ist das wirklich vergleichbar mit einer Subkultur, die sich aus tourenden Bands und lokalem Publikum zusammensetzt und wo ein Veranstalter sich um die reisenden Künstler kümmert.
Buddhismus scheint für mich im Vergleich zu anderen Religionen die meisten Überschneidungen mit Punkrock zu haben: „Glaube nicht deinen Lehrern, glaube nicht deinen Eltern, glaube nicht mal mir“, sagt Buddha. Think for yourself. Siehst du das auch so?
Es ist schwierig zu sagen, was das Wort Punk bedeutet, weil jeder Mensch ein anderes Verständnis davon hat. In Japan nennen wir das den „rebellischen Geist“. Es ist ein Geist, der an sich selbst glaubt und an sich festhält. Lass dich nicht davon täuschen, was andere Leute sagen. Und Punkrock sollte niemals gewalttätig sein. Ich denke, er sollte auf gegenseitiger Unterstützung beruhen. Das Schreiben, Komponieren und Spielen von Punkrock ist mein Leben. Und ich habe das Gefühl, dass alle Punks auf der ganzen Welt Verbündete im Geiste sind.
Siehst du Gemeinsamkeiten zwischen den Werten des Punkrock und den buddhistischen Lehren in Bezug auf Authentizität und Nonkonformität?
Ich glaube, dass Menschen, die ihre eigenen Prinzipien haben, an denen sie sich orientieren, von anderen oft nicht wirklich verstanden werden, egal, ob man ihnen mit Sympathie oder Ablehnung begegnet. Das gilt auch für den Buddhismus, und mit dem Punk-Spirit verhält es sich ähnlich. Selbst Leute, die nicht auf Punkrock stehen, spüren den Punk in mir und erkennen, dass ich authentisch bin, in dem was ich tue. Ganz unabhängig davon, ob sie es inhaltlich nachvollziehen können oder ob es ihnen stilistisch gefällt.
Glaubst du, dass die DIY-Ethik des Punkrock mit dem buddhistischen Konzept von Eigenverantwortung und Selbstentfaltung harmoniert?
Ja, ich denke schon. Ein konkretes Beispiel dafür ist unser Projekt „Soul Beat Asia“, das wir im Jahr 2023 mitorganisiert haben. Es verfolgt die Idee, traditionelle Elemente wie Schattentheater mit Einflüssen westlicher Musik zu verschmelzen. Und es wurde alles komplett eigenständig auf die Beine gestellt. Diese Initiative soll die Vielfalt der asiatischen Musikszene und neue Künstler fördern. Zwar geht es hauptsächlich um Soul, Funk und Jazz, aber auch extremere Sachen können hier ihre Nische finden.
Punk funktioniert oft mit Hilfe von Netzwerken und Kollektiven, während man sich im Buddhismus eher mit Selbstverbesserung befasst. Schließen sich diese beiden Ansätze gegenseitig aus?
Wenn ich Texte und Songs schreibe, mache ich das immer allein. Der schöpferische Akt ist immer einsam. Künstler und Buddhisten sind immer einsam. Diese kreative Seite des Musikmachens ist oft sehr introvertiert. Andererseits spiele ich meine Lieder zusammen mit einer Band. Und Mönche singen gemeinsam Sutren. Das ist dann wiederum die kollektivierte Seite des Ganzen. Man kann die beiden Ebenen nicht voneinander trennen, die eine bedingt die andere. Die Gemeinsamkeit zwischen der buddhistischen Lehre und dem Geist des Punk besteht meiner Ansicht nach in den unendlichen Möglichkeiten des Selbst. Dem Bewusstsein dafür, dass Menschen ihre eigenen Grenzen selbst bestimmen können. Sie können alles erreichen, wenn sie eigenständig denken und hart arbeiten. Beides hat mit Selbstentfaltung und -befreiung zu tun. Und damit, dass ich immer eine bessere Version meiner Selbst erreichen kann.
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Fuke-shu war eine Schule im japanischen Buddhismus, die das Bambusflöte-Spielen als eine spezielle spirituelle Disziplin pflegte. Sie ist auch unter dem Namen Fuke Zen bekannt und entstand im 13. Jahrhundert. Die besondere Praxis von Fuke-shu bestand darin, dass Bettelmönche, auch Komuso genannt, die traditionelle japanische Shakuhachi-Flöte spielten. „Komuso“ bedeutet wörtlich „Mönche des leeren Nichts“ oder „Mönche der Leere“. Es waren wandernde Mönche, die eine einfache Lebensweise bevorzugten und hauptsächlich von Almosen lebten. Sie waren erkennbar an ihrer auffälligen Kleidung, die Tengai genannt wird. Charakteristisches Merkmal war ein Korbhut, der das Gesicht des Trägers verdeckte und ihn anonym machte. Das half dem Mönch, seine eigene Individualität und sein Ego loszulassen, und sollte die Idee der Leere und Nichtexistenz verkörpern. Wie andere buddhistische Mönche waren die Komuso auf Spenden angewiesen. Das Betteln diente nicht nur der materiellen Versorgung, sondern auch der Demut und der Loslösung von weltlichen Besitztümern. Fuke-shu erlebte ihre Blütezeit im 17. Jahrhundert, wurde jedoch im frühen 19. Jahrhundert von der Regierung abgeschafft, weil die wandernden Bettelmönche mit der Verbreitung politischer Unruhen in Verbindung gebracht wurden.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #174 Juni/Juli 2024 und Daniel Schubert