PUNK-TRADITIONEN TEIL 23

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Ohne Navi aufs Konzert

Nein, wir reden hier nicht von der neuesten Challenge der U30-Generation. Sondern von der Realität bis Mitte der Zweitausender. Wie bloß das Juze in dieser bislang unbekannten Kleinstadt finden, wo laut Flyer ein zwingend besuchenswertes Konzert stattfindet, aber keiner aus deinem Freundeskreis warjemals da?

Die Situation ca. anno 1989: Auf einem Konzert hast du einen Flyer mitgenommen, auf dem ein Konzert mit den, nur als Beispiel, EMILS im JZ Dillingen beworben wird, nächsten Freitag. Dillingen kennst du (denkst du), das Jugendzentrum nicht, aber zum einen hast du einen Autoatlas auf der Hutablage deines Golfs liegen (herausgegeben wahlweise von ADAC, Aral oder Shell), zum anderen musst du ja sowieso am Ortseingang des zu besuchenden Kaffs noch die Tanke ansteuern, weil deine Mitfahrer (Frauen waren auch dabei, aber es wurde nicht gegendert damals) noch Bier kaufen wollen, und du hast zuvor Spritkohle abkassiert und tankst noch für 10 Mark glatt. Bis zur Tanke geht alles gut, doch die Einheimische an der Kasse hat, auf das Juze angesprochen, keine Ahnung. Juze? Hier? Das hat doch abends zu. Der milchbärtige Kleinkraftradfahrer, der gerade fünf Liter Zweitaktgemisch getankt hat, weiß auch von nix, beschreibt aber zumindest ansatzweise, wo das Juze liegt. Alle ins Auto, und eine Viertelstunde – scheiß Einbahnstraßen – und vier unfreundliche Hundegassigeher später, die die rostige Karre mit fünf Punks und lauter Musik misstrauisch beäugten bei der Frage nach dem rechten Weg, steht ihr vor einem Kleinstadt-Juzi. Geschlossen. Keine Punks, keine Plakate, nichts. Die Laune ist am Boden, aber es hilft ja nichts, Rückzug. An der Tanke noch ein paar Bier geholt, eine Stunde später kleinlaut Einlauf in der heimischen Stammkneipe.
Am Tag darauf Ursachenforschung. Fünf Ferngespräche für in Summe 15 DM später ist klar, was war: Ihr wart in Dillingen an der Donau, das Konzert war 500 km weiter nordwestlich in Dillingen im Saarland. Tja, passiert den Besten – zig Bands standen in jenen Tagen der Papierstraßenkarten und ohne Handy seitens der Tourenden und der Veranstaltenden im falschen Neustadt. Gut, wenn wer wen kannte in dem Kaff, aber die Regel war das nicht. Besser wurde das erst mit dem Aufkommen des Internets und der Handys in den Neunzigern, ausgedruckte Onlinekarten und Vorab-Recherche führten zu deutlich weniger Fehlfahrten, aber so richtig luxuriös wurde das Konzertreisen erst ab 2007, als – es kam wirklich erst so spät – das Smartphone mit Karten-App Alltag wurde. Seitdem verfahren sich nur noch Trottel: Etwa jene, die das falsche Dillingen als Ziel eingeben und sich nicht wundern, dass das ja ganz schön weit ist, aber ... wird schon stimmen, was das Navi sagt!