PUNK-TRADITIONEN – Teil 18

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Schwurbeln

Von „Media lies“, „Propaganda“ und „Government lies“ singen Punkbands gefühlt schon immer. Nur hat dieses Klagen über „die Lügen“ von „denen da oben“ sich nie so komisch angefühlt wie heute.

In Punk, Hardcore und (Thrash) Metal hat das Schimpfen über „die da oben“ eine lange Tradition, die Kritik an den Zuständen ist ein „konstitutierendes Element“ jener Subkultur, wie die Soziologie es ausdrückt. Und das ist auch gut so, denn Widerstand gegen unterdrückerische staatliche Maßnahmen ist wichtig. Etwa wenn mühsam eroberte Freiräume wie AZs durch konservative Politik vernichtet werden sollen. Wenn die Polizei bei Demos gegen Rechte nicht die Nazis wegdrückt, sondern die Linken. Wenn die Darstellung solcher Aktionen in – Achtung, Pauschalisierung! – „den Medien“ mal wieder arg nach abgeschriebenem Polizeibericht klingt. Wenn „das große Geld“, „die Banken“ jede Schweinerei finanzieren und dabei auf die Unterstützung der Politik zählen dürfen. Und all das Elend in der Welt, Hunger, Krieg, Waffenexporte – dagegen muss man antexten, wie sollte man Trump, Johnson und Co. das unwidersprochen, ohne wütende textliche Replik durchgehen lassen?
Das Problem: Solange wir Punks das Privileg auf das Schimpfen hatten, auf wütendes Kommentieren, war doch, musste doch jedem und jeder klar sein, wie das alles gemeint ist. Wir sind links, wir sind auf der Seite der Guten! Und natürlich gilt kein Pauschalverdacht, muss man nicht jeden zwanzig, dreißig, vierzig Jahre alten Text auf die Goldwaage legen, in wütend und unbedacht rausgerotzte Worte von Menschen, die einfach nur einen Songtext schreiben wollten und keine journalistische oder wissenschaftliche Abhandlung, nicht unbewiesen eine Haltung hineininterpretieren, die diese weit von sich weisen würden. Aber nach zig Posts, Demo-slogans und ins Pressemikrofon gekotzter Wutbürgerei bleibt einem eben auch immer wieder mal die eigene Empörung im Halse stecken, erkennt man Erzählmuster wieder, die man seit seiner Jugend in zig Liedtexten gelesen hat. Das gezischte „Die da oben!“ vom nasskalten ostdeutschen Marktplatz findet in Songtexten im pauschalen „they“, in „sie“ und „die“ eine Entsprechung. Und ja, Kontext ist alles, aber die Art und Weise, wie etwas gesagt wird, eben auch. Ich kenne mehr als zwei Handvoll punksozialisierte, reflektierte, engagierte Journalist:innen, die für etablierte Sender, Blätter und Portale arbeiten – und die sind eben auch gemeint, wenn es pauschal gegen „the media“ und „die Medien“ geht, wenn von „staatshöriger Propaganda“ schwadroniert wird. Punk muss heute mehr denn je klar Probleme kritisieren, aber auch unbedingt mit unzweideutigen Formulierungen und Worten dafür sorgen, dass das dann nicht wie Querdenker-Geschwurbel klingt.