PUNK-TRADITIONEN TEIL 17

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Drogen

„Macht kaputt, was euch kaputt macht!“, sang einst Rio Reiser bei TON STEINE SCHERBEN. Punks sahen das oft anders: Sie zerstörten sich, nicht die Gesellschaft.

Auch das kann natürlich als eine Form des Protests stilisiert werden (und wurde es auch), aber da ist man dann schnell bei krudem kulturwissenschaftlichem Deutungsgefasel mit religiöser Konnotierung, was dem simplen Slogan „Wenn kaputt wir Spaß“ nicht gerecht wurde und wird. Und auch nicht der Tatsache, dass Punk einst eben nicht nur musikinteressierte Gymnasiast:innen anzog (die Punk freilich bis heute bei meist guter Gesundheit überlebt haben und die Geschichtsschreibung dominieren), sondern auch eine Menge „Problemjugendliche“ mit Affinität zu „Substanzen“.
Heute, da Punk vielfach eher eine Ü30-, Ü40-, ja Ü50-Bewegung geworden ist, ist sowieso vielerorts Vernunft eingekehrt, vom Umgang mit Alkohol mal abgesehen und etwas Kiffen. In den Achtzigern aber war das, was gerne als „harte Drogen“ bezeichnet wurde, enorm weit verbreitet, vor allem Heroin alias „Smack“ oder „Äitsch“. Christiane Fs Drogendrama-Buchbestseller „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ von 1979 (der Film kam 1981) wirkte nur auf brave Kinder abschreckend, eine gute Punk-Freundin aus der schwäbischen Provinz, damals gerade 14, sagte mal zu mir: „Als ich das las und sah, dachte ich nur: Geil, das will ich auch!“ „Äitsch“ passte zur Zeit: Kalter Krieg, Zukunftsangst, Selbstzerstörung.
Die westdeutschen Großstädte hatten alle ihre Drogenszenen, Frankfurt etwa, natürlich aber der Punk-Fluchtpunkt Berlin und das Fixer-Paradies Amsterdam. Überall vermischten sich da prekäre Verhältnisse, soziale und gesellschaftliche Verwahrlosung, „alternative“ Wohnformen wie besetzte Häuser, und so ruinierten sich (nicht nur) da nicht wenige Menschen aus der Punk-Szene, die ja von jeher auch sensible bis verletzliche Menschen angezogen hatte, die ihren Eskapismus, ihre psychischen Problem auf diesem Wege zu lösen versuchten. Wer damals in der Punk-Szene war, kannte immer jemand, der „drauf“ oder sogar daran krepiert war – kein Zufall, dass ein Typ aus dem erweiterten Bekanntenkreis gleich auf den Punk-Namen Smack hörte. Klar, kaputtgesoffen haben sich auch so einige, aber unmittelbar zerstörerischer wirkte Heroin – die „smarte“, neue Hardcore-Szene der Mittachtziger und auch die Straight-Edge-Idee waren eine direkte Reaktion auf die kaputten Punks. Später, in den Neunzigern, kamen dann all die „Techno-Drogen“, Speed, Koks – und bis heute frage ich mich, wieso denkende Menschen es cool und akzeptabel finden, aso-ziales Mafia-Drecksbandenpack mit ihrer Kohle zu unterstützen für ein bisschen weißes Puder in der Nase.