„Ist ja alles so schön bunt hier!“, stellte Nina Hagen einst (in anderem Kontext) fest, und in der Tat, früher war auf Punk-Konzerten mehr „buntes Volk“ anwesend.
Heute ist oft Grau die vorherrschende Haarfarbe, wenn denn der männliche Teil des Publikums überhaupt noch Haare hat. Aber als Führungskraft, Sozialpädagog:in oder Lehrer:in trägt der heutige Punkmensch neben Verantwortung eben auch – wichtig ist im Kopf, nicht auf dem Kopf – eher selten Farbe. Früher war das anders – da war aber auch noch nicht ein größer Teil der „Normalbevölkerung“ eher tätowiert als Corona-geimpft –, und bunte Haare (alarmrot, kotzgrün, alkblau, atomgelb) waren den Iro- oder Spikey-Hair-Tragenden vorbehalten. Was schon an der Verfügbarkeit der Farbe lag: Wo heute „das Internet“ und die Drogeriemärkte sowie die Salons schon ein breites Angebot an Farben vorrätig haben, gab es die Premiummarke Directions nur in London und ausgewählten Szeneshops (gerne als Beigabe zu Doc Martens). Zuerst musste die Kopfhaut mit Blondierung „gebraten“ werden, dann Directions drauf, und fertig war der Aufreger (in der DDR musste mangels Directions teils abenteuerlich improvisiert werden) für Oma Opa, Mama, Papa, Lehrherr (!), Rektor (!), etc. Heute hingegen sind bunte Haare allgegenwärtig, längst kein Insignium einer Szenezugehörigkeit mehr – spätestens die Techno-Szene der Neunziger entriss den Punks dieses Stilmittel, knallrote Haare passten auch zu deren Smiley-Fressen und riesigen PuPillen. Nicht vergessen werden sollte auch die schönste aller Farben: schwarz. Als Wavepunks waren wir Stammkunden bei Drogeriemarkt Müller und auf eine Dauerversorgung mit blauschwarzer Haarfarbe angewiesen. Die enthielt Blondiercreme und hielt mit wunderbarem Blauschimmer durchaus vier Wochen. Aufgeregt hat diese Färberei, obwohl eigentlich unauffällig, meine Oma dennoch.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #158 Oktober/November 2021 und Joachim Hiller