Japan ist für den „normalen“ Musikfan auch 2018 noch Terra Incognita. GISM und THE STAR CLUB fallen mir spontan ein, und schätzungsweise ist man damit so banausenhaft wie der Amerikaner, dem zu Punk aus Deutschland RAMMSTEIN und DIE TOTEN HOSEN einfallen. Dabei existiert in Japan seit Mitte der Siebziger eine vielfältige und stilistisch breit gefächerte Underground-Szene mit unzähligen Releases. Burkhard Järisch, der seit den Neunzigern schon mit seiner Website und seinen in Buchform erschienenen Diskografien (von vor allem US-amerikanischem Hardcore) einer der rührigsten Archivare unserer Szene ist, hat nun mit „Flex! Discography Of Japanese Punk Hardcore Mod No Wave 1975-1986“ ein dickes Taschenbuch vorgelegt, in dem katalogartig die wichtigen japanischen Releases jener Genres und Jahre vorgestellt werden.
Burkhard, warum dieses Buch?
Die Beschäftigung mit japanischem Punk war eigentlich nur als privates Projektchen für zwischendurch gedacht. Ich hatte nach dem letzten, doppelbändigen US-Buch endlich wieder ein bisschen Zeit und wollte neue Musik erschließen. Die japanische Szene hat mich immer gereizt, aber über THE STALIN, GISM und LAUGHIN’ NOSE bin ich nie herausgekommen, auch wenn ich bestimmt schon zwanzigmal in Japan gewesen bin. Die japanische Szene ist von außen betrachtet reichlich undurchsichtig und mysteriös, daher habe ich zuerst mal nach einem Führer durch den Dschungel gesucht. Komischerweise gab es aber noch keine einzige richtige Diskografie auf Englisch, und selbst die wenigen japanischen Publikationen sind sehr unvollständig. Dann habe ich also selbst angefangen, die Sachen systematisch durchzuhören, chronologisch nach Erscheinen. Und siehe da: Da gab es wahnsinnig viel, wahnsinnig spannende Musik! Natürlich auch den wohlbekannten Japcore – schnell, krachig und D-Beat-beeinflusst –, aber eben auch ganz, ganz besondere Musik, die in dieser Form woanders auf der Welt gar nicht denkbar wäre. Irgendwann ist also aus dem Spaßprojekt bitterer Ernst geworden, haha. Denn ab einer gewissen Tauchtiefe wird die Recherche sehr, sehr schwierig – einige Releases sind gar nicht dokumentiert, manche existieren nur in Sammler-Fantasien, manche gelten als Fake, existieren aber doch ... Zum Glück hatte ich kompetente Mitstreiter, die mir viel von ihrem Wissen und ihrer Musik zur Verfügung gestellt haben.
Was fasziniert dich als Musikfan und Sammler an der japanischen Szene?
An der Musik, dass es eben eine ganz besondere, spezifisch japanische Spielart von Punk und Hardcore ist, die ich so noch nicht kannte. Als Sammler: Japanische Platten zu sammeln macht unheimlich viel Spaß, anders kann ich das gar nicht sagen. Das fängt bei den, jedenfalls für uns, merkwürdigen Formaten an: 8“s, Flexis, 8“-Flexis! Dazu kommt, dass japanische Fans und Händler zumeist ungewöhnlich freundlich und verlässlich sind. Auch hier gibt es natürlich Idioten, aber in der Regel sind die Leute super fair und nett, und mit einigen sind richtige Freundschaften entstanden. In Osaka haben ein paar Leute ein komplettes Pre-Release-Event für das neue Buch auf die Beine gestellt, als ich im Sommer da war, inklusive DJs und Live-Band. Total irre. Wo man bei Discogs-Verkäufern aus anderen Ländern beim Grading eher ein bis zwei Rangstufen abziehen sollte, sind die von japanischen Händlern oft schlechter bewertet als die Platte dann wirklich ist. Ein Traum! Japanische Fans gehen offenbar sehr vorsichtig mit ihren Schätzen um, und so bekommt man häufig dreißig, vierzig Jahre alte Scheiben, die aussehen wie frisch aus dem Presswerk. Es gibt so gut wie keine Testpressungen oder Azetate ... Okay, natürlich gibt es sie, aber sie verschwinden für immer in irgendwelchen internen Archiven der Presswerke. Das macht die Recherche fürs Buch ein gutes Stück einfacher und auch als Sammler ist man dann irgendwann auch wirklich „fertig“. Ohnehin ist das Feld deutlich übersichtlicher als beim US-Punk. Drei bis vier Single-Kartons, drei bis vier LP-Kartons, das war’s – da hat man dann so gut wie alle relevanten Teile, die im Buch stehen. Eine billige Leidenschaft ist das leider trotzdem nicht, denn die Preise haben gerade in den letzten beiden Jahren noch mal derbe angezogen. Aber auch hier – verglichen mit den krassen Preisen für manche US-Teile – geht es eigentlich noch. Gerade unbekanntere Sachen konnte man bisher noch recht günstig schießen. Ich hoffe, das Buch ändert das nicht allzu sehr.
Dein Buch grenzt den Zeitraum auf die Jahre 1975 bis 1986 ein. Was charakterisiert diese frühe japanische Underground-Szene, wie eigenständig hat sie sich entwickelt, was übernahm sie aus USA und UK?
Das ist eine spannende Geschichte, denn eigentlich liegen die Wurzeln der japanischen Szene eher im No Wave und Artpunk, auch Progressive Rock spielte eine gewisse Rolle, weil einige der Musiker ursprünglich aus dieser Szene kamen. Einer der Gründerväter der Szene war Yuzuru Agi mit seinem Rock Magazine und dem legendären Vanity-Label, das ging so etwa 1978 los. Schwerpunkt im Rock Magazine war nicht so sehr der konventionelle Punk, dafür war es ja ’78 auch fast schon ein bisschen zu spät, sondern vor allem auch die genannten Musikrichtungen. Außerdem lebten zwei zentrale Musiker der frühen japanischen Szene 1977 in New York City und spielten in No-Wave-Bands der ersten Stunde, TEENAGE JESUS AND THE JERKS und den CONTORTIONS. Diese Musik brachten sie nach Japan zurück und hatten dann mit ihrer Band FRICTION einen großen Einfluss auf die weitere Entwicklung. Nicht ohne Grund war der „No New York“-Sampler in Japan eine Kultplatte! Daneben gab es aber natürlich auch Technopop-Bands wie YMO und experimentellere New-Wave-Sounds, die auf Umwegen auch die kleineren Bands beeinflussten. Allgemein scheint aber die frühe Szene sehr klein gewesen zu sein. Wenn ich das richtig verstanden habe, fehlte auch ein wesentlicher Faktor in anderen Ländern: das Radio! Meines Wissens gab es in Japan keinen John Peel oder Rodney Bingenheimer, die Musik wurde also so gut wie nie im Radio gespielt. Daher spielte sich sicherlich das meiste live ab, was natürlich die Größe der Szene stark begrenzt. Auch Indie-Releases gab es am Anfang nur sehr vereinzelt: Ende 1978 gab es mit Gozira das erste Punk-Indielabel in Tokio – und die Auflagenhöhen der ersten Releases von 300 bis 500 Stück in einer der größten Städte der Welt lassen ahnen, wie klein die Szene war. Und dann eben Vanity in Kansai, aber die meisten Platten sind da eher aus der Avantgarde- und Elektronik-Ecke. So richtig ging das mit den Indielabels eigentlich erst ab 1980 los. Zuvor machten zwei Majorlabels 1979 mit zwei Samplern, „Tokyo Rockers“ und „Tokyo New Wave“, mal einen halbherzigen Vorstoß, zogen sich dann aber für sehr lange Zeit aus der Szene zurück. Selbst bei den frühen Punk-Sachen, also dem Gozira-Label, FRICTION und so weiter, spielen No-Wave- und Post-Punk-Einflüsse eine große Rolle. Interessanterweise kann man diese Sounds bei japanischen Punk- und Hardcore-Bands bis mindestens Mitte der Achtziger-Jahre deutlich erkennen, es gibt da ganz oft so eine sperrige Komponente. Das war wirklich ein wichtiges Fundament für die ganze Entwicklung. „Richtiger“ Punk kam dann interessanterweise eher nicht aus Tokio, sondern vor allem aus Nagoya, wo THE STAR CLUB schon seit 1977 sehr klassischen, garagigen Punkrock spielten. Aber selbst THE STAR CLUB hatten zwischen 1980 und 1982 eine Phase, wo sie viele No-Wave-und Post-Punk-Elemente aufnahmen. Die Geschichte hinter dieser Szene ist aber leider noch kaum dokumentiert, zumindest nicht auf Englisch. Eine mysteriöse Sache ist die Verwicklung der Yakuza, der japanischen Mafia, in die Hardcore-Szene, das fing irgendwann in den Achtziger-Jahren an. Da wurden wohl einige Releases/Labels finanziert, und es gibt es einige sehr finstere Geschichten. Genaueres weiß ich aber nicht, ist auch sehr schwer herauszubekommen, weil Japaner sehr ungern oder gar nicht darüber reden.
Punk aus UK und den USA dominiert den „Markt“, Japan hat bis heute „Exotenstatus“. Deine Erklärung?
Das Zeug war lange Zeit überhaupt nicht verfügbar. Nur ganz besonders enthusiastische Sammler hatten in den Achtzigern und Neunzigern ihre Kanäle nach Japan, „normale“ Sammler hatten da kaum eine Chance. Ich habe so 1983/84 mal einen Anlauf unternommen, dann aber entnervt aufgegeben. Heute sieht das natürlich mit dem Internet, mit Discogs und YouTube ganz anders aus, aber es ist immer noch nicht leicht, die selteneren Platten zu finden. Es ist wohl eine Mischung aus kulturellen und Sprachbarrieren, Verfügbarkeit, vielleicht aber auch Zugänglichkeit der Musik. „Sheena is a punk rocker“ geht eben deutlich leichter runter als die THE STALIN-LP „Trash“ mit ihren sperrigen Melodien und japanischen Texten.
Wie kam und wie kommt man an die ganzen Platten heran? Trotz Internet bleibt die Sprachbarriere, westliche Mailorder führen ja kaum mal „Japan-Ware“.
Ich habe größten Respekt vor den westlichen Sammlern, die das schon in den Achtzigern irgendwie hinbekommen haben. Heute ist es in jedem Fall deutlich einfacher, auch wenn die Preise natürlich nicht vergleichbar sind. Zum Reinhören eignet sich YouTube recht gut, viele rare Platten sind da zu finden, allerdings oft in sehr schlechter Qualität. Aber man bekommt immerhin mal einen Eindruck. Ein paar wenige mp3-Blogs haben sich auf Japan spezialisiert, aber viele sind es nicht. Erstaunlicherweise ist eBay in Sachen Japan-Vinyl eine echte Wüste, da gibt es so gut wie nichts. Bei Discogs findet man aber inzwischen recht viel, weil da auch einige japanische Händler unterwegs sind. Optimal ist natürlich eine Einkaufstour durch die Läden in Japan ... das machen inzwischen erstaunlich viele Sammler. Wenn man das mit einem Urlaub verbindet, kann man vor Ort beim Plattenkauf viel Geld sparen. Die wirklichen Raritäten bekommt man aber in keinem Laden, dazu muss man die richtigen Leute kennen. Also eigentlich so wie überall.
Generell scheint der Austausch zwischen den Szenen dort und hier recht gering – oder täuscht das?
Ich glaube, es gibt in einigen Sub-Szenen schon sehr lange einen sehr regen Austausch, aber sicher nicht so in der Breite wie in den USA oder England. Phew, die Sängerin der Band AUNT SALLY aus Osaka, nahm ja schon 1981 ein Album mit Musikern von CAN aus Deutschland auf. Der internationale Austausch in der Hardcore-Szene ging dann wohl ab Mitte/Ende der Achtziger los, das MCR-Label war da sehr rührig, später auch HG Fact; bei Crustcore und D-Beat gab es in den Neunzigern viele Kontakte. Bei Industrial und Avantgarde sicher auch. Aber auf Tournee kommen bis heute nur die wenigsten japanischen Bands, das stimmt schon. In die andere Richtung gibt es sehr viel mehr Transfer, nicht wenige US-amerikanische und europäische Bands touren in Japan. Die Japaner sind ja popkulturell voll auf der Höhe und wissen viel mehr über den Westen als wir über ihre Szene.
Kannst du die Zahl der Sammler für entsprechende Musik im Westen wie in Japan quantifizieren?
Hmmm, keine Ahnung! Es sind sicher deutlich weniger als für US- und UK-Punk, aber ich bin erstaunt, welche große Resonanz das Japan-Buch ab dem ersten Tag hatte. Offenbar haben doch recht viele Sammler auch ein paar Japan-Scheiben im Schrank, oder zumindest Interesse daran. Reine Japan-Sammler gibt es im Westen zwar nicht so oft, aber die sind dann echte Experten – da staunen selbst die Japaner. Ich kenne mehrere Leute, die wegen der Musik nach Japan gezogen sind. Japanische Sammler hatten lange den Ruf, für die Punkmusik ihres Landes wenig Interesse zu haben. Viele haben sich sicher auf die USA oder UK konzentriert, aber seit einigen Jahren ändert sich das auch massiv. Den Leuten wird eben bewusst, dass es auch bei ihnen eine ganz besondere, einzigartige und sehr, sehr umfangreiche Indie-Geschichte gab. Am Anfang meiner Recherche gab es viel Befremden und Erstaunen bei den Japanern, die sich wunderten, dass sich ein Nicht-Japaner so intensiv mit „ihrer“ Musik auseinandersetzt. Es gab auch Bedenken, ob das ein Gaijin, wie man Ausländer in Japan nennt, auch wirklich hinbekommt, aber die Rückmeldungen nach dem Erscheinen sind bisher extrem positiv, und einige wichtige Sammler haben ihre Kooperation angeboten. Das ist für mich der eigentliche Ritterschlag.
Gerüchteweise sollen japanische Sammler ja noch fanatischer sein als alle anderen.
Es gab sicher schon immer ganz extreme Sammler in Japan, wobei die manchmal sehr zurückgezogen und geheimnisvoll sind. Da gibt man eher nicht mit seiner Sammlung an, wie das westliche Sammler oft tun, sondern versteckt das. Manche Sammler wollen auch nicht, dass man über ihre ganz besonders seltenen Schätze schreibt oder Fotos davon teilt. Daher ist mir das wirkliche Ausmaß der Sammlerszene in Japan eigentlich ziemlich unklar ... Aber in einem Jahr kann ich ja dann mal auf die regionalen Verkaufszahlen des Buches schauen und berichten. Ein Teil der Gerüchte kommt vielleicht noch aus den späten Achtzigern und frühen Neunzigern, als der Yen noch sehr stark war und damit vorteilhaft für japanische Sammler – die haben sich dann natürlich für relativ wenig Geld mit westlichen Raritäten eingedeckt. Aber klar, manchmal staunt man schon, welche Preise in Japan aufgerufen und auch bezahlt werden! Übrigens nicht nur für Vinyl, sondern auch für Tapes, und – vielleicht einzigartig auf der Welt – auch für manche CDs. Ansonsten gelten aber in Japan eher die „Overseas“-Sammler als verrückt, die viel Geld für obskure Japan-Releases lockermachen.
Wo steigt man ohne entsprechende Sprachkenntnisse ein, wenn man sich jetzt für japanischen Punk etc. interessiert?
Die Charts am Anfang des Buches sind schon ein recht guter Einstieg. Ich habe auch eine Facebook-Gruppe gegründet unter fb.com/groups/FlexJapan/ und da werden auch immer mal wieder Klassiker gepostet oder YouTube-Cips. Bei den frühen Sachen finde ich jeweils die ersten Releases von INU, FRICTION, LIZARD und P-MODEL sehr empfehlenswert für den Einstieg. In Sachen Hardcore sollte man zumindest COMES, CONFUSE, GAI, GAUZE, GISM, EXECUTE, KURO, LSD, SYSTEMATIC DEATH und ZOUO gehört haben. Sampler-Klassiker sind „Tokyo Rockers“, „Tokyo New Wave“, „Great Punk Hits“, „Thrash Til Death“ und „A Farewell To Arms“. Die 4CD-Box „Get The Punk“ ist ein kompletter Rundumschlag über die Szene-Aktivitäten der ersten zehn Jahre, allerdings mit nur sehr wenig Hardcore. Damit hat man dann schon ein ganz ordentliches Starterkit beieinander. Dann gibt es natürlich auch Bootleg-Sampler, die dreiteilige „Tunes For Fucker“-Serie gibt einen ganz guten Überblick über seltene Hardcore-EPs, oder auch „Order Of The Kite“, Volume 1 und 2. Und „Nagasaki Nightrider“ ist ein ordentlicher Startpunkt, wenn man noch überhaupt keine Ahnung von japanischem Hardcore hat.
Gibt es in Japan eine ähnliche „popkulturelle Aufarbeitung“ dieser Musikgeschichte wie seit ein paar Jahren in UK, USA oder Deutschland, mit Filmen, Dokus, Büchern, Rereleases?
Das gibt es schon, aber ich habe das Gefühl, dass diese Entwicklung gerade erst losgeht. Insofern kommt das Buch natürlich genau im richtigen Moment. Es gibt Fotobände, „Tokyo Street Rockers“ etwa finde ich toll, und etwas Filmmaterial, den legendären Streifen „Rockers“ gibt es auch auf DVD. Und vor ein paar Wochen wurde ein neuer Film mit Archivmaterial vorgestellt, aber das hat noch lange nicht den gleichen Umfang wie in den USA oder England. Ich fürchte auch, dass in Japan anfangs nicht so vieles und vor allem nicht so professionell dokumentiert wurde wie in den USA – die meisten frühen Live-Aufnahmen sind mono, gute Soundboardaufnahmen sehr selten –, aber vielleicht schlummert da noch manches in Archiven. Vergessen sind die Bands der ersten Stunde aber nicht, gerade die frühen Bands der „Tokyo Rockers-Szene“, also FRICTION, LIZARD, P-MODEL, MIRRORS, werden in Japan schon verehrt, sie gehören ja zu den wichtigsten Wegbereitern der gesamten neuen Rock- und Pop-Szene der Achtziger. Und THE STAR CLUB spielen noch immer live ... Auch wenn nur noch der Sänger von der Originalbesetzung übrig geblieben ist.
Und die allerletzte Frage: Was ist aus deinen ganzen US-Platten geworden, was macht das Flex!-US-Buch?
Auch wenn meine Aufmerksamkeit sich für einige Zeit auf Japan konzentriert hat: Das US-Flex! existiert natürlich weiterhin! Und es wird wohl auch mein Hauptprojekt bleiben, allein schon von Umfang und Aufwand her. Wenn das Japan-Buch einigermaßen durch ist mit Bestellungen und Updates, dann geht es wieder an die Arbeit an der US-Ausgabe. Ich habe seit dem Erscheinen der zweibändigen Ausgabe 2015 viel daran weitergearbeitet, viele hundert Korrekturen und Erweiterungen eingebaut und mehrere hundert neue Reviews geschrieben. Die Baustelle bleibt mir und uns also erhalten. Sammeltechnisch habe ich allerdings tatsächlich die US-Seite weitgehend aufgegeben, aber das ist keine neue Entwicklung. Schon vor mehr als zehn Jahren habe ich einen größeren Schwung verkauft und im Anschluss daran gingen nach und nach auch die meisten anderen Sachen weg. Ich war da in einer Phase, wo ich die ganze Sammelei zunehmend belastend fand, vor allem weil man bei US-Punk niemals Land sieht ... Das Thema ist endlos, und es funktioniert nicht mal dann, wenn man sich auf eine oder wenige Bands konzentriert – MISFITS, DEAD KENNEDYS oder RAMONES sind mit den ganzen Azetaten, Testpressungen und Spezialausgaben ein genauso bodenloses Thema. Es erschien mir auch immer irrsinniger, derartige Werte im Regal stehen zu haben. Also weg mit den Schätzen; damals hatte ich das Gefühl, dass das Geld an anderer Stelle nützlicher investiert ist. Ich habe das auch nie bereut. Wenn man angefangen hat loszulassen, ist es erstaunlich einfach. Beim Thema Japan hat mich der Virus dann doch wieder gepackt, aber ich habe jetzt eine ganz andere Philosophie: Nur im sehr begrenzten Rahmen und nur die Sachen, die ich wirklich liebe. Dann bleibt das alles auch absolut überschaubar, ich habe keine Lust mehr auf Schrankwände voller Platten! So ist jedes Plattenpaket, das ankommt, eine echte Freude!
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #141 Dezember/Januar 2018 und Joachim Hiller