Ein Film über Punk in der DDR
Die Idee zu "too much future", einem Dokumentarfilm über Punk in der DDR, ergab sich zwangsläufig. Zum einen waren wir Teil der DDR-Punk-Szene, zum anderen gab es bis dahin nichts Filmisches, was diese/unsere Geschichte auch nur annähernd authentisch erzählt hätte.
Die eingängigen Werke zum Thema blieben uns nicht verborgen und hinterließen ihre Wirkung. So fanden wir in der Punk-Szene New Yorks ähnliche Verwirrungen und gebrochene Biografien, wie sie auch die subkulturelle Szene Ost-Berlins Ende der siebziger Jahre zu bieten hatte.
Aber in allen Filmen und Büchern zum Thema Punk in Amerika und England, wie auch Westdeutschlands, bleibt die Geschichte von Punk in Ostdeutschland unbeleuchtet und somit Subkultur. Diesen Mangel nahmen wir persönlich. Auf die allgemein deutsche Unwissenheit zum Thema Punk in der DDR wollten wir reagieren. Daraus resultierte nun ein Tatendrang, dessen Ursache einer nicht geringen Verzweiflung über dieses scheinbare Desinteresse entsprang. Neben anderen Veröffentlichungen, gab es 2005 in Berlin eine umfangreiche Ausstellung und nun den Film "too much future/ostPUNK!".
Punk im Osten war so vielfältig wie Punk im Westen. Die Anfänge waren ein Experiment und spannend. Einige Geschichten, die während unserer Recherchen zu Tage traten, waren unfassbar. Sie gaben uns Grund, tiefer nachzuforschen, und dieses unterbelichtete Kapitel ostdeutscher Geschichte ins Licht der Öffentlichkeit zu bringen. Punk im Osten war das Kind einer Mangelgesellschaft und lehnte sich auf gegen eine "Diktatur der Vereinheitlichung". Er war Ausdruck jugendlichen Leicht- und Frohsinns, unterstützt durch den Mut zum Dilettantismus. Es existierte kein kultureller Gegenentwurf, sondern ein lustvolles Dagegensein. Aber der sozialistische Staat kannte keinen Spaß und drangsalierte und verfolgte die Punks, sperrte sie erst aus und dann nicht selten ein.
Die Punk-Geschichte der DDR ist deshalb einmalig, weil der Staat und sein verlängerter Arm, das Ministerium für Staatssicherheit, unverhältnismäßig und massiv gegen diesen Ausbruchsversuch vorgingen. Daraus resultieren die unterschiedlichsten Biografien, sie sind voller dramatischer Wendungen und es gibt in ihnen die unglaublichsten Vorfälle. Auf der Suche nach geeigneten Protagonisten für unseren Film, haben wir im Vorfeld mit vielen Ex- und Noch-Punks gesprochen. Auf einige wenige mussten wir uns schließlich konzentrieren. Maximal vier sollten es werden, und diese sollten exemplarisch für die Szene und dennoch für sich selbst stehen.
Am Ende haben wir zwei Frauen und vier Männer interviewt, weniger an geballter Aussagekraft zu zeigen war uns nicht möglich. Gelebt haben sie in Berlin, Leipzig und Dresden. Sie erzählen die unterschiedlichsten Lebensentwürfe und zeigen Lebensläufe mit Brüchen, aber allen gemeinsam ist der Schnittpunkt Punk. Sie mussten sich mit der Freiheitsberaubung durch den Staat DDR auseinandersetzen. Diese erfuhren einige von ihnen nicht erst im Knast, sondern jeder von ihnen erfuhr sie durch die Mauer. Gemeinsam ist ihnen, dass sie den Mut hatten, ihre Wut öffentlich zu machen. Sie hatten nicht vor, das System schleichend zu unterwandern. Einige drückten sich in der Malerei aus oder gründeten Punkbands, andere wiederum realisierten Super-8-Filme. Nicht weniger interessant, und im Film zu sehen, ist, wo die Protagonisten des Films heute stehen. Mit ihren Lebensentwürfen, Berufen, mit ihren politischen Meinungen und ihrem Punk.
"too much future/ostPUNK!" ist der Versuch, dieses komplexe Thema in 90 Minuten Film zu beleuchten. Dabei geht es uns nicht um Bildung, sondern dem Thema entsprechend um Vitalität und Unterhaltung. Der glückliche Umstand mit Neue Visionen einen engagierten Verleih gefunden zu haben, sorgt dafür, dass der Film im Spätsommer 2007 in den deutschen Kinos startet und endlich diesen Teil deutscher Subkultur erfahrbar macht.
michael "pankow" boehlke & Carsten Fiebeler
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #72 Juni/Juli 2007 und