In dieser Artikelreihe stellen wir Menschen aus der Punk- und Hardcore-Szene vor, die sich im weitesten Sinne grafisch betätigen und Poster, Flyer und Cover gestalten. Diesmal sprechen wir mit Fabi von URGE aus Hannover, der sich schon in der Punk-Szene der frühen Neunziger mit der „Marke“ Artcore einen Namen machte.
Bitte stell dich vor.
Ich bin Fabi; Grafiker, Illustrator und Musiker. Meine Berufsbezeichnung ist die des Kommunikationsdesigners, auch Visuelle Kommunikation genannt. In den Neunzigern habe ich für eine Reihe von Bands, Magazine, Konzertveranstalter und Plattenlabels aus der alternativen Szene gearbeitet. Meine berufliche Tätigkeit als Designer hat sich im Laufe der Zeit stark geändert. Früher habe ich viel für Freunde und andere Bands gemacht, jetzt arbeite ich für „Kunden“. Nach meinem Grafikstudium bin ich nach Hamburg gegangen und habe in Designbüros für die Musikindustrie gearbeitet. Mir ist aber ziemlich schnell klar geworden, dass das nichts mit dem zu tun hat, was ich eigentlich machen wollte, und ich habe mich wieder selbstständig gemacht. Wie andere auch muss ich zum Leben Geld verdienen und das ist in der Musikbranche als Grafiker unglaublich schwierig und wird darüber hinaus sehr schlecht honoriert.
Welche anderen Szeneaktivitäten als Grafik gab/gibt es?
Ich habe parallel zu meinen Arbeiten als Designer immer auch in Bands gespielt. Meine Band URGE gibt es seit Anfang der Neunziger, dann gab es einige Nebenprojekte und jetzt haben wir uns aktuell mit unserem neuen Album „Noiseversity“ zurückgemeldet. In den Neunzigern habe ich mit Freundinnen und Freunden auch Konzerte veranstaltet. Am Anfang ging es in der Korn in Hannover los und später wurde uns die Möglichkeit gegeben, im UJZ Glocksee Räume für kreative Projekte zu schaffen. Wir haben Platz bekommen für Proberäume, Konzerte, Sport und andere kreativen Dinge. In diesem Umfeld von kreativer Freiheit ist auch der Begriff „Hardcorehausen“ entstanden. Zahlreiche Band wie BLUT + EISEN, BOSKOPS, ABSTÜRZENDE BRIEFTAUBEN, MILITANT MOTHERS, SUCKSPEED und URGE hatten hier ihr kreatives Spielfeld.
Seit wann betätigst du dich künstlerisch, wie fing das an, wie ging es weiter?
Bei uns in der Familie ging es schon immer um Kunst. Alle waren irgendwie kreativ, wir waren und sind Künstler, Designer oder Bildhauer und es wurde viel Gitarre gespielt. Meine Mutter war in den Sechzigern Textildesignerin und mein Vater hat mal Produktdesign studiert. Meine Frau ist Kostümbildnerin. Wirklich cool und erstaunlich finde ich, dass mein Onkel in den Sechzigern an dem BEATLES-Animationfilm „Yellow Submarine“ mitgearbeitet hat. Jetzt sind meine beiden Jungs ebenfalls sehr kreativ tätig. Ich bin schon sehr früh in den Kontakt mit Punk und Hardcore gekommen. Bereits mit 14 Jahren war ich regelmäßig auf Konzerten in Hannover und Bielefeld. Damals habe ich bereits die DEAD KENNEDYS gesehen. Wir hatten in Hannover die Möglichkeit, sehr viel selber und für uns zu organisieren und uns alternativ Räume zu schaffen. Durch meine Bands, also ENOLA GAY, MORTAL DESTINY, POWER OF EXPRESSION und jetzt auch wieder URGE, hatte und habe ich weiterhin einen direkten Kontakt zu der Musikszene.
Wie arbeitest du? Klassisch mit Papier und Farbe oder digital am Rechner?
Meine ersten Arbeiten sind noch alle analog entstanden. Alles wurde gezeichnet, über den Kopierer vergrößert oder verkleinert. Dann zusammengeklebt und wieder kopiert, alles sehr viel Handarbeit. Jetzt arbeite ich zu 95% am Rechner und vermisse das Haptische sehr.
Bist du Autodidakt oder kannst du auf eine klassische künstlerische Ausbildung verweisen?
Am Anfang war ich natürlich Autodidakt, also vor meinem Studium zum Kommunikationsdesigner. Ich konnte schon in den Neunzigern ein Großteil meines Studiums durch meine Arbeiten finanzieren. Dann habe ich Visuelle Kommunikation studiert. Wir hatten damals sehr viel Freiraum im Studium. Ich konnte viele Kurse in der freien Kunst belegen. Aktzeichnen, Druckgrafik, Steinbildhauerei und in die Malerei gehen.
Hast du Vorbilder, welche Stile beeinflussen dich?
Bernie Wrightson und Pushead hatten auf mich einen großen Einfluss. Die Illustratoren Moebius und Enki Bilal liebe ich. Aber ich finde zum Beispiel auch die Arbeiten von Winston Smith für DEAD KENNEDYS oder die Sachen von den Menschen, die die CRASS-Covern gestaltet haben, sehr gut. Es gibt aber nicht „den“ Einfluss auf meine Arbeit. Ich liebe Kunst und Design, gehe gerne in Museen und Ausstellungen, um mich immer wieder neu inspirieren zu lassen. Das ist dass Allerwichtigste bei jeglicher Form von Kunst.
Gibt es deine Kunst zu kaufen?
Nein, meine Arbeiten gibt es nicht in der Form von Kunstdrucken zu kaufen. Ich habe früher meine Arbeiten unter dem Namen „Artcore“ veröffentlicht. In der Zeit gab es eine Reihe von T-Shirt-Motiven von mir, die man bei Nastrovje Potsdam kaufen konnte.
Arbeitest du völlig frei oder auch im Auftrag?
Aktuell schaffe ich es nur, für meine eigene Band URGE frei zu arbeiten. Für URGE mache ich natürlich alles. Mit kleinen Ausnahmen, unser aktuelles Albumcover hat ja mein Sohn Lasse illustriert und für unsere Remix-7“ haben wir eine Illustration von meinem Sohn Anton genommen. Ich habe mich aktuell auch autodidaktisch um unsere neuen Videos gekümmert, also um Post-Produktion, Farbe, Effekte und Schnitt der Videos.
Was ist mit Ausstellungen?
Nein, das ist nicht geplant und es gab auch noch keine.
Was gibt dir deine Kunst emotional?
Meine Kunst in der Form der Gestaltung und auch in der Musik ist für mich sehr wichtig, aber eigentlich kann ich das nicht einfach so pauschal definieren. Es ist „die Art/Form“ in der ich mich ausdrücken kann, also meine Eindrücke, meine Umwelt, Erlebtes, Beziehungen, Politik, Ungerechtigkeiten und Emotionen. Ich bin von den unterschiedlichen Formen der Kunst genauso gefangen, wenn ich mir Kopfhörer aufsetze, die Augen schließe und URGE-Songs höre, als ob ich in einer gotischen Kathedrale die Räume auf mich wirken lasse oder mir die Collagen von John Heartfield ansehe. Das ist doch das, was die Kunst ausmacht, und leider ist es den meisten Menschen nicht wirklich bewusst. Kunst wird nach wie vor von den allermeisten nicht wirklich so gewürdigt, wie es sein sollte. Es wird einfach als Nebenprodukt mit konsumiert, es ist einfach da, und es gefällt oder eben nicht.
Deine Website?
Ich habe keine wirklich aktuelle Website. Meine aktuellen Arbeiten sieht man bei meiner Band URGE, also auf den Social-Media Kanälen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #172 Februar/März 2024 und Joachim Hiller