In dieser Artikelreihe stellen wir Menschen aus der Punk- und Hardcore-Szene vor, die sich im weitesten Sinne grafisch betätigen und Poster, Flyer und Cover gestalten. Diesmal sprechen wir mit Jared Gaines.
Bitte stelle dich vor.
Ich bin Jared und lebe und arbeite als Künstler in Richmond, Virginia. Durch einen Freund und meinen älteren Bruder kam ich zu Punk und Hardcore, als wir auf der Highschool waren. Wir begannen, Konzerte in und um Washington, DC zu besuchen. Nachdem wir sehr viel Inspiration bekommen hatten, gründeten wir eigene Bands und machten auch unsere eigene Kunst.
Seit wann betätigst du dich künstlerisch, wie fing das an, wie ging das weiter?
Als jugendlicher Punk bewunderte ich das Artwork auf Alben, Shirts und Flyern und wollte selbst so etwas gestalten. Musikmachen war toll, aber ich war auch von der visuellen Kommunikation der Bands begeistert. Später entdeckte ich Tattoo Flashes, das sind Bögen mit kunstvoll angeordneten Tattoo-Motiven, und fing an, meine eigenen Entwürfe zu machen nach der Logik: Was kann ich beitragen? Was ist möglich? Was wäre, wenn ich es auf andere Art versuchen würde? Du kommst am besten voran, wenn du dir selbst „Was wäre wenn“-Fragen stellst, um herauszufinden, was du tun kannst.
Wie arbeitest du? Klassisch mit Papier und Farbe, oder digital am Computer?
Ich arbeite hauptsächlich mit Tusche und Tinte. Ich schätze die Kunstfertigkeit und den individuellen Stil eines handgefertigten Flashes, die bei digitalen Methoden oft völlig verlorengehen.
Bist du Autodidakt oder kannst du auf eine klassische künstlerische Ausbildung verweisen?
Beides. Ich habe einen Abschluss in Grafikdesign, der mir bei meinen Designentscheidungen und Prinzipien hilft. Ich habe auch Kurse im realistischen Zeichnen belegt, aber Tattoo Flash ist etwas, das du individuell lernen und üben musst, indem du dir das bei anderen abschaust, die das schon gemacht haben.
Hast du Vorbilder, welche Stile beeinflussen dich?
Freunde und Tätowierer haben mir gezeigt, was nicht nur innerhalb des Flash-Stils möglich ist, sondern auch in anderen Medien. Ich habe Respekt vor den Klassikern. Ich bewundere zum Beispiel die Flashes von Zeke Owen, aber ich interessiere mich auch dafür, was heute möglich ist und wer über das Übliche hinausgeht. Ich gebe mich nicht damit zufrieden, die Flashes von vor fünfzig Jahren zu kopieren, ich will es als Grundlage nutzen und herausfinden, wohin ich es bringen kann.
Kann man deine Kunst kaufen?
Meine Punkrock-Flashes sollen für jeden erschwinglich sein, denn es geht mir dabei im Wesentlichen darum, diese Form der Wertschätzung von Musik mit anderen Fans zu teilen. Sie sind alle auf meiner Website erhältlich und ich versende sie gerne überall hin.
Arbeitest du völlig frei oder auch im Auftrag, etwa für Bands oder Konzertveranstalter?
Am Anfang hat niemand nach den Punkrock-Flashes gefragt – ich habe sie aus Spaß gemacht. Seitdem habe ich indirekt Konzertposter für DESCENDENTS, AGAINST ME! und MADBALL gestaltet. Inzwischen habe ich einige Illustrationen im Flash-Stil für BAD RELIGION, SHELTER und weitere unabhängige Bands und Unternehmen gemacht. Das alles wäre nie passiert, wenn ich nicht zuerst die Initiative ergriffen und das geschaffen hätte, was mir selbst gefällt.
Was ist mit Ausstellungen?
Im Sinne des DIY-Gedankens zeige ich meine Arbeiten gern auf Punkrock-Festivals, da sie ja zumeist von Punk beeinflusst sind. Außerdem hängt meine Kunst in verschiedenen Tattoo-Shops auf der ganzen Welt, die selbst so was wie Galerien sind. So wird sie von denjenigen gesehen, die sie am meisten zu schätzen wissen. Dafür bin ich glücklich und dankbar.
Was gibt dir deine Kunst emotional?
Ich freue mich, wenn andere Fans sich damit identifizieren oder sie sich sogar tätowieren lässt. Ich bin glücklich, dass ich die Quelle, aus der alles kommt, mit anderen teilen kann, nämlich die großartige Musik.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #168 Juni/Juli 2023 und Joachim Hiller