Punk Art #18

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Benedikt Demmer (Druckwelle Design)

In dieser Artikelreihe stellen wir Menschen aus der Punk- und Hardcore-Szene vor, die sich im weitesten Sinne grafisch betätigen und Poster, Flyer, Cover gestalten. Diesmal sprechen wir mit Benedikt Demmer von Druckwelle Design.

Bitte stell dich vor.

Ich heiße Benedikt Demmer, bin 34 Jahre alt und arbeite mittlerweile seit über sechs Jahren als selbstständiger Grafiker unter dem Pseudonym Druckwelle Design. Ich bin in der Nähe von Wiesbaden aufgewachsen und bin auch dort das erste Mal mit Hardcore-Punk in Berührung gekommen. Zuerst mit Bands wie SICK OF IT ALL im Schlachthof Wiesbaden, dann über lokale Bands wie FRONT und auf kleineren Konzerten im Kulturpalast in Wiesbaden mit dem eher im DIY beheimateten Teil der Szene. In der Zeit ist auch der Kontakt zur Oetinger Villa in Darmstadt entstanden, mit denen ich immer noch sehr viel zusammenarbeite. Dann bin ich zum Studieren nach Trier gezogen und habe angefangen, Konzerte im Exhaus zu veranstalten, bin das erste Mal mit der Band von Freunden auf Tour gegangen, habe mein erstes Tape rausgebracht und gegen Ende des Studiums hatte ich dann auch meine erste Punkband namens RANT. Nach Abschluss des Studiums bin ich nach Leipzig gezogen, habe auch hier angefangen, Konzerte zu veranstalten, Tapes bei rauszubringen, siehe Interceptor Editions, und in Bands aktiv zu sein, etwa MIAMI DEATH II, VOYTA, H GRAVES.

Seit wann betätigst du dich künstlerisch?
Ich habe in einem Schulpraktikum die Basics von Photoshop gelernt und mir den Rest selbst beigebracht. Dann ging das Ganze bei mir eigentlich recht typisch los. Zuerst habe ich Poster und CD-Cover für die Punkband von meinem kleinen Bruder gestaltet, nach und nach kamen andere lokale Bands dazu, dann Konzertposter für Shows in Wiesbaden und irgendwann stand ich vor der Entscheidung: was kommt nach der Schule? Da mir die ganze Sache Spaß gemacht hat – und auch immer noch macht –, habe ich in Trier ein Studium zum Grafikdesigner angefangen und auch abgeschlossen. Da ich aber immer viel in der Hardcore-Punk-Szene unterwegs war, fing ich währenddessen schon an, Konzertposter und Plattencover zu entwerfen. Letztendlich lebt die Szene ja von Vettern/Basenwirtschaft und das war wirklich hilfreich für mich. Das war auch ein Grund, warum es mich nach dem Studium nach Leipzig gezogen hat. Hier kannte ich schon eine ganze Menge Leute, mit denen ich mich in den letzten Jahren angefreundet hatte und die alle in Konzertgruppen, Bands, Labels und anderen Projekten aktiv waren. Während ich mich in den ersten Jahren noch mit Nebenjobs über Wasser halten musste, lebe ich mittlerweile vom Design und 90% meiner Kunden kommen nach wie vor aus dem Bereich Hardcore, Punk oder auch Metal.

Arbeitest du klassisch mit Papier und Farbe oder digital am Rechner?
Fast ausschließlich nur noch am Rechner. Das geht einfach schneller und man ist flexibler. Aber gerade wenn es um Designs geht, die irgendwie dreckig und punkig aussehen sollen, kommt man um analoges Arbeiten aber oft nicht herum. Außerdem macht es viel mehr Spaß, mal ein paar Stunden nicht auf den Monitor zu schauen, von daher versuche ich, so oft es geht, vom Computer wegzukommen. Bei mir ist das dann aber selten Zeichnen oder Malen, sondern meistens jage ich, was auch immer ich gerade digital gestaltet habe, so lange durch den Kopierer, bis es eine schöne DIY-Ästhetik bekommt. Wenn ich mal etwas zeichne, dann scanne ich das Ganze ein und verfremde es so lange am Computer, bis ich zufrieden bin, und meistens hat das am Ende gar nichts mehr mit dem Original zu tun. Die klassischeren Illustrationen von mir sind entweder collagiert oder digital gezeichnet.

Bist du Autodidakt oder kannst du auf eine klassische künstlerische Ausbildung verweisen?
Beides. Ich habe schon die grundlegenden Sachen beigebracht bekommen und im Studium viel gelernt, aber viele Tools habe ich mir auch selbst beigebracht. Gerade vor dem Studium war ich schon eher auf mich gestellt, und auch heute noch probiere ich nicht stillzustehen, sondern mir von Zeit zu Zeit neue Tricks beizubringen. Oft fand ich es auch spannender, Dinge selbst auszuprobieren anstatt Aufgaben abzugeben, so habe ich zum Beispiel im Studium in einer Garage im Hinterhof mit einem Freund zusammen mit dem Siebdruck angefangen, anstatt mich an der Hochschule mit Profs und Öffnungszeiten herumzuschlagen.

Hast du Vorbilder? Welche Stile beeinflussen dich?
Als ich mit Konzertpostern anfing, war Brian Ewing einer meiner Vorbilder, wahrscheinlich weil er zu dem Zeitpunkt für fast alle meiner damaligen Lieblingsbands Poster gestaltete. Aber auch weil ich das erste Mal merkte, hey, anscheinend kann man davon leben! Als ich mich mehr mit den DIY-Aspekten von Hardcore, Punk und Design beschäftigt habe, war es wahrscheinlich Juan Gabe von COMADRE. Die Arbeiten von Mark McCoy von CHARLES BRONSON und Youth Attack Records begleiten mich immer noch. Es gibt eine ganze Menge Künstler*innen, die aus dem DIY-Hardcore-Punk-Bereich kommen, aber jetzt echt moderne und abgefahrene Arbeiten machen, die ich sehr bewundere, wie zum Beispiel Max Löffler, Damien Tran, Brodie Kaman und Bráulio Amado. Aktuell bin ich großer Fan von Retrofuturismus und Comics, und ziehe sehr viel Inspiration aus minimalistischen, aber illustrativen Gestaltungen. Künstler*innen in meinem direkten Umfeld sind meistens auch eine immense kreative Bereicherung, da wäre zum Beispiel Fabian Bremer, der Designs für PABST und HEADS macht – wenn es um Schrift und Layout geht, schaue ich mir da gern den einen oder anderen Kniff ab – oder aber unzählige Leipziger Illustrator*innen, die die Messlatte gerade echt hochlegen. Über die Jahre habe ich ziemlich unterschiedliche Stile entwickelt, was sehr hilfreich ist, da eine Black-Metal-Band sich natürlich etwas anderes wünscht als zum Beispiel eine Hardcore-Band.

Gibt es deine Kunst zu kaufen?
Ich habe einen kleinen Online Shop – druckwelle.bigcartel.com –, da sind in der Regel aber nicht mehr als fünf verschiedene Drucke verfügbar und fast ausschließlich Art-Prints, also keine Konzertposter. Die gibt es dann auf den Konzerten als limitierte Siebdrucke. Meistens bekomme ich aber auch einen kleine Menge zugeschickt, es lohnt sich also, mich bei Interesse anzuschreiben, denn oft habe ich noch zwei bis drei Poster im Schrank herumliegen. Überhaupt lege ich viel Wert darauf, dass meine Drucke von Hand gedruckt werden. Entweder im Siebdruck- oder im Risografie-Verfahren. Letzteres hat einen ganz spannenden eigenen Stil und ist nicht ganz so aufwendig wie Siebdruck. So sind viele meiner Arbeiten relativ erschwinglich. Zumindest schimpfen alle anderen Illustrator*innen immer mit mir, dass ich zu günstig bin. Wahrscheinlich ist es meine Do-It-Yourself-Sozialisierung, weshalb ich immer noch denke, Menschen sind nicht bereit, mehr als den Betrag X für Platten, Konzerte oder Kunst auszugeben, deswegen versuche ich auch immer günstige Alternativen anzubieten. Die Preisspanne variiert daher von 5 bis 35 Euro würde ich sagen, auch wenn ich wirklich bald den Preis anziehen muss hahaha.

Arbeitest du völlig frei oder auch im Auftrag?
Die meiste Zeit arbeite ich im Auftrag. Ich kann an einer Hand abzählen, wie oft ich im Jahr dazu komme, etwas komplett Freies für mich zu gestalten. Meine Kunden sind fast ausschließlich Bands, Konzertveranstalter, Plattenlabels oder Booking Agenturen. Das Schöne ist aber, das ich doch recht frei arbeiten kann. Gerade bei Gig-Postern kann ich mich oft kreativ austoben. Wenn ich zufrieden bin und es das Design zulässt, drucke ich das Motiv noch mal als Art-Print

Was ist mit Ausstellungen?
Ich versuche, regelmäßig ein bis zwei Mal im Jahr Ausstellungen zu machen. Da ich mich selbst schwertue, das Ganze als Kunst zu bezeichnen und es ja auch oft Auftragsarbeiten sind, stelle ich am liebsten in Cafés, Restaurants, Kneipen oder Läden von Freunden aus. Meine nächste Ausstellung findet bis Ende Juli in Berlin im Plattenladen „Bis aufs Messer“ statt ... vor zig Jahren kennen gelernt, dann das Logo für den Laden gestaltet und jetzt hängen meine Arbeiten da für zwei Monate.

Was gibt dir deine Kunst emotional?
Neben der kreativen Selbstverwirklichung vor allem eine ganze Menge Selbstbewusstsein. Es ist schon mega abgefahren, wenn Leute einem Fotos von gerahmten Bildern schicken, die ganze Stadt mit deinen Plakaten voll ist oder man irgendwo auf der Welt in einem Plattenladen seine Designs sieht. Ich habe immer wieder Aufträge von Bands, die ich selbst richtig geil finde, und fühle mich immer noch fanboy-mäßig, was Musik angeht. Ich habe kürzlich ein Poster für den Schlachthof in Wiesbaden gemacht. Der Ort hat so viel zu meiner Entwicklung beigetragen und es fühlt sich mega gut an, etwas zurückzugeben. Es ist toll, eine Sache zu unterstützen, die nicht nur mir wichtig ist, sondern bei der ich das Gefühl habe, ich unterstütze hier etwas, das einen positiven Impact auf Menschen hat, und ich kann Konzerte und Bands pushen, die im besten Fall eine coole politische Meinung haben oder alternative Wege aufzeigen. Und wenn es nur darum geht, im weitesten Sinne „Kultur“ zu fördern, tausendmal besser als wenn ich für irgendwelche ekligen Konzerne Werbeanzeigen erstellen müsste! Aber ich fühle mich auch ultimativ privilegiert, weil ich einen Job ausübe, der mir jeden Tag Spaß macht und bei dem ich abends nach der Arbeit nicht das Gefühl habe, ich falle gleich tot um.