Das erste Mal traf ich Puck Lensing bei einem Interview mit seiner damaligen Band, den SEWER RATS aus Köln. Das zweite Mal begegnete ich ihm zwecks Befragungen der Berliner Psychobilly-Band FRANTIC FLINTSTONES, als er unplugged im Radiostudio den Bass slappte. Seine erste Band, die grandiosen, leider unterschätzten BOOZEHOUNDS entdeckte ich in diesem Zuge eher beiläufig, doch auch hier erkannte ich einen hohen musikalischen Wiedererkennungswert. Als ich erfuhr, dass er in der italienischen, inzwischen in Berlin gelandeten Oi!-Mod-Ska-Band THE OFFENDERS den E-Bass bedient, wurde es Zeit, ihn zu seinem neuen Szene-Umfeld zu befragen.
Puck, du bist seit geraumer Zeit nicht mehr bei den FRANTIC FLINTSTONES, die du einst als Fan über Jahre angeschrieben hattest, um dann irgendwann tatsächlich in dieser Combo zu spielen. Was überwiegt im Moment, die nachhaltige Freude, Teil dieser tollen Band gewesen zu sein, oder das abrupte, eventuell schmerzhafte Ende dort für dich?
Schmerzhaft war das nicht. Es überwiegt auf jeden Fall die Freude, ich bereue nicht, in der Band gespielt zu haben, es hat mir einfach viele neue Möglichkeiten eröffnet.
Das ging bei FRANTIC FLINTSTONES wohl auch mit terminlichen Problemen einher, als es mit den SEWER RATS so richtig los ging und ihr in den USA und China auf Tour wart.
Das war für mich auch ein Grund für den Ausstieg bei den FRANTIC FLINTSTONES, dass ich mich wieder auf meine eigenen Projekte konzentrieren wollte. FRANTIC FLINTSTONES sind Chuck Harvey, er und die Band. Das war schon immer so und wird auch immer so bleiben. Er hat die Band ja auch gegründet.
Deine Laufbahn als Musiker begann mit der dauerhaften Ausleihung eines Schulbasses, wie du mal verraten hast. Wann und wie bist du dann auf den Psychobilly gestoßen?
1988, da war ich 13 Jahre alt, erhielt ich von einem Bekannten aus der Nachbarschaft, der selbst „Psycho“ war, ein Mixtape mit dieser Musik. Zwar kannte ich schon Deutschpunk, auch aus dem Radio, aber als ich den ersten geslappten Kontrabass hörte, war es um mich geschehen. Ich brauchte fünf Jahre, um mir endlich einen eigenen Kontrabass zu besorgen, damals gab es ja noch kein Internet und ich komme aus Bocholt an der holländischen Grenze, und da war es schwer, an einen zu kommen. Zwischen meinem 13. und 18. Lebensjahr spielte ich Gitarre und sang bei den PUKERS. Aber mit dem Bass ging es dann schnell los, ich habe viele Gigs gespielt, bin zu Jam-Sessions mitgefahren.
Es ist sicher ungewöhnlich, dass jemand vom Psychobilly zum Ska wechselt. Hast du hier auch „alte Helden“, die dich immer schon prägten?
Meine Ska-Helden sind Prince Buster und Laurel Aitken. In den Neunziger Jahren bekam ich vom aktuellen Ska aber nicht so viel mit, weil ich mich einfach nicht so sehr dafür interessierte.
Wie kam es dazu, dass du jetzt Teil der OFFENDERS wurdest?
Ich habe mit einer Gruppe von Italienern Musik unter dem Namen BLACKTALES gemacht, in Richtung Folk und Country, und deren Drummer, der übrigens auch mal bei den SEWER RATS trommelte, hat mich da empfohlen, weil der wusste, dass die einen E-Basser suchen. Die OFFENDERS werden geleitet von Valerio, dem Sänger. Für mich ist das insofern ungewöhnlich, als ich bisher in meinen Bands immer ein Mitspracherecht hatte und mich viel um Organisatorisches gekümmert habe. Jetzt werde ich zur Probe abgeholt, zum Gig abgeholt, stelle mich auf die Bühne – und danach habe ich Feierabend. Ich weiß nie, wann wir wo spielen oder so, das kommt mir aber sehr entgegen für meine anderen Dinge, wie zum Beispiel dem Songschreiben. Wenn du nämlich ansonsten von einer Tour kommst und unzählige Mails beantworten musst, überall anrufen sollst und dir Gedanken um den nächsten Auftritt machst, dann fehlt dir natürlich die Zeit für andere Sachen und die Kreativität bleibt auf der Strecke. Da gehen schon mal drei Monate ins Land und dir fällt auf, dass du ja noch gar keinen neuen Song geschrieben hast.
Das letzte OFFENDERS-Album begann mit dem Song „Berlin will resist (Riot 87 in SO36)“ über die ersten Maikrawalle 1987. Wie fühlt sich das für dich an: Italiener singen über Randale in Berlin zu einer Zeit, als du vermutlich noch in Bocholt zur Schule gingst?
Die OFFENDERS wohnen seit sechs Jahren in Berlin und fühlen sich hier zu Hause und ich finde es gut, wenn Leute darüber schreiben, was in der Nachbarschaft passiert. Auch bei meinen früheren Bands ging es immer um authentische Sachen, bei den SEWER RATS etwa um Freundschaften, Emotionales, Sachen, die wir on the road erlebt haben, und es sind eben keine fiktiven Texte.
Wie sind die OFFENDERS-Jungs generell so drauf?
Für mich ist das Beste daran, mit Italienern in einer Band zu spielen, dass das Essen sehr wichtig für sie ist. Wir waren jetzt zehn Tage in Göttingen im Studio und sie haben dort jeden Abend gekocht. Da stellt sich einfach einer in die Küche und da hast du dann kurz darauf deinen vollen Teller vor dir stehen.
Wo der Psychobilly als geradezu verheerend „unpolitisch“ gilt, gar sehr oft einen rechten Anstrich hat, stehen die OFFENDERS für etwas völlig anderes. Auch du machst ja in sozialen Netzwerken schon immer gegen inhumanes Gedankengut mobil. Fühlst du dich nun doch wohler, in einer relevanten Band endlich mal Position gegen rechts beziehen zu dürfen?
Viele Sachen sind für mich selbstverständlich. Wenn man sich in der Rock’n’Roll-Szene bewegt, ist es selbstverständlich, kein Fascho oder Rassist zu sein. Wenn man über einen gesunden Menschenverstand verfügt, dann weiß man, dass sich dies ja völlig widerspricht.
Multikulturelles Miteinander in einer Rock’n’Roll-Band fördert das vielleicht auch.
Ja, und gerade die Psychobilly-Szene ist sehr international geprägt. Ich bin nach Berlin-Kreuzberg gezogen, weil ich das internationale Flair, den Austausch, die unterschiedlichen Kulturen, verschiedenes Essen mag. Ich fühle mich als weltoffener Mensch und ich checke es einfach nicht, wie jemand das nicht gut finden kann. Politische Diskussionen sind jedoch ganz schwierig, weil ich ja auch keine Lösung für alle Probleme habe. Ein persönlicher Ansatz von mir ist, den Leuten vorzuleben, dass es sich so besser leben lässt und es einfach mehr Spaß macht, offen zu sein und verschiedene Einflüsse zu genießen.
Bald soll das sechste OFFENDERS-Album erscheinen. Stellst du dafür dein Berliner Boneshaker Studio zur Verfügung?
Die Platte wurde im Mai aufgenommen, im Göttinger Out of Space Studio. Ich musste diesmal nicht selbst mischen, aufnehmen und produzieren, sondern „nur“ Bass spielen, da fiel eine Menge Zusatzarbeit für mich weg. Im Oktober kommt sie dann raus. Mein Boneshaker Studio wird umgebaut und ist dann ab Winter wieder einsatzbereit.
Kann Musik, wenn man seinen Lebensunterhalt damit bestreitet, jemals ein Job wie jeder andere werden?
Ich sehe es nicht als Job, Musikmachen ist einfach ein Bestandteil meines Lebens, ich habe keinen Nine-to-five-Job und muss daher eben verschiedene Tätigkeiten im Musikbereich verbinden. Deswegen mache ich auch Bühnenbau und arbeite als Roadie damit ich genau die Musik machen kann, die ich will, und nicht jene, die ich machen müsste, um meinen Lebensunterhalt damit zu verdienen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #121 August/September 2015 und Markus Franz