Das Pentagon zum Schweben bringen? Eine wirre Hippie-Idee, welche die britische Gothrock-Band PUBLICIST UK in einem Song aufgriff. Sänger Zachary Lipez erklärt uns, was es damit auf sich hat.
„Levitate the Pentagon“ entstand, wie die meisten meiner Texte, erst mal aus der Idee heraus, dass die Formulierung irgendwie „cool“ klang, nicht aufgrund irgendwelcher höheren Ideale. Ich glaube einerseits fest an den Einfluss der Geschichte und andererseits an das „A-wop-bop-a-loo-bop-a-lop-bam-boom“ des Rock’n’Roll und versuche immer beides auszubalancieren – mit wechselndem Erfolg. Der Versuch der Yippies 1967, das Pentagon mit Hilfe von Beschwörungsformeln schweben zu lassen, auch um so den Vietnamkrieg zu beenden, hat mich aufgrund seiner verzweifelten Blödheit immer fasziniert. Heidnische Magie im Angesicht des unbezwingbaren Horrors. Aber der Song thematisiert nicht nur den Versuch an sich. Es ging mir eher darum, meine eigenen Gefühle zu verarbeiten, in Bezug auf das unausweichliche Eingehen von Kompromissen und wie wir uns zu einem Schatten unseres früheren Ichs entwickeln.
Dabei dienten mir die Lebensläufe der desillusionierten Sechziger-Jahre-Revoluzzer als Projektionsfläche. Es gibt eine Ausgabe der „Swamp Thing“-Comics (aus der Alan Moore-Ära, glaube ich), in der ein ehemaliger Hippie zu einem zynischen Regierungsvertreter wird und dem Comichelden Chester Williams – dem ewigen Hippie – erklärt, wie er in den Siebzigern aus dem Traum aufgewacht sei, mit Filzläusen und ohne Hoffnung. Diese Figur beschäftigt mich sehr. Ich kann zwar nicht verstehen, wie man die Interessen des Staates vertreten kann, aber bin selbst erschreckend viele Kompromisse eingegangen, in meinen Handeln und in meiner Seele. Beschissene Sache, ganz klar, aber so ist es nun einmal.
Das Musikerkollektiv TALIBAM! hat erst letztens versucht, ein Bürogebäude des Vice Magazins (für das ich freiberuflich tätig bin) durch Telekinese zum Schweben zu bringen. Es hat nicht geklappt, obwohl das vermutlich mehr mit der Flutsituation des East River zusammenhing als mit dem Versagen ihrer Chaos-Magie. Aber es gibt noch eine Sache: In dem Song „Levitate the Pentagon“ und gewissermaßen auch in „Never gone to school“ thematisiere ich die große Versuchung, auf die gegnerische Seite, die Seite der Herrschenden und der Korruption zu wechseln, wenn man von lauter progressiven Vollidioten umgeben ist. Das ist natürlich keine echte Option, solange man daran interessiert ist, moralisch zu handeln. Aber derartige Situationen stellen einen dann doch immer wieder auf eine harte Probe. Der Song beinhaltet noch mehr, da ich mich nicht lange genug konzentrieren kann, um ein einziges Thema vier Minuten lang zu behandeln, aber das ist das Wesentliche. Ich würde sagen, der Song besteht zu einer Hälfte aus Theorie und zur anderen Hälfte klingt er einfach verdammt cool.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #123 Dezember 2015/Januar 2016 und Zachary Lipez, PUBLICIST UK
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #121 August/September 2015 und Joachim Hiller