PSYCHOBILLY ONLINE

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Wie das Internet eine Subkultur rettete

Eine Szene kurz vor dem endgültigen Ende wird per Internet gerettet. Genauer gesagt wäre Psychobilly heute nicht so lebendig, wenn es nicht das Forum Psychobilly Online geben würde. Seit nun über zehn Jahren ist die Plattform zentraler Netz-Treffpunkt der Szene. Nicht als erste Homepage zu Psychobilly, aber als erste mit einem Forum zum aktiven Austausch über alles, was die Mitglieder der Szene bewegt. Besonders schön: Das Who-is-Who der Bands ist fast vollständig aktiv vertreten, der Rest, so munkelt man, schaut zumindest zu. Von MAD SIN, FRANTIC FLINTSTONES, DEMENTED ARE GO bis zu den NEKROMANTIX sind Musiker aktiv. Die Dynamik und die einfache Möglichkeit, in dieser kleinen Szene Kontakt zu halten, hat einiges bewirkt. Dazu mehr direkt vom Macher.

Wer steckt hinter Psychobilly Online?

Die Vorstellungsrunde wird kurz: Die einzige Person hinter Psychobilly Online bin ich. Man nennt mich Madman, ich bin 33 Jahre alt und arbeite als Programmierer für einen großen Internet-Fahrzeugmarkt.

Wie ist damals die Idee zur Internetseite und dem Forum entstanden?

1996 hatte ich während meines nach kurzer Zeit abgebrochenen Medientechnikstudiums im Rahmen eines Informatikseminars die Aufgabe, eine Homepage zu erstellen. Zu dieser Zeit gab es nicht einmal eine Handvoll Websites mit Psychobilly-Bezug – es gab den Wrecking Pit, die West-Coast-Psychobilly-Homepage und ein paar kleinere Seiten. Da es keine thematischen Vorgaben gab, habe ich beschlossen, eine Seite zu bauen, auf der ich Psychobilly-Konzertfotos zeigen kann, und mit der Zeit kamen weitere Bereiche wie Reviews, Interviews, Konzerttermine und Bandvorstellungen dazu. Weil die Seite aber immer mehr mit Werbung zugekleistert wurde und ich bald mehr Erfahrung in der Web-Programmierung gesammelt hatte, wollte ich die ganze Sache professioneller aufziehen und startete 1999 mit Psychobilly Online. Ich wollte von Anfang an mehr Interaktivität mit den Besuchern herstellen, weshalb die Idee mit dem Forum entstand – etwas später folgten ein Chatroom, User-Homepages – vor MySpace und Co! –, und weitere Bereiche, in denen die Nutzer direkt mitwirken konnten. Diese Interaktivität war bei Wrecking Pit zu diesem Zeitpunkt noch nicht gegeben – es gab da zwar ab 1999 ebenfalls ein Forensystem, das aber weit weniger ausgereift war und auch weniger genutzt wurde.

Bist du immer noch enthusiastisch wie zu Beginn oder ist es das Interesse abgeflacht und das Forum läuft quasi von alleine?

Schon durch meinen Beruf bleibt nicht mehr viel Zeit für die Pflege und Weiterentwicklung von Psychobilly Online übrig und ich selber bin auf dem Forum auch nicht mehr so aktiv, wie ich es früher war. Man kann aber sagen, dass das Forum mittlerweile von alleine läuft und ich nicht viel eingreifen muss, was auch an besserer Hardware und besserer Programmierung liegt. Der Enthusiasmus ist aber noch da, und ich hoffe, in naher Zukunft wieder mehr Zeit für Psychobilly Online zu haben.

Gib mal ein paar Statistiken zu den Usern?

Insgesamt circa 9.000 User aus über dreißig Ländern, mehr zählt die Statistik leider nicht auf, davon 25 Prozent regelmäßig aktiv. Die Top-5-Länder sind die USA, Niederlande, Deutschland, Finnland und England. Im Januar 2009 gab durchschnittlich 240.000 Hits am Tag, bei momentan circa 1,3 Millionen Beiträgen.

Welche Highlights sind durch das Forum entstanden?

Dazu habe ich die User befragt, und hier sind einige der Antworten: Ein echtes Highlight ist, dass die Mitglieder von Psychobilly Online das komplette Spektrum dieser Subkultur repräsentieren – von Fans über Bandmitglieder bis hin zu Promotern und Merchandisern. Außerdem: PORK-Fest 1 bis 3, organisiert von wechselnden Foren-Usern. Der BATMOBILE-Entschluss, wieder live zu spielen. Das MAD DOG COLE-Comeback, das im Wesentlichen durch das Forum initiiert wurde. Sowie diverse Hochzeiten zwischen Usern, und mehrere Geburten.

Wie siehst du die Psychobilly-Szene heute allgemein und die Bedeutung eines Forums wie Psychobilly Online im Speziellen? Ist das Internet wirklich wichtig oder sind es doch nur wenige, die diese Art des Kontaktes und den Austausch suchen?

Ende der Neunziger war Psychobilly ziemlich tot, es gab immer weniger Konzerte, und die meisten Fanzines, die bis dahin den Informationsaustausch forciert haben, existierten nicht mehr. Durch Seiten wie Psychobilly Online, Wrecking Pit oder auch Rockin’ Wildcat hat die internationale Szene um 2000 einen starken Auftrieb erhalten – alte Bands und Fans wurden wieder mobilisiert, und viele neue Leute kamen in die Szene, da es plötzlich sehr viel einfacher war, Informationen über Bands und Konzerte zu bekommen. Ich glaube, ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich sage, dass ohne das Internet und ohne Seiten wie Psychobilly Online die Szene inzwischen sehr viel kleiner wäre. Die wichtige Rolle des Internets bedeutet aber nicht, dass die Szene zu einem Haufen von Stubenhockern und Nerds geworden ist – ganz im Gegenteil. Aus den virtuellen Kontakten sind echte Kontakte geworden.

Was plant ihr zum Jubiläum?

Eine riesengroße Party! Vom 18. bis 19. September findet das PORK-Fest in Berlin statt: Los geht es am 18. mit einer Pre-Party im Wild at Heart, bei der unter anderem OUT OF LUCK und PEACOCKS spielen werden. Am 19. geht es in Huxleys Neuer Welt weiter. Headliner sind SPACE CADETS und BATMOBILE. An beiden Tagen ist DJ Spy für den Record Hop zuständig, und das Wochenende wird mit einer Aftershowparty mit Ski-King im Wild at Heart beendet. Weil wir es aber gar nicht abwarten können, haben wir zusätzlich die „Party to PORK Fest“-Konzertreihe mit verschiedenen Bands ins Leben gerufen. Im August wird es dann ein besonderes Überraschungskonzert geben.

Wie ist der Name PORK entstanden?

Der Name war eine Idee unter den Usern der ersten Stunde und ist eine Abkürzung für „Psychobilly Online Retard Krew“. Eigentlich ist PORK eine geheime Untergrundsekte, über die ich nicht sprechen darf, aber mit der Zeit wurde der Begriff zum Synonym für das Forum beziehungsweise die Website.

Wie soll/wird es weitergehen?

Es gibt viele Pläne und jede Menge Ideen, und ich hoffe, dass die Umsetzung nicht mehr allzu lange auf sich warten lässt. Unter anderem ist ein City-Guide geplant, in dem wichtige Anlaufstellen für Städte auf der ganzen Welt zu finden sein werden, es soll wieder eine Club-Datenbank geben, und ich will auch wieder Konzertberichte, Plattenkritiken und Fotogalerien einführen. Alleine ist das natürlich nicht zu schaffen, weshalb ich hoffe, Leute zu finden, die mir redaktionell dabei helfen! Natürlich bin ich auch gerne bereit, leichtbekleidete Praktikantinnen zu beschäftigen – Bewerbungsfotos bitte an meine E-Mail-Adresse! Ich möchte mich abschließend bei allen bedanken, die mich im Laufe der Zeit unterstützt haben – egal, ob finanziell, mit Bier oder mit Worten. Ein besonderer Dank geht natürlich an die Moderatoren, auch wenn sie mittlerweile nicht mehr viel zu tun haben. Und denkt dran: Geht auf Konzerte, kauft Platten und vermehret euch! Wir sehen uns hoffentlich im September beim PORK-Fest in Berlin.