PROUDPILOT

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Am Bosporus existieren Monster

Wie viele Platten von türkischen Bands hast du im Regal stehen? Ich habe genau eine: „Monsters Exist“, das Debütalbum der Istanbuler Band PROUDPILOT. Die Schwestern Ekin (Gesang, Keyboard) und Pinar Üzeltüzenci (Bass) sowie Drummer Kaan Akay haben einen abgedrehten, progressiven Post-Hardcore-Sound zusammengebastelt, den man so vom Bosporus wohl nicht erwarten würde. Die Musik des Trios aus der Millionenmetropole klingt manisch, hypnotisierend. Sie ist tanzbar und offenbart bei gewissen Parallelen zu Bands wie MILEMARKER oder OVO eine Qualität und Unverkrampftheit, die so manch einer selbsternannten Experimental-Kombo gut zu Gesicht stehen würde. Pinar nahm sich die Zeit, mir einige Fragen zu beantworten.

Eure aktuelle Platte heißt „Monsters Exist“. Worauf bezieht sich dieser Titel?

Es ist der Name eines älteren Songs von uns. Als wir an der Platte arbeiteten und nach einem Namen dafür suchten, erschienen uns von allen Ideen, die uns in den Sinn kamen, diese am besten. Es klingt irgendwie rauh, instinktiv und ehrlich.

Die Scheibe ist eure erste, obwohl es die Band seit etwa neun Jahren gibt. Warum hat das so lange gedauert?

Wir haben uns 2001 zusammengetan, waren damals noch sehr jung und nicht wirklich am Schreiben von Songs interessiert. Wir haben uns lieber im Studio eingeschlossen und mit den Sounds experimentiert. Dann haben wir uns für etwa drei Jahre getrennt. Als wir uns dann wieder zusammenrauften, merkten wir, dass das mit wirklichen Songs etwas werden könnte. Also entschieden wir uns, diese Platte zu machen.

Die Musik, die ihr macht klingt düster, kühl und verlassen, irgendwie post-apokalyptisch. Ist das Ausdruck eures Seelenlebens?

Unsere Musik ist nicht durchdacht, nicht bewusst inszeniert. Es ist das, was aus uns rauskommt, wenn wir zusammen spielen. Wir spielen einfach drauflos, und wenn dabei irgendetwas herauskommt, was wir alle mögen, dann arbeiten wir daran. Ich würde also sagen, dass unsere Musik in der Hinsicht unverfälscht ist, als dass sie unsere Gedanken, Inspirationen und Interaktionen in dem Moment, in dem wir miteinander spielen, zusammenbringt. Wenn das post-apokalyptisch klingt, dann muss es wohl irgendwas mit den Sachen zu tun haben, die wir im Leben erleben.

Wie groß ist der Einfluss, den Bands wie MILEMARKER oder OVO beziehungsweise nordamerikanische und europäische Post-Punk/Hardcore/Noise-Bands generell auf eure Musik haben?

Ich selbst habe die genannten Bands nie gehört. Aber wir interessieren uns für eine Menge verschiedener Musik! Als wir uns das erste Mal trafen, da waren UNWOUND, TRANS AM, STEREOLAB und COCTEAU TWINS unsere Konsensbands. Zur Zeit höre ich am ehesten Dub und Ambient, etwa GROUPER oder Julianna Barwick.

Gibt es so etwas wie eine Independent- oder D.I.Y.-Musikszene in Istanbul oder generell in der Türkei?

Ich würde sagen, dass sich in dieser Hinsicht hier derzeit ziemlich viel bewegt. Aber erst mal abwarten und sehen, wie weit das geht. D.I.Y. ist ja ziemlich trendy im Moment und das gilt ja wohl nicht nur für die Türkei.

Wo, denkst du, gibt es die größten Unterschiede zwischen Amerika/Europa und der Türkei, hinsichtlich der Art von Musik, wie ihr sie spielt?

Es gibt hier einfach nicht viele Bands und das Publikum ist kleiner. Außerdem ist es schwer für uns, Platten ins Ausland zu verkaufen. Nur wenige Leute interessieren sich für unsere Szene. Ein großes Problem ist auch, dass wir Visa brauchen, um im Ausland zu spielen. Wenn du nicht auftrittst, lernt dich niemand kennen. Ich denke, besonders bei der Musik, die wir machen, ist es extrem wichtig, das Publikum live zu erreichen. Durch das Internet kommen wir allerdings kleine Schritte voran.

Auch in Deutschland haben viele Menschen Vorurteile, dass es sich bei Musik aus der Türkei überwiegend um traditionelle Musik und Volksmusik handelt. Ist eine Band wie PROUDPILOT denn tatsächlich eine Ausnahme in der türkischen Musiklandschaft oder haben wir diesbezüglich unsere Ansichten zu korrigieren?

Natürlich gibt es enorm viel traditionelle Musik in der Türkei, aber wir haben damit nicht viel zu tun. PROUDPILOT ist eine Band aus Istanbul. Wir haben unser ganzes Leben in dieser chaotischen Stadt verbracht. Die Stadt hinterlässt ihre Spuren. Unsere Verbindung zur traditionellen Türkei ist daher nicht sehr ausgeprägt. Das ist alles tief in uns verschüttet und ich glaube, man hört es unsere Musik auch an.

Immer wieder ist von der unterdrückten Position von Frauen in der türkischen Gesellschaft die Rede. Mit einem Zweidrittel-Anteil von Frauen in der Band scheint PROUDPILOT die perfekte Antithese dazu zu sein. Würdest du das als Normalität oder Ausnahme bezeichnen?

Hier in Istanbul ist es normal, landesweit allerdings überhaupt nicht. Istanbul ist anders als der Rest des Landes und selbst hier ist es nicht richtig toll für Frauen. Es hängt sehr stark davon ab, in welchem Teil der Stadt man lebt und natürlich von deinem ökonomisch-sozialem Background. Wir leben in einer kleinen sicheren Gegend; es gibt nicht viele Leute, alle kennen sich und eine Menge Mädels machen wunderschöne Musik.