PROTEST THE HERO

Foto

Keine Rockstars

Die Kanadier sind die wohl sympathischste Band, die der Metal momentan zu bieten hat. Zutiefst bescheiden, mit schrägem Humor ausgestattet und immer freundlich und herzlich. Keine Spur von Rockstar-Gehabe. Das kürzlich erschienene Album „Palimpset“ ist das erste nach sieben langen Jahren. Ein hervorragender Grund, um sich mit Sänger Rody Walker zusammenzusetzen und über seine überwundenen Stimmprobleme, das neue Album und über Gott und die Welt zu reden.

Mit „Palimpset“ ist gerade euer neues Album erschienen. Ihr habt uns sieben lange Jahre warten lassen. Wieso?

Der Weg zur Fertigstellung von „Palimpset“ war nicht wirklich einfach. Für mich war es bisher auch die schwierigste Platte. Es gab viele Hürden, die wir nehmen mussten. Ich bin zum Beispiel Vater geworden und habe mir deswegen ein Studio in meinem Haus eingerichtet. Es war nie eine Option für mich, meine Frau mit unserem Neugeborenen zu Hause alleine zu lassen. Wir sind sehr glücklich mit „Palimpset“ und finden, dass sich das Warten definitiv gelohnt hat.

Um direkt den Elefanten im Raum anzusprechen. Du hattest in der Vergangenheit große Probleme mit deiner Stimme. Was war passiert und war dies auch ein Grund, wieso die Arbeiten am neuen Album so lange gedauert haben?
Während unserer letzten Tour, kurz bevor die Aufnahmen zu „Palimpset“ starten sollten, habe ich meine Stimme verloren. So etwas passiert manchmal und normalerweise schont man sich dann etwas und die Stimme kommt wieder zurück. Dies war bei mir diesmal leider nicht der Fall. Ich musste sehr lange Zeit kämpfen, um wieder singen zu können. Regelmäßiges Vocalcoaching und jede Menge Proben haben das Ganze aber wieder hingebogen. Es war ein verdammt steiniger Weg voller Rückschläge und zum ersten Mal in meinem Leben hat sich Singen wie ein Job angefühlt, anstatt einfach nur Spaß zu machen.

Hat sich deine Stimme dadurch verändert?
Definitiv. Ich glaube, das wird auch jeder bestätigen, der sich „Palimpset“ genauer anhört. Meine Stimme wird für immer eine andere sein. Ich meine, man kann auf jeden Fall den Alterungsprozess der Stimme erkennen. Ich dachte wirklich, ich hätte mir nach zwanzig Jahren des täglichen Singens meine Stimme ruiniert. Aber ich hatte Glück. Im Endeffekt war es nur der natürliche Alterungsprozess in Kombination mit viel zu viel Stress.

Auf „Palimpset“ gibt es wieder diesen Stilmix aus Metal, Prog, Punkrock und Pop. Wie geht man ein neues Album nach sieben Jahren an?
Wir hatten einfach riesigen Spaß dabei, „Palimpset“ zu schreiben. Wie bereits erwähnt, war es ein steiniger und harter Weg, aber hätte es uns keinen Spaß gemacht, hätten wir es wohl auch einfach sein gelassen oder uns eben noch mehr Zeit genommen. Aber nun hat wirklich alles gepasst. Die Songs sind sehr natürlich entstanden und wir haben uns keinen Druck gemacht. Die ersten Stücke für „Palimpset“ sind mittlerweile bereits drei Jahre alt und natürlich wollten wir jetzt auch einfach zeigen, was wir in den letzten Jahren so gemacht haben.

Die ersten beiden Singles, „The Canary“ und „From The Sky“, haben ein gutes Bild eures neuen Albums gezeichnet. Wird es noch weitere Singles geben?
Wir wollten mit den ersten beiden Singles zeigen, dass wir wieder da sind, und gleichzeitig, wo die Reise mit „Palimpset“ hingehen wird. Wir überlegen momentan, ob wir ein kleines Voting ins Leben rufen, in dem die Leute die kommende Single mit aussuchen können. Allgemein versuchen wir, unsere Fans mit einzubinden, wo es geht. Uns ist es als kleine Band wichtig, den Leuten einfach zu zeigen, wie unendlich dankbar wir für ihre Unterstützung sind. Deswegen geht zum Beispiel auch viel Zeit für die Entscheidung drauf, wie physische Releases aussehen sollen. Wir wollen nicht einfach nur eine Platte veröffentlichen, sondern eben immer etwas mehr bieten.

Das Thema COVID-19 ist momentan allgegenwärtig. Wie sehen dein Familien- und dein Bandleben derzeit aus?
Bei uns in Kanada hat es eine ganze Weile gedauert, bis das Virus wirklich auch in den Köpfen der Menschen angekommen ist. Ich glaube, viele Leute haben die ganze Sache viel zu lange nicht ernst genommen. Ich selbst war gerade im Fitnessstudio, als mir bewusst wurde, wie beängstigend das alles ist. Plötzlich war da so etwas wie Panik und erste Abstandsregeln wurden eingeführt. Du fühlst dich plötzlich einfach nicht mehr wohl und überlegst, am nächsten Tag vielleicht einfach zu Hause zu bleiben. Am gleichen Tag wurde meine Frau dann ins Homeoffice geschickt. Das war dann auch gleichzeitig der Tag, an dem in Ontario der Lockdown verkündet wurde. Ich verbringe jetzt sehr viel Zeit mit meiner Frau und meinem Sohn zu Hause. Es ist wundervoll, mein Kind aufwachsen zu sehen und so viel unternehmen zu können, was so nicht möglich wäre, wenn wir auf Tour wären. Was nicht heißen soll, dass mir unsere Live-Auftritte nicht unendlich fehlen. Als Band kommunizieren wir aktuell vor allem über unseren Discord-Channel, hier können wir Ideen austauschen, Dinge besprechen und gemeinsam Entscheidungen treffen. Das ist schon alles für eine gewisse Zeit machbar, auch wenn die persönliche Ebene natürlich fehlt und man nur hoffen kann, dass man sich bald wieder regelmäßig treffen kann.

Bei eurem Stilmix aus Metal, Prog und poppigen Passagen frage ich mich immer wieder, ob es musikalisch einen gemeinsamen Nenner bei euch gibt? Gibt es die eine Band, auf die ihr euch alle einigen könnt?
Natürlich haben wir alle unsere verschiedenen Einflüsse. Michael, unser Drummer, kommt zum Beispiel aus dem Death Metal. Ich klinge wohl manchmal, als wäre ich sehr von Bruce Dickinson von IRON MAIDEN inspiriert, aber obwohl ich Bruce über alle Maßen mag, ist es bei mir doch eher der Punkrock. Wenn wir uns als Band auf einen gemeinsamen Einfluss einigen müssten, wären es PROPAGANDHI. Die Band verkörpert einfach alles, was wir lieben, sei es nun musikalisch, textlich oder auch die Einstellung.