PROSECUTION

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Unfolgsam

THE PROSECUTION haben wie alle Skacore-Bands klein angefangen. Mit einzelnen Support-Shows für größere Bands wie NOFX, AGAINST ME! oder ANTI-FLAG. Vergangenes Jahr begleiteten die acht Bayern die Italiener TALCO auf einer ausverkauften Hallentour und von Ende September bis Mitte Dezember 2017 spielen THE PROSECUTION nun anlässlich des neuen Albums „The Unfollowing“ eine eigene Headliner-Tour mit über 25 Konzerten. Schlagzeuger Lukas „Lookie“ Schätzl und Valentin „Tini“ Damjantschitsch ist die Vorfreude auf die ausgedehnte Gastspielreise deutlich anzumerken.

Ist „The Unfollowing“-Tour der nächste Schritt für euch auf der Karriereleiter?

Lukas: Definitiv! Das ist die erste Tour, bei der wir bei jedem Konzert die Headliner sind. Es ist die erste in dieser Größenordnung. Die Konzerte sind immer nur am Wochenende und wir freuen uns riesig drauf, haben aber natürlich auch ein bisschen Respekt davor.

Tini: Irgendwie merkt man das gar nicht, weil die Schritte, die man macht, immer ziemlich klein sind. Wenn man aber diese Tour mit den Konzerten von vor zwei Jahren vergleicht, dann ist in dieser Zeit natürlich wahnsinnig viel passiert, und das ist schon ein großer Schritt für uns.

Ist die Band für euch noch Hobby oder längst viel mehr?

Lukas: Ich denke, für alle von uns ist die Band inzwischen der Lebensmittelpunkt. Weil extrem viel Leidenschaft darin steckt und wir das fast alle schon länger als die Hälfte unseres Lebens machen. Beruflich gesehen ist es für die meisten von uns aber noch ein Nebenprojekt, weil wir hauptberuflich noch was anderes machen. Aber ein Teil von uns widmet sich auch Vollzeit der Band.

Wie schwer ist es, die Interessen und Bedürfnisse von acht Bandmitgliedern unter einen Hut zu bekommen?

Tini: Vor zwei Wochen sind wir als THE PROSECUTION 15 Jahre alt geworden. Wir haben also angefangen, als wir gerade mal 12 oder 13 waren. Und es war von Anfang an immer klar, dass die Band die erste Geige im Kalender spielt. Deshalb gab es da nie großartige Diskussionen, dass man wegen dem Geburtstag der Schwester einen Auftritt absagen muss oder so. Es war immer klar, dass wir das Konzert spielen, wenn eins reinkommt. Und Familie und Freunde sehen ja auch, dass da eine Menge Arbeit drinsteckt. Gerade bei acht Leuten, wenn sich da ständig jemand wegen einer Goldenen Hochzeit oder eines Geburtstags für ein Wochenende blockiert, dann passiert das schnell ziemlich oft. Deswegen muss man sich da immer disziplinieren.

Und wie organisiert ihr das?

Lukas: Mein Schlagzeugkollege Jo, sein Bruder Tini und ich, wir sind der organisatorische Kern der Band und wir haben inzwischen auch ein Büro in Regensburg, wo wir uns um die Management-Aufgaben kümmern. Da sind wir tatsächlich auch viel mit Zeitkoordinierung beschäftigt. Meistens besprechen wir schon ein Jahr im Voraus, welche Termine anstehen. Wir haben zum Beispiel einstimmig beschlossen, dass wir von September bis Dezember jedes Wochenende Konzerte spielen wollen, das geben wir weiter an die Booking-Agentur und die können dann arbeiten. Trotzdem müssen wir aber immer noch gewisse Dinge beachten: unser Bassist Mario zum Beispiel arbeitet vierzig Stunden die Woche als Mechatroniker, deswegen können wir nicht jeden Freitag schon vormittags losfahren. Solche Einschränkungen gibt es.

Habt ihr auch einen Pool an Ersatzmusikern, wenn einer mal wirklich nicht kann?

Tini: Die gibt es tatsächlich, die brauchen wir aber selten, maximal ein- oder zweimal im Jahr. Weil jeder von uns so viel Bock auf Konzerte hat, dass er keine Lust darauf verspürt, ersetzt zu werden. Und für uns alle ist es natürlich immer am schönsten, in der Originalbesetzung zu spielen.

„The Unfollowing“ lautet der Titel des Albums. Was ist damit gemeint?

Lukas: Eigentlich soll der Begriff frei interpretierbar bleiben. Natürlich hat er eine politische Bedeutung, nämlich dass man nicht einfach blind irgendeiner Ideologie nachlaufen soll, sondern sich mit dem auseinandersetzt, was man unterstützt, und eine fundierte eigene Meinung dazu hat. Dass man eben nicht jedem Trend hinterherläuft, das muss nicht nur politisch sein. Wir müssen ja zum Beispiel auch in unserer eigenen Szene nicht immer alles cool finden, was der Rest cool findet. Den Titel kann man natürlich auch aufs Internet beziehen. Da kommt der Begriff Follower ja auch her.

Ihr habt als Band ja immer eine ganz klare Haltung vertreten und euch zum Beispiel auch für Flüchtlingsinitiativen engagiert. Was habt ihr da schon alles gemacht?

Tini: 2012 haben wir eine Pfandflaschenaktion für Pro Asyl beim Pfingst-Open Air in Straubing gemacht. Da sind durch das Sammeln von Flaschen über 2.000 Euro zusammengekommen. Das war der Beginn der Zusammenarbeit mit Pro Asyl. Damit haben wir uns als Band auch sehr intensiv auseinandergesetzt.

Lukas: Tini und ich haben ein Schulprojekt, bei dem wir mehrmals im Jahr eine Woche Berufsschulklassen besuchen, in denen auch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind. Da geht es hauptsächlich um Sprachvermittlung. Und wir machen das, was wir am besten können: Musik. Da werden Songs geschrieben und wir basteln ein Coverartwork dazu. Und ich möchte keine dieser Wochen missen, weil es eine tolle Erfahrung ist, diese Menschen kennen zu lernen. Unser Schlagzeuger Jo hat außerdem auch 2015 eine Regensburger Aktivistengruppe an eine europäische Außengrenze begleitet, eine Feldküche mit aufgebaut und dafür gesorgt, dass die Leute was zum Futtern bekommen.

Für euer Engagement und eure Einstellung habt ihr aber auch schon mächtig Gegenwind bekommen, oder?

Lukas: Das hat schon ganz früh angefangen, als wir als Band noch gar nicht öffentlich aufgetreten sind. In unserer Heimatstadt Abensberg gab es schon immer rechte Strukturen und die fanden uns natürlich überhaupt nicht cool. Wir konnten auch unser Maul nicht halten, deshalb gab es immer wieder Auseinandersetzungen. Die wussten dann irgendwann, wo wir wohnen, und wir haben uns damals nachts nicht mehr auf die Straße getraut. Mir hat mal ein Auto den Weg abgeschnitten und man hat versucht, mich in den Wagen zu ziehen. 2014 haben wir ins Abensberg direkt nach einem deutschen WM-Spiel auf einem Open Air gespielt und die standen dann alle vor der Bühne. Da wurde es uns schon mulmig.

Tini: Mein Bruder Jo hat mal vor Gericht als Zeuge gegen einen Neonazi ausgesagt und die wollten ihm deshalb Angst machen und haben nachts ein mannshohes brennendes Kreuz im Garten unserer Eltern aufgestellt.

Aber trotz aller Widerstände bemüht ihr euch immer um einen sehr positiven Ausdruck, was natürlich gut zu eurer sonnigen Musik passt. Woher kommt das?

Lukas: Ich finde es total blöd, wenn man etwas kritisiert, aber keinen Lösungsansatz liefern kann. Wenn man sich die ganze Zeit nur über etwas aufregt oder gegen etwas ist, aber keinen eigenen Verbesserungsvorschlag macht. Und nur weil es Meinungsverschiedenheiten und krasse Konflikte gibt, darf man sich nie den Spaß verderben lassen. Es ist uns schon ein großes Anliegen, dass man über alles spricht, was schiefläuft. Und ich finde es auch gut, dass die Punk-Szene so sensibel für politische Themen ist. Aber ich glaube, wir würden die Kraft, an solchen Themen zu arbeiten, verlieren, wenn wir nicht auch ausgelassen feiern könnten. Man muss trotzdem auch Spaß am Leben haben, sonst geht einem die Energie aus, um an den wichtigen Themen zu schrauben.

In Regensburg teilt ihr euch den Proberaum unter anderem mit JOHNNY FIREBIRD. Gab es da schon Beschwerden wegen Lärmbelästigung?

Lukas: Nein. Wir haben bestens gedämmt. Zusammen mit Jürgen von JOHNNY FIREBIRD haben wir so Raum-in-Raum-Konstruktionen eingebaut. Wir sind dadurch leiser als die Lüftung des Gebäudes. Der liegt ja direkt an der Fußgängerzone und wenn du dich vor unseren Proberaum hinstellst, hörst du nichts.

Tini: Unser Vermieter hätte uns auch nicht reingelassen, wenn wir das nicht gemacht hätten. Wir hatten eineinhalb Jahre lang in Regensburg einen Proberaum gesucht und dann haben wir diese Räume gefunden. Wir wussten, die können wir uns alleine auf keinen Fall leisten, also haben wir bei Facebook in eine Regensburger-Gruppe reingeschrieben: Wir haben Proberäume, wer hat Lust einzusteigen? Und nach ein paar Stunden waren wir voll. Und jetzt haben wir einen opulenten Proberaum in bester Lage. Wenn man das als Wohnraum vermieten würde, wäre das richtig teuer.