Seit 2002 aktiv, präsentiert die Skapunk-Band PROSECUTION in diesem Jahr ihr viertes Album „Words With Destiny“. Mittlerweile sind die Niederbayern in die Oberpfälzer Metropole Regensburg umgezogen und haben dort zusammen mit anderen ein kleines Musikzentrum aus dem Boden gestampft. Bereits „At The Edge Of The End“ verhalf der Band 2013 zu einer Vielzahl von Konzerten und Festival-Auftritten. Auch sonst ist der „Achtzylinder“ nicht untätig und ich freue mich, dass es nach DISABILITY und SCRAPY wieder eine ernstzunehmende Band aus Bayern gibt, die im Zeichen des Offbeat unterwegs ist. Wir sprachen mit Sänger und Gitarrist Simon und Schlagzeuger Lukas.
Was hat sich in letzter Zeit bei euch getan?.
Simon: Nachdem „At The Edge Of The End“ draußen war, sind wir fleißig auf Tour gegangen. Darunter waren auch Festivals wie das Open Flair oder das Mighty Sounds. Außerdem gingen mehrere Monate und viel Energie für den Bau und Umzug unseres neuen Proberaums in der Regensburger Fußgängerzone drauf. Und zwischendurch feilten wir noch an den Liedern für das neue Album.
Lukas: Unser neuer Proberaum ist ein richtig gutes „If the kids are united“-Beispiel. Regensburg ist stark von Gentrifizierung betroffen. Hier ist es mittlerweile fast unmöglich, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Nach fast einem Jahr erfolgloser Suche nach einem Proberaum haben wir uns mit den befreundeten Punkbands IRISH HANDCUFFS, THE HOLY KINGS, JOHNNY FIREBIRD, einer Schülerband und zwei Musiklehrern zusammengetan und ein komplettes Erdgeschoss eines Innenstadthauses angemietet, um dort drei Proberäume nebst Studio und Büro reinzuzimmern. Bei uns gehen mittlerweile so viele Musiker ein und aus, dass sogar eine Getränkefirma einen Bierautomaten aufgestellt hat.
Manch einer mag die Metalkante in eurer Musik nicht. Aber meiner Meinung nach solltet ihr das noch etwas ausbauen, um eigenständiger zu werden.
Simon: Wir benötigen keine festere Bindung an ein bestimmtes Musikgenre, um eigenständiger zu werden. Die musikalische Richtung einer Scheibe wird im Vorfeld nicht festgenagelt. Wir machen einfach das, was uns Spaß macht. Vielleicht geht das übernächste Album ja in Richtung Dubstep oder Grindcore ...?
Lukas: Ich für meinen Teil müsste erst mal ein bisschen am Doublebass-Pedal üben, aber wir sind da nicht wirklich berechnend. Es kommt, wie’s kommt.
Die Produktion ist ja wie schon bei eurem zweiten Album recht druckvoll, und einmal mehr habt ihr mit Corni Bartels zusammengearbeitet. Never change a winning team?
Simon: Uns hat der Sound der letzten Platte sehr gut gefallen, so dass wir wieder in die Weltraumstudios nach München gegangen sind. Unser Posaunist Tini hat mittlerweile selbst ein Tonstudio in Regensburg, in dem wir das Album vorproduziert haben. Er hat auch zu einem großen Teil die Produktion in München übernommen. Corni agierte bei „Words With Destiny“ eher als Fachmann und Berater, da wir seine neutrale Meinung extrem wichtig fanden. Trotzdem war es eine andere Aufnahmesituation als beim letzten Album. Dieses Mal hatten wir viel mehr Zeit, an den Songs rumzuschrauben. Wir mussten nicht ständig auf die Uhr schauen und standen weniger unter Druck. Das hat uns sehr dabei geholfen, der Kreativität freien Lauf zu lassen.
Dicky Barrett von den MIGHTY MIGHTY BOSSTONES hat beim letzten Mal etwas zugesteuert, nun könnt ihr Chris #2 von ANTI-FLAG mit auf die Referenzliste setzen.
Lukas: Ich habe vor zwei Jahren bei Uncle M in Münster ein Praktikum absolviert. Zu der Zeit wurde dort der Benefiz-Song „Toast to freedom“ von ANTI-FLAG veröffentlicht. So habe ich die Band flüchtig kennen gelernt. Letztes Jahr haben ANTI-FLAG und wir auf dem Open Flair Festival gespielt. Dort habe ich Chris ganz frech gefragt, ob er Bock hat. Also Mailadressen ausgetauscht, und ein paar Wochen später sind die Gesangspuren eingetrudelt.
Und wer ist Pia Zeitzler?
Simon: Pia ist eine geschätzte Sängerin aus unserem Musikerumfeld. Tini kennt sie schon länger vom Music College, einer Berufsfachschule in Regensburg. Wir dachten uns, dass ihre Stimme bei „Broken wings“ dem Text den richtigen Ausdruck verleiht.
Eure Texte auf „Words With Destiny“ sind an sich recht klar und unmissverständlich. Dennoch: Was versucht ihr über eure Musik zu vermitteln?
Simon: „Words With Destiny“ ist ein Album, das sich in Form von Kurzgeschichten kritisch und emotional mit den Schicksalen einzelner Personen und Tiere beschäftigt. Es passiert derzeit einfach zuviel Mist: Krieg auf der Welt, Leute kommen für ihre Meinung in den Knast, andere betäuben ihre Perspektivlosigkeit, indem sie sich eine Spritze in die Vene jagen, Zeitungen schreiben über die schönste Frau der Welt, während wieder mal ein Flüchtlingsboot im Mittelmeer absäuft, Leuten werden die Köpfe abgehackt, Tiere werden gequält, damit man keine Pusteln von der Handcreme kriegt, in Europa hocken wieder einmal Nazis in den Parlamenten, und und und. Unsere Antwort darauf ist dieses Album. Unsere Inspiration war dieses Mal nicht das Feiern in der nächsten Kneipe, sondern die Scheiße, die uns tagtäglich umgibt. Und genau auf die wollen wir aufmerksam machen.
Lukas: Die Konsequenz, die wir daraus ziehen und vermitteln wollen, steht eigentlich ziemlich klar im Booklet: „They tell you fate is inevitable, without alternative. It is not. Don’t let borders, class or gods decide over lives. Have words with destiny.“ Jeder Song auf dem Album erzählt von einem Schicksal. Es heißt oft: „Das ist Schicksal, daran kann man nichts ändern.“ Das ist Bullshit! Das ist nur eine faule Ausrede für andere oder sogar für sich selbst, nicht den Finger krummmachen zu müssen. Es ist aber unsere Pflicht, unser Leben und auch das anderer positiv zu beeinflussen und sich nicht alles gefallen zu lassen. Man muss sich mit dem Schicksal auseinandersetzen und mit dem Schicksal mal ein ernstes Wörtchen reden – „Words With Destiny“.
Bei Bands in der Größenordnung von acht Leuten gibt es zwangsläufig ab und an Veränderungen in der Besetzung. Seit ihr erfolgreicher und medienpräsenter seid, scheint die Besetzung recht stabil zu sein.
Simon: Die Stabilität kam mit der Professionalität. Das ist mittlerweile mehr als ein Hobby und muss dann auch so behandelt werden. Dabei ging der Spaß keineswegs verloren, aber die Musik nimmt bisweilen einen sehr großen Teil unseres Lebens ein, und deshalb gab es im Laufe dieser Entwicklung den einen oder anderen Wechsel. Irgendwann muss man sich entscheiden, wohin es gehen soll. Das haben wir gemacht und deshalb funktioniert das live bisher ziemlich gut. Klar, bei über fünfzig Konzerten im Jahr ist es manchmal nicht anders möglich und es muss auch mal ein Freund bei einem Gig aushelfen. Aber das ist bei uns eher die Ausnahme.
Welche neuen Auslandserfahrungen werdet ihr 2015 machen dürfen?
Lukas: Es gibt Leute aus Mexiko und England, die uns ständig mit Mails bombardieren, wann wir endlich bei ihnen spielen. In der Praxis ist das aber leider nicht so einfach. Wir sind so viele Leute, die rumgefahren werden müssen, Essen und ein Bett brauchen. Das macht uns leider für viele Tourneeveranstalter extrem unattraktiv. Aber irgendwann schaffen wir auch das.
Was steckt hinter der „Initiative Musik Non-profit Project Company Ltd.“? Habt ihr für die Produktion von „Words With Destiny“ Kulturfördermittel aus dem Bundeshaushalt erhalten?
Lukas: Wir haben bei der Initiative Musik einen Förderantrag für unser neues Album gestellt und bewilligt bekommen. Da machen wir kein Geheimnis draus. Ich zitiere: „Die Initiative Musik GmbH ist eine Fördereinrichtung der Bundesregierung für die Musikwirtschaft in Deutschland. Sie wird getragen von der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) und dem Musikrat sowie finanziell unterstützt von GVL, GEMA sowie GEMA-Stiftung.“
Beißt sich das nicht etwas mit dem, was ihr aussagen wollt, denn als systemkonforme Band sehe ich euch eigentlich nicht?
Lukas: Wir haben uns im Vorfeld viele Gedanken gemacht, ob wir das wirklich machen wollen. Aber nur weil wir mit sehr vielen Sachen nicht einverstanden sind, die unsere Regierung so treibt, müssen wir ja nicht alles scheiße finden. Gerade in der Sozial- und Kulturpolitik gibt es viele Sachen, über die ich mich wahnsinnig aufregen könnte. Aber es gibt ein paar Dinge, die wirklich gut sind. Die Initiative Musik ist eine davon. Ohne sie würde unsere Musiklandschaft ganz schön traurig aussehen. Wenn wir so eine Förderung in Anspruch nehmen, macht uns das ja nicht zu einer systemkonformen Band. Deshalb finden wir noch lange nicht die deutsche Flüchtlingspolitik super. Jetzt kann man natürlich sagen: „Klar, finden die das gut, die bekommen da ja Kohle.“ Aber es ist ja nicht so, dass wir uns persönlich bereichern. Ein Album in der Größenordnung ist ohne Förderung leider nur sehr schwer zu stemmen. Ich und auch einige meiner Bandkollegen arbeiteten in der heißen Phase vor dem Album Vollzeit für die Band, ohne einen Cent dafür zu bekommen. Nachts gehen wir Barkeepern oder arbeiten in einem Gemüselager, um das zu finanzieren. Jeder von uns bringt Opfer für die Band. Deswegen wollen wir, dass unser Album und alles drumherum so gut wie möglich wird. Dazu sind wir einfach auf eine Förderung angewiesen. Wäre ja auch schade, wenn wir uns nicht mehr das Porto für die Promo-CD ans Ox leisten könnten. Damit will ich sagen, dass es bei der Förderung nicht um Geldgier geht, sondern darum, eine Basis zu schaffen, um unsere Band so zu betreiben, wie wir es tun. Und das nicht, weil wir schlecht wirtschaften. Viele auch sehr bekannte Bands aus unserer Szene sind auf die Förderung der Initiative Musik angewiesen. Wir sind vielleicht eine der wenigen, die damit so offen umgehen. Aber das muss jeder selbst wissen. So, genug gejammert. Geht mehr auf Konzerte und nehmt euch beim Rausgehen ein Shirt und eine Platte mit, dann sind wir vielleicht bald nicht mehr auf diese „Musikersozialhilfe“ angewiesen.
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