Manchmal kann es sogar sinnvoll sein, sich zu langweilen und stundenlang im Internet zu surfen. Genauso ging es mir vor einer Weile, und als ich zufällig auf eine Beschreibung der Band PONY UP! stieß, verbrachte ich letztendlich den Abend auf der Dim Mak-Seite und hörte mir immer und immer wieder den Song „Shut up and kiss me“ an. Pony Up! hatten es geschafft und mich mit ihrem poppigen und irgendwie unschuldig anmutenden Sound definitiv begeistert.
In Bezug auf ihre Band reden die vier Mädels aus Kanada übrigens gerne von einer „Death Pop Band“. Nun gut, da kann man sich wahrlich drüber streiten, aber eine gewisse Ironie und Abgrenzung scheint hier unmissverständlich. Gemeinhin und vor allem aufgrund ihrer recht offenen und offensichtlichen Texte werden PONY UP! nämlich gerne als „kanadische DONNAS“ bezeichnet. Das sollte jedoch ganz fix wieder vergessen werden, und Vergleiche an sich hinken sowieso oftmals, weshalb PONY UP! ihre Musik auch nicht festlegen möchten: „We are a hair pop band to a stranger. Devils music to our parents. Our friends all know the truth which is that we are #*^^$#(%&*#(%.“
In ihrem Profil auf MySpace fallen sie übrigens unter die Rubrik „Christian Rap/Indie/Pop“, was ich für besonders gelungen halte. Die Bandbiografie auf der Dim Mak-Seite macht abermals klar, dass Lisa (Bass/Gesang), Lindsay (Schlagzeug/Gesang), Laura (Keyboard/Gesang) und Sarah (Gitarre/Gesang) lediglich Musik machen möchten. Die andauernden Vergleiche und vor allem der ständige Hinweis auf die Tatsache, dass PONY UP! eine reine Mädchenband ist, nervt alle: „ In einer All-Girl-Band zu sein, spielt definitiv die meiste Zeit eine große Rolle. Es fällt den Leuten schwer, uns lediglich als eine Band zu sehen. Ich denke, weil es immer noch nicht so viele Bands nur mit Mädchen gibt, scheint das eine Art ‚gimmick‘ zu sein. Es ist dennoch seltsam – wären wir eine Gruppe asiatischer Typen, würden die Leute sich dann immer noch wohl fühlen, das andauernd zu erwähnen? Würden sie uns genauso eine ‚chink band‘ nennen, wie sie uns eine ‚chick band‘ nennen? Weil das ja eigentlich genau dasselbe ist. Bewusst benutzen wir unser Geschlecht musikalisch oder in anderer Hinsicht auf keinen Fall, aber gleichzeitig haben wir keine Angst, zu feminin oder mädchenhaft zu sein. Wir versuchen einfach nur, ehrliche Musik zu machen.“
Auch in ihrer selbstverfassten Biografie, die die Form eines Gedichtes hat, wird darauf hingewiesen, dass sie bitte nicht „süß“ genannt werden wollen. Das Label Dim Mak, auf dem PONY UP! seit einiger Zeit sind und auf dem sie nach ihrer Split-7“ mit Ben Lee ihre titellose EP herausgebracht haben, kündigt die vier Damen außerdem als „latest upholders of feminine prestige in the race for parade honors“ an. PONY UP! haben mir dann allerdings erklärt, dass sie sich gar nicht so als feministische Band verstehen und diese Bezeichnung einfach nur ein Zitat von den PONY TAILS aus den Sechzigern ist, was sie lustig finden. Nichtsdestotrotz habe ich mich gefragt, ob die Band denn wohl auch mit der Riot Grrrl-Bewegung in Zusammenhang gebracht wird: „Wir werden kaum mit Riot Grrrl-Bands verglichen, weil wir nicht wütend und politisch sind. Wir würden das aber als ein Kompliment empfinden, da wir alle diese Musik geliebt haben und viele Texte auch unsere Einstellungen und Ideen verändert und beeinflusst haben. Indirekt kann man also von einem Einfluss der Riot Grrrl-Bewegung sprechen. Wir denken auch, dass wir dank dieser Bewegung viele Dinge heutzutage als selbstverständlich ansehen können. Sie war quasi der Wegbereiter für eine Band wie unsere, die sagt: ‚Hey, wir sind klug und deshalb sind wir offensichtlich auch Feministinnen, aber hier habt ihr unsere Songs über Beziehungen, Tiere oder was auch immer.‘ Wir sind post-Riot Grrrl.“
PONY UP! arbeiten derzeit an ihrem ersten Album, allerdings wird es vorab noch eine weitere EP geben. Vielleicht finden sich dort dann auch Texte über Tiere. Texte über Beziehungen und Liebe finden sich schon zur Genüge. Und wenn man „40 boys in 40 nights“ von den DONNAS noch im Kopf hat, erinnern Songtitel wie „I heard you got action“ oder aber auch „Shut up and kiss me“ tatsächlich an die Kolleginnen. In „Matthew Modine“ zum Beispiel singen die Vier über den amerikanischen Schauspieler aus den Achtzigern und darüber, dass sie gerne seine „blowjob queens“ wären, für Polygamie offen sind und er „creamy jeans“ bei ihnen verursacht. Das Ganze hat einerseits einen leicht Highschool- und Teenage-esquen Touch und zum anderen sind Texte wie dieser einfach nur witzig. Vor allem im Zusammenspiel mit der unbeschwerten, poppigen Musik möchte man einfach mitsingen und bekommt gute Laune. „Matthew Modine“ allerdings ist lediglich als eine Anspielung auf den Liz Phair-Song „Flower“, womit PONY UP! eigenen Aussagen zufolge oft verglichen werden. Folglich rate ich davon ab, von den Texten auf persönliche Vorlieben der Mädels zu schließen.
Generell sind die Texte von PONY UP! ein wichtiger Faktor – man muss PONY UP! einfach mögen, denn die Texte sind nicht bloß highschool-love-alike, sondern vor allem witzig und originell. Für die Band nehmen Texte dementsprechend auch denselben Stellenwert ein wie die Musik: „Wir haben nicht nur eine Songwriterin und deshalb gibt es auch nicht den einen Ansatz beim Schreiben der Songs. Einige Lieder sind witzig gemeint, wie ‚Matthew Modine‘, andere sind von unseren Träumen, Herzschmerz oder Fernsehshows inspiriert. Das ändert sich von Song zu Song. Wir sind eine sehr offene, experimentelle Band, obwohl wir musikalisch oft auch sehr formal sind. Bisher haben wir keinen zusammenhängenden Sound. Vielleicht wird das einmal so sein, aber momentan sind wir glücklich damit und versuchen, jedes Lied anders als das Letzte zu schreiben. Falls einige Songs teenage-esque scheinen, liegt das daran, dass wir unsere Musik nicht immer ernst nehmen, und somit viel Platz für Humor und Spaß lassen. Das kommt tatsächlich manchmal sehr jugendlich herüber, weshalb manche Menschen uns auch mit Teenagern verwechseln.“
Nebenbei: ich weiß ja nicht, ob es irgendwem genauso geht, aber bei dem Bandnamen PONY UP! muss ich immer direkt an „Mein kleines Pony“ denken. Also doch noch Teenager? Nicht ganz: „Lisa und Sarah waren in einer Band die PONY hieß, was durch das GENUWINE-Lied ‚Ride my pony‘ kam. Als Lindsey und Laura dazukamen, wurde es zu PONY UP!, denn das ist quasi ein Befehl: You must pony up! Das bedeutet eigentlich ‚etwas unfreiwillig hergeben‘.“
Das Label Dim Mak hat schon einige Bands und Musiker herausgebracht, die in Verbindung zu Hardcore/Punk oder aber der Indieszene stehen. Da auch PONY UP! musikalisch in diese Richtung gehen, war die Frage nach einem persönlichen Bezug zu derartigen Musikrichtungen quasi obligatorisch. Interessanterweise zeigten sich PONY UP! an solchen Dingen allerdings uninteressierter, als ich dachte: „Auf jeden Fall fühlen wir uns der Indieszene nahe. Aber hey, wir spielen mit jedem – und wir meinen wirklich mit jedem!“
Scheinbar sind Standardkategorisierungen wenig angesagt bei den Kanadierinnen und vielleicht sollten sowohl Künstler als auch Konsumenten so langsam aber sicher von solchen Kategorien absehen, denn in erster Linie zählt das Musikmachen. Und genau das wollen PONY UP!, die nebenher übrigens alle Gelegenheitsjobs haben, auch weiterhin machen: „Sweet, sweet music“. Ach ja, nach Europa möchten die Damen auch gerne mal kommen und bitten hiermit um Schlafplätze auf den Sofas der Ox-Leser, falls es denn klappen sollte mit einer Tour!
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #62 Oktober/November 2005 und Sarah Shokouhbeen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #90 Juni/Juli 2010 und Kay Werner