PISSED JEANS

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Großraumbüroerfahrungen

Lauter, harter, krachiger Punkrock, beeinflusst von Achtziger-Hardcore und Post-Hardcore. Musikalisch ist die Sache damit recht gut umrissen, textlich ist man aber noch nicht mal nah dran. Hier kommen die Großraumbüroerfahrungen der Bandmitglieder voll zum Tragen, denn alle haben neben PISSED JEANS einen Vollzeitjob und nutzen die Band als Spielwiese zur sarkasmusgetränkten Verarbeitung des ganz normalen alltäglichen Wahnsinns. Im Fokus auf Langspieler Nummer fünf: Geschlechterverhältnisse. Sänger Matt Korvette geht ins Detail.

Matt, wenn man sich die aktuelle politische Situation in den USA so anschaut bekommt euer jüngstes Album „Why Love Now“ gleich eine ganz neue Bedeutungsebene.

Da hast du wohl recht. Das ist gerade eine sehr frustrierende Zeit für alle, die ich hier kenne, wahrscheinlich bis zu einem gewissen Grad auch für die ganze Welt. Es ist wirklich furchtbar, niemand von uns hat geglaubt, dass das jemals passieren könnte. Ich schäme mich irgendwie dafür, dass ich nicht mehr unternommen habe, um das zu stoppen. Dass ich es nicht etwas ernster genommen habe. Jetzt ist dieser schreckliche Arsch Präsident. Die Gesellschaft bewegt sich aktuell in eine sehr ungute Richtung, alles wirkt ziemlich repressiv. Menschen, die männlich und weiß sind, beginnen damit, ihre Hassfantasien auszuleben. Das ist beängstigend.

Womit wir ja beim Hauptthema eurer Platte sind. Wird sich die Situation bezüglich gender relations in den USA verschlechtern?

Ich weiß nicht. Es gibt so viele gute Menschen da draußen, die wirklich versuchen, es besser zu machen, die versuchen benachteiligte Gruppen zu integrieren. Für mich sieht das derzeit so aus, als würden die Bürger eigentlich Gutes tun, unsere Führung aber das genaue Gegenteil. Und das ist wirklich frustrierend. Aber das bedeutet ja nicht, dass die Guten jetzt aufgeben oder wegziehen oder so. Es wird sich wohl mehr zu einer Art Kampf entwickeln. Ich bin beispielsweise sonst nicht übermäßig politisch aktiv, aber ich war seit Trumps Inauguration schon auf einigen Protestkundgebungen. Ich habe das Gefühl, wenn du in Amerika wohnst, kannst du dich nicht einfach nur im Internet über die Situation beschweren, du bist quasi dazu gezwungen, aktiv zu werden, du musst raus auf die Straße. Du musst wirkungsvollere Möglichkeiten finden, dagegen zu kämpfen.

Worauf hast du textlich ursprünglich abgezielt?

Wohl eher die üblichen Dinge, die ich immer wieder in meinen Songs verarbeite: Arbeit, Freunde, alles, was nötig ist, um mein Leben zu sortieren. Dinge, die mir wichtig sind, die ich interessant oder seltsam finde, oder die den einen oder anderen Gedanken wert sind.

Am ungemütlichsten wird das in dem von Lindsay Hunter eingesprochenen Track „I’m a man“. Du hast mal gesagt, dass Lindsay Hunter das zum Vorschein bringt, was ihr mit PISSED JEANS anstrebt: eine echt abstoßende Art von Realität, die wirklich schockiert.

Ein Großteil von Lindsay Hunters Poesie und Prosa ist sehr furchteinflößend und scheußlich, aber gleichzeitig auch fesselnd. Es sind aber keine Fantasievorstellungen mit Zombies oder fiesen Foltermethoden, sondern es sind Dinge, die vielen von uns im Alltag begegnen, die wir in dieser Form auch kennen. Das finde ich wichtig, dass es Erfahrungen sind, die ganz normale Leute täglich machen. Nichts mit Aliens oder noch seltsameren Sachen, es geht um die Interaktion mit echten Menschen, die in denselben Supermarkt oder in dasselbe Büro gehen wie du. Die Kunst ist, den wahren Horror im Alltag zum Vorschein zu bringen, und das gelingt Lindsay wirklich ausgezeichnet. Auch in diesem Track.

Außerdem habt ihr mit der Untergrundlegende Lydia Lunch zusammengearbeitet.

Ja, etwas in der Art hatten wir vorher noch nie gemacht. Wir hatten zwar immer Gäste auf unseren Alben, aber das war schon etwas ganz Besonderes. Mir war wichtig, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der eine komplett andere Perspektive auf das Ganze hat. Ich wusste zwar, dass sie keine ausgebildete Produzentin ist, aber sie ist sehr talentiert, erfahren und kreativ, das erhöht die eigene Bandbreite enorm. Und ich mag die Idee, mit einer einschüchternden Frau zusammenzuarbeiten, vor der ich ein kleines bisschen Angst habe, haha. Sie war auf jeden Fall respekteinflößend und die Situation manchmal ungemütlich. Sie ist ziemlich geradeheraus, gar nicht fürsorglich oder freundlich, so etwas wie Smalltalk ist bei ihr nicht drin. Sie hat in ihrem Leben schon so viele Dinge getan, die mir förmlich die Schamesröte ins Gesicht treiben. Aber insgesamt war das auch eine richtig tolle Erfahrung und wir haben uns schließlich auch angefreundet. Ich habe viel von ihr gelernt.

Arthur Rizk hat allerdings auch als Produzent mitgewirkt. Was genau war seine Aufgabe?

Er hatte ein ganz anderes Tempo als Lydia, irgendwie normaler. Lydia steht immer voll unter Strom, spricht pausenlos und ist voller Ideen. Arthur ist da eher zurückhaltend und entspannt, ein Stück weit schon fast stoisch. Er hat die technischen Dinge geregelt, die eigentlichen Aufnahmen, während Lydia sich eher um die Ideen hinter den Dingen gekümmert und kreativen Input gegeben hat, in gewisser Weise auch ihre Präsenz auf die Aufnahmen übertragen hat. Beide waren wichtig. Ohne Arthur hätten wir nicht wirklich aufnehmen können, aber ohne Lydias Ideen, Unterstützung und Feedback hätte die Würze gefehlt.

Oft habt ihr soziale und/oder politische Themen in euren Songs, meist aber mit einem kleinen Augenzwinkern versehen. In Titeln wie „Worldwide marine asset financial analyst“ zum Beispiel, oder „Have you ever been furniture“.

Ich provoziere einfach gerne Reaktionen auf meine Songs. Als Mitglied einer aggressiven Rockband muss ich über Dinge singen, die mich auch wirklich beschäftigen, die mich wütend machen und frustrieren. Wenn ich einfach etwas herausschreien würde, zu dem ich keinerlei Bezug habe, wäre das ja, als würde ich mich mal eben in einen Film setzen oder so. Also konzentriere ich mich auf das, was mich bewegt, setze mich damit auseinander und finde dabei heraus, aus welchem Grund mich das überhaupt bewegt, versuche, in die Tiefe zu gehen und in dem Kontext eine interessante Idee zu entdecken. Dass sich darin oft auch ein bisschen Sarkasmus versteckt, liegt wohl daran, dass das einfach meine natürliche Art der Kommunikation ist, haha. Ich kann es einfach nicht lassen, hier und da ein bisschen lustig und sarkastisch zu sein. Ich versuche ja schließlich auch, mich irgendwie selbst bei Laune zu halten. Indem ich ein paar Spinnereien einbaue. Ich würde es auch nicht mögen, wenn mich jemand in der ernsthaften Überzeugung, die Antwort auf alle Dinge da draußen zu wissen, permanent anschreien würde. Mit erhobenem Zeigefinger sozusagen. Ein solches Album würde ich mir selbst nicht gerne anhören. Ich würde mich wie ein Hochstapler fühlen, wenn ich in meinen Lyrics den Eindruck vermitteln würde, ich hätte die Lösung für sämtliche Probleme der Welt, und dir dann auch noch vorschreiben würde, was du zu tun hast. Deswegen bin ich manchmal auch einfach ein wenig albern. In einer Band zu sein macht echt Spaß, aber ich mache das nicht die ganze Zeit, wir proben nicht jeden Tag oder bringen alle sechs Monate ein neues Album heraus. Wir gehen auch nicht ewig auf Tour, sondern spielen oft nur eine Handvoll Konzerte pro Jahr. Das soll uns auch Spaß machen. Und ein wenig herumzualbern macht einfach eine Menge Spaß. Ich will nicht die ganze Zeit zu Hause sitzen und mürrisch oder angepisst sein. Humor gehört einfach dazu. Und das kommt in meiner Art Songs zu schreiben durch.

Liest du Reviews zu deinen Platten?

Ja, das tue ich. Manche scheuen sich ja davor, aber ich genieße das tatsächlich. Meist bekommen wir ja auch ziemlich gute Reviews. Selbst wenn man das Gefühl hat, dass da jemand nicht versteht, worum es eigentlich geht, weiß ich die harte Arbeit, die hinter dem Schreiben steckt, wirklich zu schätzen. Wenn du in einer Band spielst, willst du schließlich, dass jemand da draußen es auch mitbekommt.

Wie würdest du selbst PISSED JEANS umschreiben?

Das kommt ganz darauf an, mit wem ich darüber spreche. Wenn ich mich mit jemandem unterhalte, der sich im Bereich Untergrundmusik im Sinne von Punk und Hardcore auskennt, würde ich wahrscheinlich mehr ins Detail gehen. Aber ganz verallgemeinert gesagt spielen wir wohl lauten, harten Rock mit starken Punk-Einflüssen. Man sollte es vielleicht grundsätzlich so einfach halten.