PIEFKE

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Engagement im Alltag

Mit „Probleme“ brachten PIEFKE aus Leipzig im März auf Bakraufarfita ihr zweites Album an den Start. Brennende politische Themen in aufs wesentliche fokussierten deutschsprachigen Songs und der harte, punkige Sound sind ihre Markenzeichen. „Ohne Schnickschnack, gleich auf die Zwölf“, wie es in einer Besprechung ihrer Tape-Veröffentlichung „Dreck“ 2018 in diesem Heft mal hieß. Ich nutzte die Gelegenheit und tauschte mich pünktlich zum Release mit Sänger Richard über die neue Platte aus.

In welchem Zeitraum sind die Texte und Aufnahmen zu „Probleme“ entstanden und nahm die Pandemie dabei einen Einfluss?

Die Songs des Albums sind nach und nach seit der letzten Veröffentlichung entstanden. Im Studio waren wir im Sommer. Der Zeitraum stand schon länger fest und somit hatten wir vor und während der ganzen Pandemie Gelegenheit, uns auf die Produktion des Albums zu konzentrieren. Einfluss auf die Texte hatte die Pandemie nicht, die Titel waren bereits geschrieben, als es richtig losging.

Das Album beginnt mit dem Titel „Probleme 1“, in dem ihr die Folgen und Tatenlosigkeit der Politik im Zusammenhang mit der Gentrifizierung ansprecht. Der Kreis schließt sich mit dem letzten Titel „Probleme 2“, in dem es um Flucht aufgrund von politischer Verfolgung geht. Sind Probleme der rote Faden der Platte?
„Probleme 1 + 2“ waren ursprünglich ein zusammenhängender Song. Da wir im Zuge der Namensgebung auch über die Reihenfolge der Lieder auf der A- und B-Seite diskutierten, kamen wir auf die Idee, das Lied zu splitten, separat aufzunehmen und der LP mit diesen beiden Liedern einen Rahmen zu geben. Klar, die meisten der angesprochenen Themen in den Texten können als Probleme gelten oder sind es tatsächlich. Das war jedoch nicht meine Absicht, aber in dieser Welt und zu dieser Zeit ist es schwierig für mich, über etwas Erbauliches zu schreiben.

Für die von euch beschriebenen Problemen ist fast immer der Mensch ein Hauptverursacher. Kann es für dieses Grundproblem überhaupt jemals eine Lösung geben?
Die Ursachen aller beschriebenen Probleme sind menschengemacht. Am Ende vernichtet sich die Menschheit selbst und zerstört den Planeten, auf dem sie lebt. Es gibt Lösungen. Global werden diese jedoch nicht umgesetzt, solange die Mächtigen dieser Welt in einer kapitalistischen Gesellschaft agieren und Profit auf dem Rücken der dritten Welt generiert wird. Solange die Gier nach Profit und ein Kampf gegen den Verlust von vermeintlichen Werten wichtiger sind als Menschenleben, sehe ich dahingehend schwarz.

Beim Hören ist mir sofort aufgefallen, dass ihr im Vergleich zum Vorgänger noch direkter zum Punkt kommt – musikalisch und textlich. Ist der Eindruck richtig?
Danke, ich nehme das mal als Kompliment. „Menschenmühle“, unser Debütalbum, haben wir relativ schnell zusammengeschrieben und als DIY-Produktion mit Unterstützung eines guten Freundes aufgenommen. Seitdem haben wir uns weiterentwickelt und an unserem Stil gefeilt.

Ein Titel mit interessantem Text ist „Treppenhaus“. In einem offensichtlich neu gebauten Haus zieht wegen vermutlich überteuerter Mieten keiner ein. Tag und Nacht brennt dort im Treppenhaus das Licht, um Leben vorzugaukeln. Ist das tatsächlich passiert?
In unserem Viertel, das das Label „alternativ geprägt“ trägt, lebt es sich gut. Das bekommen auch Investoren mit und bauen alles zu. Den beschriebenen Bau gibt es wirklich. Natürlich haben sich am Ende, leider, Mieter gefunden, die bereit und wohlhabend genug sind, viel Geld für den Wohnraum zu zahlen und somit die Preise zu legitimieren. Während der Bauphase und danach war das Treppenhaus wirklich recht häufig beleuchtet. Ob wirklich der Schein gewahrt werden sollte, weiß ich nicht. Mir hat jedoch das Bild gefallen und ich habe es schließlich dazu benutzt, um das Thema zu bebildern.

In „Demagogo“ beschreibt ihr einen zunächst erfolgreichen, aber letztendlich gescheiterten Freiheitskampf. Auf welches Ereignis beziehst du dich hier?
Ich nenne es einfach mal: das Drama von Ostdeutschland. 1989 gehen Teile der Bevölkerung in der DDR auf die Straße und wollen einen Wechsel der Politik. Erfolgreich! Viele Menschen hadern dann aber doch mit dem neuen System und sind unzufrieden. Seit 2015 gingen im Osten Deutschlands erneut Tausende auf die Straße und geben, mit den Worten von damals „Wir sind das Volk“, ihrem Unmut eine Stimme. Und sie geben auch denen ihre Stimme, die versprechen, den etablierten Parteien entgegenzutreten. Nazis im Demokratiegewand, die genau das möchten, wogegen Jahre zuvor der Protest zur Revolution führte.

Wie bereits angedeutet, setzt ihr euch auf der Platte mit einer Vielzahl von politischen Themen und Problemen auseinander. In Zeiten wie diesen wird aktives Handeln immer wichtiger, damit die gesellschaftliche Spaltung nicht zu noch größerem Ungemach führt. Seid ihr in Leipzig auch außerhalb der Band aktiv beziehungsweise unterstützt mit der Band Initiativen?
Ich denke, dass Engagement im Alltag beginnt. In der Haltung, mit denen man Menschen gegenübertritt, wie man seine Kinder erzieht, wie man die Umwelt behandelt. Antifaschismus, Respekt der Freiheit des Gegenübers, Achtung der Menschenwürde und so weiter sollten keine Labels sein, die man sich auf die Fahne näht, sondern selbstverständlich. Wenn ich also bei mir anfange, nach diesen Grundwerten lebe und sie einfordere und damit auch nur einen weiteren Menschen zum Nach- oder Umdenken bewegen kann, habe ich schon etwas erreicht.

Ist eine Pandemie-konforme Veranstaltung zum Release von „Probleme“ geplant?
Wir stellen Überlegungen an, sind dabei jedoch realistisch und halten ein Konzert oder eine Tour zum LP-Release nicht für machbar. Wir möchten den fehlenden Kontakt zum Live-Publikum kompensieren, sind jedoch keine wirklichen Fans von Livestreams oder Release-Videochats.

Wie sehen die Pläne der Band für 2021 aus?
Wir sind mit unserer Bookerin im Kontakt und loten die Lage für Konzerte aus. Aber seien wir mal ehrlich, bis zum Herbst sieht es wohl etwas mau aus, was Live-Shows angeht. Das erste Video ist draußen, zum Song „Schablone“, und weitere werden folgen. Vielleicht werden wir auch einfach am dritten Album arbeiten, um 2022 eine Doppel-Release-Party zu veranstalten ...